Besuch!

Kinderbuch | Sabine Lippan: Mama, da steht ein Bär vor der Tür / Michael Escoffier: Bitte aufmachen!

Türen sind etwas Spannendes, trennen sie doch das Drinnen vom Draußen. Und manchmal steht jemand vor der Tür, der rein will. Das kann die Sache noch spannender machen – oder gar gefährlich. ANDREA WANNER war neugierig auf den Besuch vor der Tür.

mama-da-steht-ein-baer-vor-der-tuer500»Mama, da steht ein Bär vor der Tür!«, verkündet ein Knirps. Die Mutter regiert skeptisch: »Aber wir wohnen im elften Stock!« Das mag für Erwachsene ein logischer Grund dafür sein, dass kein wildes Tier das häusliche Idyll stören kann. Aber man kann die Sache auch ganz anders sehen, denn die verblüffende Antwort lautet: »Deshalb ist er ja da.« Nun entspinnt sich ein munterer, schlagfertiger Dialog zwischen Mutter und Sohn.

Während die Mutter nebenher weiter in der Küche werkelt und sich dem Kuchen, den sie backen will, widmet, stellt sie allerlei Erwachsenenfragen, die dazu dienen soll, den Bär vor der Tür als Fantasieprodukt zu entlarven. Wie soll er den in den in den elften Stock gekommen sein? Und wie überhaupt aus dem Wald in die Stadt? Aber ihr Sprössling bleibt keine Antwort schuldig und entwickelt mit zwingender Logik den Ausflug eines Waldbewohners mit Fahrrad und Bus in die Stadt, weil nur von einem Hochhaus aus das Meer sehen kann.

Sabine Lippan hat sich eine amüsante Geschichte ausgedacht, die nur aus dem Mutter-Sohn-Dialog besteht. Keiner von beiden lässt locker, jede Frage bekommt eine Antwort, die eine neue Frage aufwirft. Ein heiteres Spiel, das grafisch geschickt durch zwei Farben – Rot für die Fragen der Mutter, Blau für die Antworten ihres Sohnes umgesetzt ist. Die wundervolle Ergänzung der Geschichte liefern die leuchtenden Bilder von Manuela Olten mit vielen Details , die die Hin- und Heimreise vom Meister Petz schildern. Ein sympathischer Gesell mit Knopfaugen, der schon auf dem Cover, wo der durch den Türgucker zu sehen ist, nur nett und freundlich wirkt. Genauso ist er auch, ein kuscheliger großer Freund, dessen großer Wunsch in Erfüllung geht: Kuchen essend vom Dach des Hochhauses das Meer sehen.

Stand da wirklich ein Bär vor der Tür? Tja, so ganz genau weiß man das nicht. Eigentlich gibt es ja sogar seine Fußspuren als Beweis. War er da? Oder nicht? Man hätte ihn auf jeden Fall reingelassen.

Bitte aufmachenWas man nicht auf jeden Fall tun darf. Eine äußerst dramatische Geschichte in Schwarz-Weiß erzählen Michael Escoffier und Matthieu Maudet in ihrem Pappbilderbuch »Bitte aufmachen!« Der Erste, der diese Bitte äußert, ist der Hirsch. Er klopft in Aufregung an die Tür des Hasenhauses (das durch einen Aufklappeffekt sein Inneres zeigt). Draußen ist es dunkel, der Hirsch wirkt gehetzt: »Da ist einer hinter mir her!« Und nachdem der vermeintliche Übeltäter genannt ist – der Wolf – macht der Hase selbstverständlich die Tür auf. Drinnen ist es hell, draußen finstere Nacht. Die Tür trennt Sicherheit und Gefahr. So soll es sein.

Doch da steht plötzlich der Wolf vor der Tür und behauptet, er würde auch verfolgt von einem Ungeheuer. Klar darf er nicht rein. Aber was tut man, wenn einer die Spielregeln verletzt und sich trotzdem Zugang verschafft? Ein Spiel mit Hell und Dunkel, Freund und Feind, echter und eingebildeter Gefahr beginnt, minimalistisch und auf das Wesentliche reduziert illustriert. Aufmachen? Zulassen? Jedes Klopfen stellt einen erneut vor die Entscheidung. Drinnen und Draußen werden vertauscht, Sicherheit infrage gestellt. Und irgendwo da draußen ist etwas Unheimliches, rot leuchtend in der schwarz-weißen Welt.

Erwartung und Zweifel, die typischen Merkmale von Suspense, bestimmen den Spannungsbogen – mit einer heiteren Lösung, die Hase, Hirsch und Wolf allerdings vorenthalten wird.

Dann warten wir doch mal gespannt, wer und was sich vor unseren Türen in der nächsten Zeit so tummelt. Innendrin kann man’s sich zwischenzeitlich mit diesen Bilderbüchern gemütlich machen!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Sabine Lippan: Mama, da steht ein Bär vor der Tür
Mit Illustrationen von Manuela Olten
Berlin: Tulipan 2014
36 Seiten. 14,95 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren

Michael Escoffier: Bitte aufmachen!
(Ouvre-moi ta porte, 2014)
Illustriert von Matthieu Maudet
Aus dem Französischen von Markus Weber.
Frankfurt: Moritz 2014
52 Seiten. 12,95 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Wiedersehen mit Südafrika

Nächster Artikel

Der arabische Frühling kommt nach Deutschland

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Für jede Woche und noch mehr

Kinderbuch | A. McAllister, Ch. Corr: Geschichten rund um die Welt Bücher mit zahlreichen Geschichten sind wie ein Schatzkästchen. Oder wie eine Bonbontüte. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll und vor allem, wo aufhören, damit man nicht überfüttert wird. In ihrer neuesten Sammlung führt Angela McAllister durch das Jahr. Aber keineswegs nur so, wie man das schon kennt. Überraschung garantiert. Von MAGALI HEIẞLER

Bloß keine Skrupel

Kinderbuch | Levi Henriksen: Astrids Plan vom großen Glück Dass man mit Gegebenem nicht zufrieden ist, kommt häufig vor. Dass man das Gegebene gezielt ändert, um wieder glücklich zu werden, ist weit seltener. Neben der Bequemlichkeit stehen auch Skrupel im Weg, und zwar desto mehr, je älter man ist. Mangelnde Lebenserfahrung dagegen macht manches leichter. Das zumindest meint Levi Henriksen in Astrids Plan vom großen Glück. Ob das gut gehen kann? Von MAGALI HEISSLER

Aufmerksame Ohren gefragt

Kinderbuch | Kathrin Rohmann: Der Geräuschehändler bekommt Post

Das erste Buch über den liebenswerten Geräuschehändler mit seinem seltsamen Beruf ist noch nicht vergessen, da kommt dieser neue Band heraus. Ebenso charmant, lesenswert und abenteuerlich und vor allem: mit mindestens genauso viel Fantasie wie das erste Buch, meint BARBARA WEGMANN

Gruseln garantiert

Kinderbuch | Julia Kahrs: Sturm überm Winkelhaus

Ein windschiefes altes Haus, das ewig leer stand und in das keiner einziehen wollte, wird das neue Zuhause von Sam, ihren beiden älteren Brüdern Gabriel und Fleming und ihrer Mutter. Gørja ist auf den ersten Blick eine ganz normale kleine Stadt, auf den zweiten Blick gibt es dort jede Menge Geheimnisse und ungelöste Rätsel. Das wäre eine superspannende Sache, gäbe es da nicht einen schrecklichen Verdacht. Von ANDREA WANNER

Ein Märchenklassiker aufgepeppt

Kinderbuch | Petra Piuk: Josch der Froschkönig

Wenn man den Titel »Der Froschkönig« hört, weiß man gleich Bescheid: Es ist einer der Klassiker in der bunten Märchenwelt. Der Frosch, der die Prinzessin rettet und ihre goldene Kugel aus dem Brunnen holt, die Prinzessin, die daraufhin den Frosch widerwillig rettet und letztlich den Prinzen heiratet. Doch halt: Hier ist ein Froschkönig, der wirklich ganz anders daherkommt. Von BARBARA WEGMANN