Musik | Flip Grater:Pigalle, Larkin Poe:Kin, Mary Gauthier:Trouble & Love
Folkdays aren’t over … Weibliche Standfestigkeit und Songwriting – Flip Grater, Larkin Poe und Mary Gauthier. Gehört von TINA KAROLINA STAUNER
Bissig und unerschrocken – Flip Grater
Selbst mit lieblicher Stimme kann Flip Grater bissig sein. Bissigkeit und Unerschrockenheit sind die Stärke der Singer-Songwriterin. Sie scheint nichts zu fürchten, und kann dabei Tod und Teufel trotzen.
Ihr Leben ist vermutlich gut, daraus kommt auch die Kraft von lauernden Abgründen, bösen Gefahren und finsteren Gestalten singen zu können. Mit Erotik und Melancholie im meist düsteren Timbre erzählt die Neuseeländerin Geschichten, die in den Pigalle Studios in Frankreich, ihrem derzeitigen Lebensmittelpunkt Paris, aufgenommen wurden. Einfach mit ›Pigalle‹ ist auch dieses vierte Album betitelt. Pigalle, einstige Heimat namhafter Maler und Vergnügungsviertel mit aber auch anspruchsvollen Musikalienhandlungen in der Nähe. Etwas anrüchig kommt Graters Liedgut daher, das aus kantigen, coolen Folk- und Alt-Countrysongs besteht. Sie mag Tom Waits und Nick Cave mögen und darf sich dabei auch an diesen Größen messen, genauso wie an der Authentizität einer Michelle Shocked.
Denn ›Pigalle‹ ist ein souveränes Werk, produziert von dem Gitarristen Maxime Delpierre. Auf ihrem eigenen Label Maiden Records hat Grater begonnen ihre Scheiben herauszubringen, auf dem auch andere Musiker schon veröffentlichen konnten. Nebenbei bemerkt: Die über 30-jährige Flip Grater hat zudem schon Musikkritiken, Reisetagebücher und Kochbücher geschrieben und für Radio und Film gearbeitet. Sie ist eine sichere Autorin. Die Lyrics von ›Pigalle‹ analysieren feinsinnig eigene Lebenserfahrung und Beobachtungen anderer Leute Leben. Eher grobkörnig und mit markanten Momenten arbeitet die mitwirkende Band. Flip Grater spielt selber höchst überzeugend eine bewusst karge Gitarre. Und die stimmig agierende klassische Bandbesetzung ist angereichert mit gekonnten Bläsersätzen.
Mit den Worten »…And I will take a moment to address my weary soul« endet der Song ›My Only Doll‹. Flip Graters Lyrics sind von der härteren Sorte und wollen nicht nur idyllische, sondern auch bittere Wahrheiten herausschälen. Beim Eintauchen in Graters Songwriter-Kosmos braucht man wie die Musikerin selbst etwas Standfestigkeit für ein ziemliches Maß an substanziell Existenzialistischem.
Rockig und etwas zu glatt – Larkin Poe
Rebecca von Larkin Poe informiert zu ihre erste CD ›Kin‹: »Kin is the first Larkin Poe album, where we were able to bring a bit more of our stage show into the studio and capture some grittier, edgier stuff. We can rock-out on guitars…We let our freak flag fly a little higher.« ›Kin‹ ist nur leider etwas zu glatt und einfach rockig geraten.
Nachdem ich die beiden Schwestern Rebecca & Megan Lovell bereits vor einiger Zeit live bei einer recht hübschen, kapriziösen Show mit Höhen und Tiefen beobachtete und mich auch ihre kürzliche Scheibe mit Thom Hell überzeugte, ist ›Kin‹ nun doch nicht ganz so meine Sache. Es wurde zwar professionell produziert, aber eben auch etwas zu rein rocklastig von Chris Seefried in Los Angeles und Damien Lewis in Atlanta.
Über klassische Musik ausgebildet und mit Bluegrass in die Musikszene gekommen waren die Lovells danach überzeugend independent mit ihren live-Projekten und Veröffentlichungen und mit Ihrem ungemeinen Charm mit girlhaftem Alt-Country in Verbindung mit Rock. Mit dem Plattenvertrag nun ist der Larkin Poe-Sound auch mit etwas Enttäuschung verbunden. Sie sagen, dass sie ihre Authentizität wollen, beginnen sie aber gleichzeitig etwas zu verlieren in einem perfekten Rocksound, wie ihn viele bieten. Die Lovells nennen ihre Musik »roots-rock’n’soul«. Doch so beseelt klingen die Songs nicht, sondern einfach nur könnerhaft eingespielt mit Bandergänzung. Sicher beherrscht Megan Lovell ihre lapsteel, doch ihre anfängliche Eigenwilligkeit kommt ihr über Versiertheit auch etwas abhanden. ›Kin‹ ist Rock, wie von diversen anderen Bands auch. Aber immerhin eine kraftvolle Rockscheibe einer von Frauen geprägten Band und zudem mit einer stark gespielten Lap steel guitar.
Selbstbewusst und tiefgründig – Mary Gauthier
Die aus New Orleans stammende Sängerin und Gitarristin Mary Gauthier hat gerade mit ›Trouble & Love‹ ein wunderschönes Album eingespielt. Als Teenager war sie ein selbstzerstörerischer aber lebenshungriger Drop-Out. Und schaffte es dann auch wundersamerweise doch bis zur Restaurantbesitzerin.
Nach dieser Lebensphase wurde sie als Songwriterin bekannt und mit ihrem Liedgut dem Country Noire zugeschrieben. Mit Mitte 30 Jahren hatte Gauthier erst ihren ersten Song geschrieben. Gerade hat Patrick Granado die über 50-jährige als Produzent bei ›Trouble & Love‹ unterstützt.
»For me, love has been a real challenge«, sagt Marry Gauthier. Und auch die Liebe zur Folk- und Countymusik ist bei ihr mit jedem ihrer Songs zu spüren. Sie trägt ihre Lieder mit warmer, selbstbewusst-tiefgründiger Stimme vor und spielt eine souveräne akustische Gitarre. Für ›Trouble & Love‹ hat sie kongeniale Begleitmusiker wie Guthrie Trapp, Viktor Krauss und Lynn Williams um sich geschart und hat wie immer Geschichten verfasst, die ihr wohl eigentlich das Leben geschrieben hat. Dass es andere Werte als oberflächlichen Konsum und Kommerz gibt, will Mary Gauthier wohl gerne erreichen. Und ihr Problembewusstsein spiegelt sich in ihrem bisherigen Werk wider, das nicht nur private, sondern auch gesellschaftliche Aspekte aufgreift.
| TINA KAROLINA STAUNER
Titelangaben
Flip Grater – Pigalle (Make My Day Records)
Larkin Poe – Kin (RH Music)
Mary Gauthier – Trouble & Love (Proper Records)