Sachbuch | Gabriel Zucman: Steueroasen
Hoeneß, JVA Landsberg, ist eine Mücke, vergleicht man ihn mit denjenigen, die real die Beträge verschieben. Gut, eine Mücke sticht, sie überträgt leidige Krankheiten. Aber der grandios inszenierte Bouhaha, der um die Steuer-CDs veranstaltet wurde, hat bei den tatsächlich Vermögenden, wenn überhaupt, ein gelangweiltes Schmunzeln verursacht. Von WOLF SENFF
Das lernen wir aus der Lektüre von ›Steueroasen‹ des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Gabriel Zucman, der an der London School of Economics lehrt und gemeinsam mit Thomas Piketty, Paris, Studien über Kapitalbildung und -vermögen publizierte.
Das Trio Infernale
Die gelangweilte Reaktion der Schönen und Reichen hätte man locker vorhersagen können. Die öffentlichkeitswirksam gehändelten Steuer-CDs erfassen einen Bruchteil des verheimlichten Vermögens. Aber, wir erinnern uns, dekretierten nicht die G20-Nationen im April 2009 in London »das Ende des Bankgeheimnisses«? Ein Schenkelklopfer – die Auslandsvermögen auf Schweizer Banken, so Zucman, seien seitdem um vierzehn Prozent gewachsen, Eindruck hat die Politik bei den Gebietern des Mammons nicht hinterlassen.
Die Schwierigkeiten, so Zucman, liegen wie zuvor darin, die Besitzverhältnisse nachzuweisen, beispielsweise sichern Briefkastenfirmen in Übersee dasselbe Maß an Anonymität wie früher das Nummernkonto, oft seien diese Briefkastenfirmen sogar Gründungen von Banken aus der Schweiz, aus Luxemburg, Zucman spricht von einem »Trio Infernale«.
Nicht ohne Zwang und Kontrolle
Nach seinen, wie er betont, an der unteren Grenze angesetzten Berechnungen lagere in den »Steuerparadiesen« ein Betrag von 5800 Mrd. Euro, davon 4700 Mrd. Euro nicht steuerlich deklariert. Insgesamt seien dadurch pro Jahr 130 Mrd. Euro an Steuern hinterzogen, davon entsprechend für die europäischen Nationen ein Betrag von jährlich 50 Mrd. Euro. Wie auch immer man das verbrämt nennen mag – es handelt sich um Diebstahl: »Die Schweiz, Luxemburg und Singapur bieten Steuerpflichtigen auf Wunsch die Möglichkeit, ihren Wohnsitzstaat zu bestehlen.«
Versuche der EU, dagegen vorzugehen – Europäische Zinssteuerrichtlinie (2005), Informationsaustausch auf Anfrage (2009) – seien folgenlos geblieben, ein effektiver Plan gegen den Steuerbetrug sei ohne Zwang und ohne Kontrolle nicht realisierbar, ein Beispiel für eine unverzüglich wirksame Maßnahme sei etwa das rigide Vorgehen de Gaulles gegen Monaco von 1962 gewesen.
Zucman schlägt genauso unmissverständliche Maßnahmen vor, etwa ein Finanzkataster, das Aktienbesitz registriere, sowie strikte Handelssanktionen gegen unkooperative Nationen. Politiker sollten Gabriel Zucmans Ausführungen sehr aufmerksam studieren.
Titelangaben
Gabriel Zucman, Steueroasen. Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird
(La richesse cachée des nations, 2013)
Deutsch von Ulrike Bischoff
Berlin: Suhrkamp 2014
118 Seiten. 14 Euro