TV | Film: TATORT ›Verfolgt‹, 7. September
Welch dramatische Eröffnung und das mit sparsamen Mitteln: Treibende Musik, Davonlaufen, bissel panisch umsehen nach dem Verfolger. Geht also. Fängt gut an. Und immer sind es die süßesten Hunde, die zu den grässlichen Untaten hinführen, ist das nicht schrecklich. Dann noch einmal Musik, nicht sensationell, aber passend. Von WOLF SENFF

Foto SFR / D.Winkler
Massiv wird Dramatik aufgelegt, schnelle Szenenwechsel, wieder die Musik (Fabian Römer), computergeneriert und ›Kraftwerk‹ moderat nachempfunden, und, wie ärgerlich, man weiß absolut nicht, worum es denn nun geht, niemand wirkt glaubhaft verdächtig.
Sie haben’s vergessen lassen
Der Softwareexperte Thomas Behrens wird zwar beschuldigt, seine Geliebte ermordet zu haben. Er stellt sich der Polizei allerdings nicht als Täter, sondern als verfolgtes Opfer – man trachte ihm nach dem Leben, weil er eine CD mit geheimen Steuerdaten an ein deutsches Finanzamt verkaufen wolle. Steuerflucht? Da war doch was. Ah ja, ›notleidende‹ Banken, ein Thema, das im Mainstream kurz aufflackerte und in aller Eile versenkt wurde, und null wurde geändert, die tonangebenden Herrschaften haben’s vergessen lassen, die Politik war plötzlich stumm wie ein Fisch. Bankenkrise, Bonusbeträge, war da wirklich mal was?
Ach, zurück zum ›TATORT‹, da geht es ans Eingemachte. Dem CEO der Privatbank nimmt man sofort ab, dass er in Sachen Moral eine absolute Null ist, er markiert Volksnähe, er tritt nicht in Nadelstreifen auf: »Sonderer. Ich bin der CEO von diesem Haus, früher hat man noch Bankdirektor dazu gesagt.« Nun denn, die Sprache ändert sich, die Namen bleiben Schall und Rauch – die Machtverhältnisse zeigen sich unverrückbar wie die Schweizer Berggipfel.
›TATORT‹ lernt von Snowden
Und gibt exzellente Szenen. Was guckt die Frau auf den hohen Absätzen nur den Flückinger so narrisch an? Warum verrät uns das niemand? Und was für ein, mit Verlaub, geiles Verhör beim allerersten Auftritt in den Räumlichkeiten der Privatbank! Endlich wissen wir, was ein runder Tisch ist. So schräg!
›Verfolgt‹ hält mal mehr, mal weniger eine dennoch stabile Balance zwischen Paranoia und realer Bedrohung, der Zuschauer fragt irritiert, wo oben ist und wo unten. Ist Thomas Behrens ein Spinner? Ist der Bankdirektor kriminell oder lediglich ›gut vernetzt‹? Oder beides? Polizei wird abgehört? Seit wann? ›TATORT‹ lernt von Edward Snowden.
Hallo, es sind noch Morde aufzuklären!
Bei den Ermittlern ist Liz Ritschard fürs nüchterne Handeln in brenzliger Situation zuständig, Reto Flückinger braust leicht einmal auf und stört die massiven Bequemlichkeiten. Der Film ist dramatisch, und seine Dramatik entsteht nicht dumpf action-orientiert, sondern sie leitet sich überzeugend ab aus der subjektiv empfundenen Not der Figuren, sie ist im Geschehen verankert und wird nicht nach Belieben oberflächlich draufgepappt.
Vom Filmischen her wirkt ›Verfolgt‹ bodenständig, er ist zügig geführt, verbreitet keine Hektik, Verhörszenen sind ineinander verschachtelt und mit Rückblenden versehen; diese solide Machart ist stabile Basis für die sensibel gehandhabte inhaltliche Bandbreite des Films.
Reto Flückinger steigert sich nach und nach in den Fall hinein, wunderschön wie hart an der Grenze er bisweilen agiert, und nach einer erbarmungslosen, ultimativen Verfolgungsjagd stellt der Zuschauer mit dem Blick auf die Uhr erstaunt fest, daß dieser absolut sehenswerte ›Tatort‹ noch eine Viertelstunde weiterläuft, hallo, es sind noch Morde aufzuklären!
Titelangaben
TATORT ›Verfolgt‹ (SRF)
Regie: Tobias Ineichen
Ermittler: Stefan Gubser, Delia Mayer
Sonntag, 7. September, 20:15 Uhr, ARD