Comic | Jan Soeken: Friends
Manchmal ist die Wirklichkeit schlimmer als jede Satire. Manchmal ist eine Satire aber auch viel lustiger als die Wirklichkeit. BORIS KUNZ hat sich bei der Lektüre von ›Friends‹ des deutschen Nachwuchszeichners Jan Soeken köstlich amüsiert. Aber über wen?
In Tarantinos ›Django Unchained‹ fiel eine Szene aus dem Rahmen, weil sie viel lustiger war als der ganze Rest des Films: Da gerät eine Gruppe von Mitgliedern des Ku-Klux-Klan während eines versuchten Lynchmords untereinander in heftigen Streit, wer denn verbockt habe, dass die Augenschlitze der Masken so schlecht sitzen. Je heiliger der Ernst und je martialischer die Symbole, mit denen extremistische Gruppierungen ihren engstirnigen Hass gegen einen anderen Teil der Menschheit vortragen, umso höher ist auch ihre komödiantische Fallhöhe, wenn man diesen Duktus mit der Banalität des Alltags kombiniert, der sich doch jeder Mensch ausgesetzt sieht. (Deswegen ist Hitler eigentlich eine perfekte Clownsfigur, und es ist erstaunlich, dass das neben Charlie Chaplin und Walter Moers nur so wenige wirklich ausgenutzt haben.)
Nun ist vor einiger Zeit in Deutschland ein Skandal publik geworden, bei dem man auch nicht recht weiß, ob man sich vor Entsetzen schütteln soll, oder doch vor Lachen: Zwei Polizeibeamte in Baden-Württemberg waren offenbar eine Zeit lang Mitglieder einer deutschen Sektion des Ku-Klux-Klans, hätten sich nach eigener Aussage aber von dieser Gruppierung wieder distanziert, nachdem ihnen nach und nach klar geworden war, dass es sich dabei um eine offenbar rassistische Vereinigung handelte. Mit diesem Plädoyer für ihre eigene Naivität haben sie es dann geschafft, ihren Job bei der Polizei zu behalten.
Zu gut, um wahr zu sein
Jan Soeken hat sich entschlossen, die Abenteuer der beiden Ku-Klux-Klan-Aspiranten, die er hier Thomas und Hermann nennt, in den fiktiven Kontext einer ausgedachten Handlung zu stellen, anstatt den Fall nach realen Begebenheiten nachzuerzählen – vielleicht um diese Realsatire für sein im Avant-Verlag erschienenes Debutalbum in eine vergnügliche Groteske zu verwandeln, bei der einem nicht noch die Haare zu Berge stehen. Den zugrundeliegenden Gedanken könnte man wohl so zusammenfassen: Wer so blöde ist, dem Ku-Klux-Klan beizutreten, ohne zu kapieren, dass es dort um schlimmsten Rassismus geht, der müsste sich dann doch auch bei der Bewältigung vergleichsweise simpler Aufgaben, wie dem Auffinden eines Treffpunktes im Wald, genauso doof anstellen.
Et voilà! So sieht man Thomas und Hermann auf dem Weg durch das Gehölz, um rechtzeitig zum vereinbarten Kennenlernabend des Klans zu kommen. Leider haben sie sich verlaufen. Und leider schwitzen sie unter ihren hohen Spitzmasken, sodass Thomas sich irgendwann entschließt, die Maske abzusetzen, während Hermann seine das ganze Album über stoisch aufbehält, weil doch in der E-Mail stand, dass man in der Maske kommen soll. Das ist der Anfang eines komischen Dramas über rund 30 Comicseiten, auf denen eine Dummheit die nächste auslöst und die beiden Kapuzenmänner am Ende noch blöder dastehen als schon am Anfang. Ein Wachhund spielt noch mit, aber mehr sollte nicht verraten werden.
Die Seiten sind komplett mit Bleistift gezeichnet und als Faksimile wiedergegeben, sodass man sie unwillkürlich vorsichtig anfasst, als könne man die Zeichnungen mit dem Finger noch verwischen. Der Stil ist auf den ersten Blick genauso naiv wie die Geisteswelt der Protagonisten, was die Absurdität der Situation nur noch unterstreicht: Thomas´ Gesicht ist ein Kreis mit Knopfaugen und einem Schnurrbart, Hermann eigentlich nicht mehr als ein spitz zulaufendes Dreieck mit Stummelfüßchen, fuchtelnden Armen und Sehschlitzen. Für Nahaufnahmen ist das weniger geeignet, weswegen der Zeichner die Figuren die meiste Zeit aus der Distanz beobachtet, wie sie da durch den Laubwald stiefeln. Soeken weiß aber genau, wie man Bildaufbau und Perspektiven für den komischen Effekt einsetzt, und wenn es sein muss, dann gibt es auch ein paar beeindruckende Blicke aus der Vogelperspektive, die ahnen lassen, wie sorgfältig das kurze Drama komponiert ist.
»Ich hoffe, dass das jetzt nicht blöd ist für unsere Freundschaft.« (Hermann)
Die Dialoge sind wiederum herrlich naturalistisch, die Sprechweise der Figuren lässt Thomas und Hermann allerdings nicht wie Schwaben anmuten. Stattdessen verortet er sie weit nördlicher als Baden-Württemberg (»Ne, nä?«). Ohnehin wird bis auf eine kurze Erwähnung des Bundeslandes und auf eine weitere minimale Anspielung auf ihre Polizeimarken kein direkter Bezug mehr zu dem Fall genommen, der ursprünglich die Inspirationsquelle war. Auch wenn die geschilderten Torheiten der beiden so menschlich sind, dass sie sich durchaus so zugetragen haben könnten: Dass Thomas und Hermann Polizisten sein sollen, mag man hier noch viel weniger glauben. Die beiden Figuren sind auf eine sehr einfache und deutliche Rollenzeichnung reduziert: Thomas, der ständige Nörgler, dem alles immer zu anstrengend, zu heiß oder zu doof ist, und der die ganze Zeit aussteigen will, und Hermann, der stur seinen Stiefel durchzieht, seinen Kumpel beständig schulmeistert, letztendlich aber natürlich der unselbstständigere von beiden ist.
Somit hat sich Jan Soeken vom realen Vorbild fast komplett freigespielt, wodurch seine Geschichte auch jenseits aller aktuellen Bezüge bestehen kann. Auf der einen Seite ist das ein Bisschen schade, weil der Comic eigentlich nichts mehr über Polizisten beim Ku-Klux-Klan erzählt, sondern über zwei sehr menschliche Deppen, die sich im Wald verlaufen haben. Das wiederum tut er so unterhaltsam, dass man eigentlich nur über eine Sache wirklich betrübt sein kann: Der Comic ist viel zu schnell zu Ende.
Titelangaben
Jan Soeken: Friends
Berlin: Avant Verlag 2014
40 Seiten, 10 Euro
Reinschauen
| Leseprobe
| Internetpräsenz von Jan Soeken
| Über den echten Fall (1)
| Über den echten Fall (2)