Michael Schulte- Markwort: Burnout-Kids. Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert
Michael Schulte-Markwort entwirft mit ›Burnout-Kids. Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert‹ ein düsteres Szenario. Kinder und Jugendliche, die Leistungsträger der künftigen Gesellschaft, sind ausgebrannt und lebensuntüchtig. Überforderung, Leistungsdruck und Zukunftsängste quälen Teenager. Sturm und Drang mutiert zu Überanpassung. Doch VIOLA STOCKER findet, dass die Eltern hilflos zurückgelassen werden. Was tun?
Es ist wohl eine Diagnose, die kein Elternteil gern hören möchte: Burnout beim eigenen Kind. Gerade in gutbürgerlichen Kreisen arbeiten Väter und Mütter bis zur Selbstaufopferung, um Statusdenken, Nachwuchsförderung und Selbstverwirklichung gerecht zu werden. Wenn dann ausgerechnet das eigene Kind dieses System nicht mehr mitträgt, gerät Betriebsamkeit schnell zur Ratlosigkeit. Wo lag die Grenze?
Fallbeispiele aus der Zielgruppe
Schulte-Markworts Analyse ist deshalb so bedrohlich, weil der Psychiater sich auf Fallbeispiele stützt, die der Zielgruppe des Buches entstammen: der Mittelschicht. Kinder und Jugendliche aus gut situierten Familien, in denen Mütter Taxi, Nachhilfelehrerin und Psychologin in einem sind und den Kindern den Burnout durch die Doppelbelastung von Beruf und Familie quasi vorleben, verinnerlichen das Lebensmodell der Eltern ungefragt und scheitern schon in der Schule daran.
Burnout ist eine Krankheit, die meist medikamentös behandelt werden muss. Schulte-Markwort ist es wichtig, dem Publikum klar zu machen, dass eine Erschöpfungsdepression, wie Burnout korrekt heißt, nichts ist, was mit einem abschätzigen Schulterzucken abgefertigt werden könnte. Wenn Kinder nicht mehr schlafen können, sich in einem Hamsterrad befinden, nichts als Traurigkeit und Müdigkeit fühlen, sind oft radikale Einschnitte notwendig. Medikamententherapie und psychotherapeutische Begleitung bilden den Ausweg.
Burnout durch Überanpassung
Die Burnout-Kids sind meist Kinder, die es ihren Eltern besonders recht machen wollen. Auch unausgesprochen vermittelt sich Druck, schon in der Grundschule wird klar, wie wichtig der Übertritt aufs Gymnasium ist, am Gymnasium zählt nur der richtige Schnitt im Abitur. Sport und musikalische Förderung zehren an den Kräften der Kinder. Dies alles ist das Erbe einer leistungsorientierten Elterngeneration, die seit den 80ern erfahren hat, wie wichtig Sport und Musik für die kindliche Entwicklung sind und wie schwer es ist, später einen gutbezahlten Beruf zu bekommen. Die Sorgen der Eltern machen letzten Endes diese Kinder krank.
Schulte-Markwort verwendet viel Zeit und Detailverliebtheit auf die Darstellung der einzelnen Fälle, die Diagnose und den Therapieverlauf. Er analysiert auch unsere derzeitige Gesellschaftssituation mit dem Fokus auf wirtschaftlichen Wohlstand und Leistung. Was trotzdem fehlt, ist neben den vielen Warnrufen ein Alternativprogramm. Sollten Eltern die Kinder weniger fördern? Beinhaltet eine verlangsamte Biografie von vorneherein berufliches Scheitern? Die Burnout-Kids sind die Nachkommen einer besonders bemühten Elterngeneration. Gerade dieses Bemühen ist die Zielscheibe der Kritik Schulte-Markworts und lässt doch Eltern ratlos zurück. Während anderswo die Presse von vernachlässigten Kindern schreibt, werden hier die Helikoptereltern mit leistungsorientierten Kindern angegriffen. Was fehlt, ist ein gesunder Mittelweg. Hoffentlich ist er dieser Welt nicht abhandengekommen.
Titelangaben
Michael Schulte- Markwort: Burnout-Kids. Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert
München: Pattloch-Verlag, 2015
272 Seiten. 19,99 Euro
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