Kulturbuch | Jing Liu: Chinas Geschichte im Comic
Die internationalen Beziehungen verändern sich rasant. Was gestern noch unverrückbar erschien, bricht heute zusammen, das betrifft vor allem die globalen Machtzentren: eine zerstrittene EU, eine sich zerlegende USA, ein bedrängtes Rußland und ein noch immer eher rätselhaftes, aber kontinuierlich aufstrebendes China. Von WOLF SENFF
Dabei werden wir mit Information geradezu zugemüllt, per Internet sind wir nicht mehr nur am Ball, sondern mittendrin im Geschehen, und trotzdem – was wissen wir schon? Täglich eine neue Sau durchs Dorf, und morgen ist alles vergessen.
»America first«
Und merkwürdigerweise existieren mitten in diesem Durcheinander dennoch stabile Tendenzen; eine davon ist das Misstrauen gegen China, das planmäßig und beharrlich gepflegt wird. Wenn China in deutsche Unternehmen investiert, lesen wir argwöhnische Kommentare, von Ausverkauf ist die Rede, und vor einigen Wochen schritt die Bundesregierung ein und untersagte eine Investition in die deutsche Stromversorgung.
Da wird viel heiße Luft erzeugt, viel Hype, die nüchternen Fakten erzählen es anders. China tätigte Auslandsinvestitionen in Höhe von 183 Mrd. $, die USA 299 Mrd. $; in Europa leitete China 296 Investitionsprojekte ein, die USA 1310 (alles in 2016). Die Aktivitäten der USA, »America first«, finden in der hiesigen Presse in der Regel keine Erwähnung.
Imperiale Herrschaftsinteressen
Rätselhaftes China? Der Blick auf die Geschichte zeigt uns Jahrhunderte der Ausbeutung und Unterdrückung des Landes durch die expandierenden Industrienationen, die sich ihre Handelsvorteile sicherten. China war ein wichtiges Ziel imperialer Herrschaftsinteressen, vorbereitet durch die Politik der britischen und niederländischen Ostindien-Kompagnien und kaltblütig etabliert mit den Opiumkriegen 1839-42 und 1846-60 sowie dem sogenannten Boxeraufstand 1899-1901.
Eigentlich ungebrochen in diese Tradition sortiert sich dieser Tage jener kalkulierte Handelskrieg, den der US-amerikanische Präsident, »America first«, gegen China führt, Geschichte kann lehrreich sein. Gehen Sie zurück auf Los.
Heimische Strategen
China kennt auch eine eigene nationale Tradition als ein friedliebendes Reich der Mitte, und auch hier ist geboten, dass wir uns nicht von einem Hype und Aufgeregtheit blenden lassen, sondern auf Fakten vertrauen. Zustimmung und Zufriedenheit mit der Regierung äußern heute siebzig bis achtzig Prozent der Bevölkerung. Frauen gehen mit fünfzig, Männer mit sechzig Jahren in den Ruhestand. Ein kommunistischer Unrechtsstaat? Ein geknechtetes Volk?
Wer sich die Mentalität Chinas erschließen will, ist zwangsläufig auf die Geschichte des Landes angewiesen, auf jene Persönlichkeiten – wir finden sie selbstverständlich in Jing Lius Darstellung –, die die chinesische Kultur geprägt haben und prägen: Konfuzius, Laozi, Zhuangzi sowie den in westlichen Managementkreisen außerordentlich geschätzten militärischen Strategen Sun Tzu.
Erfreuliche Leichtigkeit
Buddhismus, Daoismus, Zen-Buddhismus, Konfuzianismus haben eine lange, oft kontroverse Tradition in China, teils waren sie Staatsreligion, teils wieder nicht, der Konfuzianismus genießt in der Gegenwart hohe Anerkennung, in westlichen Ländern werden kulturelle Institute im Namen des Konfuzius gegründet.
Die vier Bände liefern einen fundierten Überblick, einen soliden Einstieg in die mehrere Jahrtausende umfassende Geschichte Chinas, und auch wenn sie aus verschiedenen Gründen das Geschehen nach dem Ende des Kaiserreichs aussparen, bleiben sie eine bereichernde und unterhaltsame Lektüre.
Dass sie als Comic vorgelegt werden, mag zunächst überraschen, ist aber letztlich eine überzeugende und angenehme Methode, ein schwerwiegendes Thema in Buchform darzustellen, und regt an, sich weiterführend schlau zu machen. Die Zweisprachigkeit dürfte besonders für Leser motivierend sein, die sich ernsthaft mit Sinologie beschäftigen wollen.
Titelangaben
Liu Jing: Die Fundamente der chinesischen Zivilisation – Vom gelben Kaiser bis zur Han-Dynastie (circa 2697 v. Chr. – 220 n. Chr.), 16,92 Euro
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Liu Jing: Von der Epoche der langen Spaltung bis ins goldene Zeitalter – Von den Drei Reichen bis zur Tang-Dynastie (220 – 907), 16,92 Euro
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Liu Jing: Eindringende Barbaren und die Geburtsstunde der chinesischen Identität – Von den fünf Dynastien und zehn Königreichen bis zur Yuan-Dynastie, 18,46 Euro
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Liu Jing: Der Weg in die Moderne – Von der Ming-Dynastie bis zur Qing-Dynastie (1368 – 1912), 20 Euro
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