Comic | Martin Frei (Text und Zeichnungen): Lanternjack.
Zu den Arbeiten des deutschen Comic-Zeichners Martin Frei gehören so unterschiedlich niveauvolle Werke wie die kafkaeske Science-Fiction Story Gregor K im 21. Jahrhundert oder die hauptsächlich von Oberweiten handelnde Superheldenparodie Superbabe. In Lantern Jack hat er die irische Sage von Jack O`Lantern, auf den die Halloween-Kürbisköpfe zurückgehen, ein wenig aufgejazzt. Wohin er damit wollte, ist BORIS KUNZ allerdings nicht ganz klar geworden.
Von allen Jahreszeitenfesten scheint Halloween noch immer das zu sein, das hierzulande mehr in Comics als in der Wirklichkeit stattfindet. Zu Halloween rechnet man bestenfalls mit einer Spezialfolge der Simpsons, kaum aber damit, dass verkleidete Nachbarskinder Süßigkeiten verlangen oder gar, dass man es in dieser Nacht mit echten Spukgestalten zu tun bekommen könnte.
Dementsprechend eigenartig kommt es einem vor, dass ausgerechnet ein deutscher Zeichner sich einer Sagenadaption angenommen hat, die von Gestalten der irischen Folklore bevölkert ist und die Entstehungsgeschichte des Posterboys des amerikanischen Halloweenfestes neu erzählt. Die Rede ist von Jack O´Lantern, der Spukgestalt mit dem höllischen Grablicht im ausgehöhlten Kürbis, bei der ein deutscher Comic-Freak eher an einen Gegner von Spider Man denken muss als an einen irischen Hufschmied, dem es zwei Mal in seinem Leben gelungen ist, den Teufel hereinzulegen und der dafür am Ende einen höllischen Preis bezahlten muss.
Von einem, der auszog, sein Geld zu einzutreiben
Jack beginnt als rechtschaffener und einigermaßen gutherziger Hufschmied, der es nicht über sich bringt, bei der hübschen Witwe Kilpatrick endlich einmal mit der gebotenen Schärfe nach dem Geld zu verlangen, das sie ihm schon seit längerer Zeit für das Beschlagen ihrer Mähre schuldet. Von seiner eigenen Sanftmütigkeit genervt, klaut Jack ihr zwar hin und wieder ein paar Rüben vom Acker, ist aber ansonsten weit von einem Ebenezer Scrooge entfernt, auch wenn die Geschichte ihm nachher ein langes Sündenregister unterstellt. Schließlich bekommt er von der Witwe ein Kruzifix mit magischen Fähigkeiten zum Pfand und damit gelingt es ihm tatsächlich, dem Teufel ein Schnippchen zu schlagen, als dieser ihn holen kommt. Dass er sich damit am Ende selbst ein Bein gestellt hat, erfährt er erst, als er nach einem langen Leben in den Himmel kommt und an der Himmelspforte keinen Einlass findet…
Man hat es hier also eher mit einer Schelmengeschichte als mit Horror oder Grusel zu tun. Der Comic erinnert an eine Adaption eines weniger bekannten Märchens aus der Sammlung der Brüder Grimm, in denen ja auch öfter mal welche meinen, schlauer als der Teufel zu sein. Auch wenn der Stoff nicht komplett augenzwinkernd angegangen wird, merkt man doch, dass sich Martin Frei eher für die humoristische Seite der Story interessiert. Er unternimmt nicht einmal den Versuch, ernsthaft gruselig zu sein. Er schwankt ein wenig unentschlossen zwischen einer Nacherzählung, bei der man etwas über irische Mythologie lernen soll, und einer Modernisierung, in die er noch ein paar Sagenfiguren wie den Leprechaun und die Banshee einbaut, ohne dass dies der Story einen nennenswerten dramaturgischen Mehrwert geben würde. Es geht, wie hierzulande bei Halloween üblich, um ein bisschen Style und ein bisschen Spaß.
Spuk Geschichten trifft Lustiges Taschenbuch
Als ernsthafte Gruselgeschichte kann Lantern Jack schon darum nicht gemeint sein, weil dem Freis klarer, kantiger Zeichenstil entgegensteht, der sich eher am typisch deutschen Funny orientiert und manchmal sogar an Cartoons von Ralph Ruthe erinnert. Und beim Auftritt des Höllenbürokraten Beelzebub drängen sich sogar Vergleiche zu den Touché-Strips von ©Tom auf, in denen man ein ganz ähnliches höllisches Empfangskomitee mit Amtsschimmel bei der Arbeit beobachten kann. Auch wenn die ganze Zeit eine kecke, nackte Elfe durch das Album huscht, wirkt der ganze Comic recht jugendfrei, auf ein Publikum zugeschnitten, das sich beim Thema Halloween eher amüsieren als sich wirklich gruseln will. Zur richtigen, schwarzhumorigen Komödie fehlt dann aber auch der Wille.
Mit Anspielungen auf aktuelle Themen hält sich Frei glücklicherweise weitgehend zurück. Momente wie der, in denen während der Darbietung eines Kunststückchens auf den Tisch geworfene Münzen den Sound »Pay-pr-vu« machen, sind vereinzelte Ausreißer eines Autoren, der halt auch für die deutsche Ausgabe von MAD arbeitet. Ansonsten bleibt die Geschichte immerhin zeitlos, allerdings auch nicht besonders stark im Gedächtnis.
Alles in allem ist Lantern Jack eine nette, kurzweilige, aber keine großartige Lektüre. So bleibt am Ende vor allem die Frage, warum Panini dieses Album ausgerechnet im April auf den Markt bringt, anstatt wenigstens auf Halloween zu warten, um sich dem allgemeinen Scherzartikelhype anschließen zu können. Mit dem Anspruch, dass wir hier in Deutschland von einem Landsmann einmal erklärt bekommen, warum wir Ende Oktober ständig mit dem Bild ausgehöhlter Kürbisköpfe traktiert werden, hätte der Comic in dieser Jahreszeit nämlich durchaus seine Existenzberechtigung.
| BORIS KUNZ
Titelangaben
Martin Frei (Text und Zeichnungen): Lanternjack
Stuttgart: Panini Verlag 2013.
60 Seiten, 12,95 Euro.
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