Knüppel auf Kopf!

Digitales | Games: Far Cry Primal

›Far Cry Primal‹ wirft den Spieler mitten in die Steinzeit. Am Wendepunkt des Jäger- und Sammler-Daseins zur Sesshaftigkeit kannte die politische Kultur viele Werkzeuge der Konfliktlösung. Egal ob Pfeile, Speere, Keulen oder Faustkeile, FLORIAN RUSTEBERG hat sie alle ausprobiert.

Cover1Pech für »Takkar«! Zwar gelingt es seiner Gruppe hungriger Jäger vom Stamm der Wenja ein junges Mammut von der Herde zu trennen und zu erlegen, doch dann beansprucht ein furchterregender Säbelzahntiger die Beute und das Leben von »Takkars« Gefährten. Der Bestie entkommen, geht es nun vorrangig darum, Nahrung und einen Lagerplatz zu finden. Die perfekte Gelegenheit, um die Grundmechaniken der Rohstoffbeschaffung und Waffenherstellung zu erlernen, die einen das restliche Spiel stets beschäftigen werden!

Ursprünglich war seine Gruppe ausgezogen, den Teil ihres Stammes zu suchen, der in das Land Oros gewandert ist. Auf sich alleine gestellt findet »Takkar«, nach einer kleinen Höhlenexkursion, was er sucht – zumindest teilweise. Er trifft eine einsame Sammlerin, die ihm vom Schicksal der Wenja berichtet: Der Stamm ist über das ganze Land zerstreut und wird von den grausamen Udam gejagt, die sich nach einer entbehrungsreichen Kältezeit zu sehr an den Kannibalismus gewöhnt haben. Von der Höhle der Sammlerin ausgehend ist es nun die Aufgabe, ein Dorf für den Stamm aufzubauen und die feindliche Bedrohung auszuschalten. Sippenmitglieder, die aus misslichen Situationen befreit werden, vergrößern die Bevölkerung.

Der Bestienflüsterer

Es gibt auch einige besondere Einwohner, die es zu gewinnen gilt. Diese Spezialisten schalten neue Fähigkeiten frei und haben ihre eigenen Hütten, die ausgebaut werden können. So ist es beispielsweise erst möglich, einen Langbogen zu bauen, wenn die Jägerin dem Dorf beigetreten ist und ihre Hütte Stufe 1 erreicht. Die wohl bemerkenswerteste Fähigkeit vermittelt der Schamane. Mit der spirituellen Macht des Bestienmeisters kann »Takkar« wilde Tiere zähmen und zu seinem Begleiter machen. Die Bestie hilft tatkräftig beim Kampf und besitzt, je nach Rasse, verschiedenen Fähigkeiten: samtpfotige Raubkatzen agieren heimlich, aber tödlich, Rothunde apportieren Rohstoffe. Und was macht ein Bär? Der zerstört alles, was sich ihm in den Weg stellen will. Nimmt das Tier Schaden, lässt es sich mit einer Portion Fleisch aufpäppeln, genau wie die Hauptfigur, die durch einen großen Bissen Fleisch Gesundheit wiedererlangt.

Die Folge davon ist aber, dass ›Far Cry Primal‹ deutlich einfacher wird, wenn erst mal ein starkes Tier gefunden ist und Fleisch den Beutel füllt. Dabei war es anfangs sehr charmant, dass der Spieler sich auf den unteren Sprossen der Nahrungsleiter befindet und stets auf der Hut sein musste.

FCP_02_Gatherer_Screenshots_PREVIEW_PR_160126_6pm_CET_1453716678Authentisch ist die gesamte Atmosphäre in Oros, dessen Gebiet ein komprimiertes Mitteleuropa vor gut 12.000 Jahren darstellt. Den Großteil machen Wald, Wiesen und Hügel aus, im Norden findet man frostige Schneelandschaften mit Gletscheraussicht und später noch eher trostlose Umgebungen. An der optischen Präsentation und der Grafikqualität gibt es dabei nichts auszusetzen. Die Fauna ist mehr ein Best of der steinzeitlichen Tierwelt als ein wissenschaftlich korrekter Bestand. So existieren Jaguar, Leopard, Säbelzahntiger und Löwe parallel zu Mammut und Wollnashorn. Für die Sprache wurden allerdings tatsächlich Wissenschaftler engagiert, die eine proto-indoeuropäische Sprache konstruiert haben, die für das Publikum untertitelt wird. Ein toller Beitrag für die richtige Stimmung!

Steinaltes Konzept

FarCryPrimal_Screenshots_Izila_PR_151006_6PM_CET_1444654159Trotz einiger neuer Ideen liegt aber eindeutig ein Ableger der ›Far Cry‹-Serie vor – im Positiven wie im Negativen. Aus technischer Sicht erhält der Kunde das 2014er ›Far Cry 4‹ im neuen Gewand. Elemente wie Kletterharken und das Reiten auf Elefanten (neu: Mammuts) wurden 1:1 übernommen. Dafür wird auf das riesige Waffenarsenal verzichtet und alle Variationen von Keulen & Co lassen sich direkt am Mann tragen. Typisch sind für die Serie zudem die vielen repetitiven Mini-Missionen aus der Retorte, deren scheinbare Aufgabe es ist, die Karte mit Inhalt zu füllen. Die Ersparnisse der Produktion – ›Far Cry Primal‹ spielt sich etwas kürzer als die Vorgänger und verzichtet auf die Mehrspielermodi der Vorgänger – gibt Ubisoft nicht an den Verbraucher weiter und verkauft zum Vollpreis. Für diesen hätte man vom Dorfaufbau mehr als simples Rohstoffsammeln und das Aufrüsten weniger Hütten ohne Wahlmöglichkeit erwarten dürfen. Wer so was sucht, ist mit ›ARK: Survival Evolved‹, das aktuell nur als Vorab-Version erhältlich ist, besser bedient.

›Far Cry Primal‹ betritt ein interessantes, neues Szenario und macht Vieles gut. Für Fans der Serie dürfte das ausreichen. Wer allerdings vorher schon keinen Spaß an der großen, aber spielerisch monotonen Welt von ›Far Cry‹ hatte, wird mit ›Primal‹ nicht richtig glücklich werden. Unbefangenen Spielern ist der Trip in die Vergangenheit trotzdem zu empfehlen.

| FLORIAN RUSTEBERG

Titelangaben
Far Cry Primal
Ubisoft Montreal
ab dem 23. Februar erhältlich für Playstation 4 und XboxOne (69,95€ UVP),
ab dem 01. März erhältlich für PC (59,95€ UVP).

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