TITEL-Textfeld | Slata Kozakova: Spaghetti
Wir sitzen am gedeckten Tisch, Mutter stellt die Teller mit Spaghetti hin, darüber geriebener Parmesan, Tomatenpasta und Oliven. Die Pasta ist selbst gemacht und schmeckt, anders als die in Dosen, nach Zuhause. Ich ignoriere das Gebet, und wir beginnen zu essen. Ich schiebe die Oliven vorsichtig an den Tellerrand, ich hasste schon immer Oliven, egal ob schwarze oder grüne, aber immer liegen welche im Teller, weil das so sein muss, Spaghetti mit Oliven, heißt es doch. Verstohlen gucke ich: Sie essen langsam und kauen umständlich mit ernsten Gesichtern, wie bei der Erfüllung einer wichtigen Aufgabe, früher aßen sie anders.
Ungewöhnlich, sich so viel Zeit fürs Essen zu nehmen. Ich esse meistens im Laufen oder vor dem Computer. Vater nimmt sich eine zweite Portion und schüttet Käse darüber. Er hat ein Hemd an, früher ging er zu Hause in seinem ewigen Jogginganzug herum, er zog sich nur um, wenn Gäste kamen. Meine Gabel ist die alte wie vor drei Jahren, meine Gabel, mit einem gelben Plastikstreifen in der Mitte, etwas zerkratzt – als Kind bohrte ich damit Löcher in die Wachsdecke, wenn keiner zusah. Im Bad liegt immer noch mein Badetuch bereit, der Legende nach war es immer meins, es ist hart und dünn, die rosa Farbe ist ausgeblichen und ich bedaure es, kein Badetuch mitgenommen zu haben.
Eine Spaghetti fällt auf einmal auf die neue weiße Tischdecke und hinterlässt einen tödlich roten Fleck. Ich schiebe den Teller reflexartig auf den Fleck, lache darüber und sage, ich habe gekleckert, tut mir leid. Beide heben erstaunt ihre Köpfe, Mutter versteht nicht gleich und antwortet dann erschrocken, Ist doch nicht schlimm, lass mal. Wir bereuen dann die unnötigen, unnatürlichen Worte, der gleichmäßige Rhythmus des Kauens und Schluckens wird wiederhergestellt.
Draußen wird es dunkel. Vater trinkt seinen starken Kaffee, Mutter räumt vom Tisch. Er trinkt so genüsslich, dass ich ihn frage, ob ich auch probieren darf. Er schaut erschrocken auf, und dann sehe ich, wie er sich daran erinnert, dass ich groß geworden bin und diese Zeit, ja, sie rennt gruselig schnell, gestern war er jung, heute trinkt seine Tochter alles Mögliche und man kann die Zeit nicht anhalten. Dann trinken wir Tee, sie fragen, ich antworte, sie fragen gemeine Sachen, wozu das alles gut ist, was ich mache, was ich denn von mir denke, wieso ich nicht das mache, was der und der macht, die sind ja nicht dümmer als ich, die der und der, warum sollte ich besser sein, und ich frage sie nichts, weil es da nichts zu fragen gibt.
| SLATA KOZAKOVA