Love story

Jugendbuch | Anne Freytag: Mein bester letzter Sommer

Sich zu verlieben gehört zu den ganz wichtigen Dingen im Leben eines jungen Menschen. Tessa hatte sich das auch gewünscht und sehr wählerisch auf den Richtigen gewartet. Jetzt scheint es zu spät. Von ANDREA WANNER

Freytag Mein bester letzter Sommer17 Jahre alt, hübsch, klug – und todkrank. Tessa hat einen Herzfehler und weiß, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat. Wie geht man mit diesem Wissen um? Tessa hadert. Mit dem Schicksal, mehr aber noch mit ihren Eltern, die ihr nicht die Wahrheit gesagt haben. Wie anders hätte sie ihr Leben gelebt, wenn sie gewusst hätte, dass es nur so kurz sein wird. Statt der braven Überfliegertochter wäre sie auf Abenteuer aus gewesen, hätte alles probiert und getan, was zum Leben gehört.

Und genau in dieser tristen Situation, die Tessas letzte Monate zu einem Warten auf den Tod lassen werden, geschieht das Unglaubliche. Oskar taucht auf. Der Junge, den sie genau einmal in der Münchner U-Bahn gesehen hatte. Und Oskar reagiert auf Tessas Geständnis ganz anders als befürchtet: Er will die letzten Monate zu den schönsten ihres Lebens machen und ihr einen Wunsch erfüllen. Gemeinsam machen sie sich auf eine Reise nach Italien, eine Reise ins Leben und zu der Liebe.

Anne Freytag, Jahrgang 1982, versucht dem nachzuspüren, was ein Mensch fühlt, dessen Tage gezählt sind. Das ist eine echte Herausforderung, die an manchen Stellen des Jugendromans durchaus gelingt. An anderen eher weniger. Und an wieder anderen gar nicht. Eigentlich ist es weniger Tessa und ihr Verhalten, das unglaubwürdig erscheint. Vielmehr ist Oskar die merkwürdige Figur in dieser Geschichte, die wenig durchschaubar und plausibel erscheint. Er engagiert sich, ist mitfühlend und liebevoll: klar, er hat sich in Tessa verliebt. Alles andere scheint er auszublenden.

Und dann hat er plötzlich eine eigene Geschichte, ein eigenes Geheimnis, ein eigenes Trauma. Das kann nicht funktionieren. Ebenso ist eine Reise im Endstadium einer tödlichen Krankheit ohne ärztliche Betreuung und unregelmäßiger Einnahme von Medikamenten eher merkwürdig. Das Verhältnis zu den Eltern und der jüngeren Schwester, der abgebrochene Kontakt zur ehemals besten Freundin: Dramatische Elemente enthält die Geschichte genug, sie werden teilweise zu oberflächlich abgehandelt.

Gut, wenn man das alles ausblendet, kann man mit Tessa und Oskar ins Auto steigen und losfahren. Florenz, Rom, Neapel, Pompeji stehen auf der Liste. Und wenn man alle kritische Nörgelei beiseitelässt, erwartet einen eine zarte Liebesgeschichte unter südlicher Sonne, von der man eben von Beginn an weiß, dass sie tragisch enden wird. Die Taschentücher neben der Lektüre haben bereits andere Rezensenten empfohlen, gelacht werden darf auch und es gibt zauberhafte Momente, die Anne Freytag schön beobachtet und exakt beschrieben hat.

Und natürlich, zum Mit- und Nachhören ›Teskars Playlist‹ im Anhang, einer Liste also, zu der beide ihre Lieblingslieder beigesteuert haben, die sie unterwegs hören, mit 25 Songs von ›Simple as This‹ von Jake Bugg bis zur Band of Horses, ›The Funeral‹.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Anne Freytag: Mein bester letzter Sommer
München: Heyne fliegt 2016
368 Seiten, 14,99 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

We need to talk about Fight Club

Nächster Artikel

Immer einfacher, immer schneller

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Wie ein Fisch auf dem Trockenen

Jugendbuch | Nat Luurtsema: Lou und ihr Männerballett Wasser ist das Element von Lou und ihr Traum seit langer Zeit der gleiche: sie will schwimmen und es gemeinsam mit ihrer besten Freundin Hannah in das Hochleistungstrainingslager schaffen und von dort in die Nationalmannschaft. Aber wie das eben so mit Träumen ist: sie können platzen. Von ANDREA WANNER

Eine Schlange mit bloßen Händen fangen

Jugendbuch | Kiera Stewart: Dumme Ideen für einen guten Sommer Wie übersteht man einen Sommer mit seiner durchgeknallten Familie? Edie graust es jedenfalls davor. Und dann kommt alles ganz anders als gedacht. Von ANDREA WANNER

Kein Plan, nirgends

Jugendbuch | Badey/Kühn: Strom auf der Tapete Manchmal will man sich einfach nicht mehr damit abfinden, dass wichtige Fragen nicht beantwortet werden. Losziehen und die Antwort selbst finden, ist das Nächstliegende. Wenn aber kein Plan für die Suche vorliegt, sind die Folgen unabsehbar. Ron Robert hat’s erlebt. Von MAGALI HEISSLER

Unausgesprochenes

Jugendbuch | Joyce Carol Oates: Zwei oder drei Dinge, die ich dir nicht erzählt habe Die Quaker Heights Day School ist eine angesehene Privatschule in der Nähe von New York. Merissa und Nadja verbringen dort ihr letztes Schuljahr, Tink ist nicht mehr dabei. Drei ganz unterschiedliche Mädchen, drei Schicksale. Joyce Carol Oates zeichnet ein düsteres Bild vom Erwachsenwerden. Von ANDREA WANNER