Zwei rechts, zwei links…

Jugendbuch | T.S. Easton: Ben Fletchers total geniale Maschen

Handarbeiten sind wieder in, strickende Jungs dagegen – obwohl »male knitting« durchaus ein Trend ist, dann doch eher die Ausnahme. Und wenn das Stricken dann in einem durch und durch machohaften Umfeld stattfindet, kann es ganz schön schwierig werden. ANDREA WANNER begleitet Ben Fletcher bei seinen ersten Maschen.

Stricken350Der englische Titel ist sehr viel direkter: ›Boys Don’t Knit‹ erklärt er kategorisch. Und klar, wer sich anders verhält, hat ein Problem. Das Problem hat Ben sowieso. Es liegt in seiner Familie und bei seinen Freunden und es ist in beiden Fällen ganz ähnlich gelagert: »Ich bin derjenige, der sie darauf hinweist, wie verrückt/gefährlich/illegal ihre Ideen sind.« Damit hat Ben eine Menge Stress, denn weder seine Familie noch seine Freunde sind in dieser Hinsicht besonders pflegeleicht. Die Ironie des Schicksals will es, dass aus dem Alkoholklauen im Supermarkt (Ben war strikt dagegen) ein Unfall resultiert und er dafür gradestehen muss: Tagebuchschreiben, Sozialstunden beim Unfallopfer und der Besuch eines Kurses nach Wahl in seiner Freizeit.

Auch diese Auflagen sind für den Teenager eher ein Witz. Tagebuch schreibt Ben seit Jahren. So kann er auch die vorgedruckte Frage »Warum hast du dich entschieden, ein Tagebuch zu schreiben?« nur seufzend beantworten: »Noch einmal und ohne darauf rumreiten zu wollen, ich führe seit JAHREN ein Tagebuch.« Jetzt muss er es und in einem quasi halböffentlichen Aufschrieb, der der Bewährungshilfe vorgelegt werden muss, hält er die Ereignisse vom 1. Juli bis zum 1. März des Folgejahres fest – genau das also, was die Leser in Händen halten.

Das Unfallopfer, Mrs Frensham, die den Verkehr regelt und wegen ihres großen Schildes in der Hand, mit dem sie wild gestikulierend Fußgänger, Radfahrer und Autos zur Ordnung mahnt, von allen nur »die verrückte Lollipop-Frau« genannt wird, reagiert auf Bens Versuch, bei ihr Sozialstunden zu leisten, zunächst damit, dass sie ihn mit allen möglichen Gegenständen vom Wecker über eine Bürste bis zu einer Tube Hämorrhoidensalbe bewirft. Ein vielversprechender Anfang.

Bleibt der Kurs. Den Grund für diesen »Vorschlag« liefert die Bewährungshilfe: »Studien zufolge stellen junge Männer, die nach der Schule einer Beschäftigung nachgehen, seltener eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.« Ben kann wählen: Autoreparatur, Stricken, Töpfern oder Microsoft Office (Einsteiger) am Hampton Community College, einer Art Volkshochschule. Der Kursleitende für die Autoreparatur ist sein eigener Vater und darauf hat Ben wenig Lust. Sein Kommentar zu dem EDV-Kurs lautet schlicht »Jeder weiß, wie man Microsoft Office bedient. Sogar Wayne Rooney kann Microsoft Office bedienen. Der Kurs ist für Omis und für Leute, die von Wölfen in den Appalachen aufgezogen wurden und gerade erst in der Zivilisation angekommen sind.« Ben tendiert zum Töpfern, aber was den Ausschlag gibt: Den Strickkurs leitet ausgerechnet Jessica Swallow, die Lehrerin, in die er verliebt ist. Dass dann der Brief ausgerechnet in diesem Fall falsch war und Jessica das Töpfern leitet, ist Pech. Ben stellt sich dennoch der Herausforderung, Stricken zu lernen. Auch wenn er das Projekt streng geheim hält.

Und dann stellt sich zur Überraschung heraus, dass Ben ein echtes Naturtalent ist, dem es leicht fällt, mit Stricknadeln und Wolle umzugehen. Er findet das Handarbeiten ausgesprochen entspannend, interessiert sich brennend für die unterschiedlichen Materialien von Schurwolle bis Seide, kauft sich Strickzeitschriften, entwirft eigene Muster und entwickelt sich in kürzester zum richtigen Strickexperten. Sein Strickzeug und die Anleitungshefte verschwinden daheim in einer Schachtel unter dem Bett, die er »mein kleines, schmutziges Geheimnis nennt«. Dann kommt der Moment, an dem er sich »outen« muss.

T.S. Easton lässt Ben in eigenen Worten erzählen. Das geschieht in Form der Tagebucheintragungen flapsig und mit viel Ironie, auf der anderen Seite mit gutem Blick für die eigenen Probleme und die der anderen. Ben ist kein typischer männlicher Teenager, er ist zurückhaltender und reflektierter als seine Altersgenossen. Genau darin liegt sein Problem, denn natürlich hat er auch das Bedürfnis dazuzugehören. Die Balance zu finden zwischen dem, was man selber will und für richtig hält, und dem, was die Gruppe erwartet, ist nicht leicht zu finden. Der Weg, den Ben wählt, ist ein konsequent eigener, das Happy End mitsamt einer Schlägerei ein bisschen überzogen, aber das gönnt man Ben. Schließlich ist der Tipp, dass man als Junge gar nicht immer machohaft und cool sein muss, sehr geschickt in diese amüsante Geschichte verpackt.

Titelangaben
T.S. Easton: Ben Fletchers total geniale Maschen
(Boys don’t knit, 2014). Aus dem Englischen von Wieland Freund und Andrea Wandel
Berlin: Ueberreuter 2015
320 Seiten, 14,95 Euro
Jugendbuch ab 13

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