Batman und Paul

Comic | Paul Dini / Eduardo Rosso: Dark Night

Die Anzahl an Comics über den Superhelden Batman sind inzwischen Legion, und auch die Zahl derer unter ihnen, die der Zeichner und Texter Paul Dini kreiert hat, ist sehr ansehnlich – war er doch bei der Schaffung von diversen Comics und Animationsfilmen beteiligt, wie ›Hush – Herz der Finsternis‹ oder ›Arkham City‹, und er hat sich die Superschurkin Harley Quinn ausgedacht. Doch seltener sind Autobiographien, in denen Batman eine zentrale Rolle spielt. Wie sehr die Welt des dunklen Ritters Paul Dini beherrscht, zeigt nun sein neuer autobiographischer Comic ›Dark Night. Eine wahre Batman-Geschichte‹ – mit den Zeichnungen von Eduardo Risso. PHILIP J. DINGELDEY hat sich den persönlichen Comic angesehen.

Paul Dini - DARK NIGHT - EINE WAHRE BATMAN-GESCHICHTEDiese Autobiographie in zeichnerischer Form springt sehr lückenhaft durch Dinis Leben. Begonnen wird mit seiner Kindheit, in der er sich als schmächtiger kleiner Junge, der sich unsichtbar fühlt und von seinen Mitschülern gemobbt wird, in die Fantasiewelten von Romanen, Comics und Cartoons flüchtet und so seine eigene Kreativität sowie sein zeichnerisches und dramaturgisches Talent entdeckt, welches anhand von Superheldencomics kultiviert wird, sodass er schließlich beim Filmkonzern Warner landet. Dort erschafft und zeichnet er zunächst Cartoon und landet schließlich bei seinem Traumjob, nämlich in den 1990ern Batman-Animationsfilme zu produzieren. So ist es unter anderem Dini zu verdanken, dass seitdem – inspiriert von dem düster-grotesken filmischen Meisterwerken von Tim Burton (nämlich ›Batman‹ und ›Batman Returns‹) – Batman-Comics und Animationsfilme dem Dark Knight wieder ein dunkleres, brutaleres, aber auch tiefsinnigeres Image innewohnt.

Joker, der Verführer

Der Höhepunkt der Geschichte ist aber, als Dini, der sich gerne mit Hollywood-Schönheiten schmückt, die durch ihn an seinen Vorgesetzen Stephen Spielberg herankommen wollen, von einem enttäuschten Date nachts direkt in die Falle von zwei Schlägern läuft, die ihn nicht nur ausrauben, sondern extrem brutal und blutig zusammenschlagen, scheinbar aus purem Spaß. Nach einer Operation verfällt er dem Alkoholismus, erscheint nicht mehr bei der Arbeit und guckt nur noch Cartoons – auch da er sich nach dem traumatisierten Vorfall unfähig fühlt, eine Batman-Geschichte zu schreiben, wo dieser solche Gangster mit Leichtigkeit besiegen würde. In ihm tobt der Kampf zwischen Batman, der ihn ermahnt, die Dinge anzupacken und aus seiner Dummheit in eine Falle gelaufen zu sein zu lernen, und dessen Erzfeind Joker, der ihn zum Wahnsinn und zur Faulheit motivieren will. Die lang ersehnte Wende tritt ein, als ein Schallplatten-Verkäufer ihm sagt, wie wichtig er die Arbeit der Cartoonisten von Warner findet, da sie das harte Leben mit ihrem Humor erträglich machen. Das gibt Dini die nötige Kraft zurück an die Arbeit zu gehen und das Trauma langsam zu überwinden. All dies erzählt er in seiner Vorstellung einer Horde von Batmans Gegnern.

›Dark Night‹, dieser Titel spielt schon auf die Kombination aus dem Dark Knight und dem nächtlichen Raubüberfall auf Dini, klingt eigentlich wie eine alltägliche Story – ein alltägliches Trauma, das eben auch Künstlern geschehen kann, und eine fast berechenbare Wendung zurück zum Leben mit einem (immerhin realistischen) Happy End, denn immer noch wird Dini von Angstzuständen geprägt. Faszinierend wird die Geschichte erst dadurch, dass immer wieder die Protagonisten aus dem Batman-Universum auftauchen und auf surreale Weise die Handlung auflockern. Das ist ein grandioser Zug der Verfremdung für den Leser und der selbstdialogischen Reflektion Dinis.

Verfremdung und Selbstkritik mit Hilfe der Schurken

Beispielsweise das Selbstmitleid Dinis wird durch die Härte Batmans und den Wahnsinn des Jokers aufgehellt. Manche Charaktere, wie Two Face ziehen ihn mit ihrem Urteil seiner Doppelgesichtigkeit bei oberflächlichen Dates herunter, und der Pinguin versucht ihn zum Alkohol zu verführen, um den Heroismus Batmans (also die Arbeit an Batman-Werken) hinter sich zu lassen. Besonders gegen Ende, wenn Dini vor dem Gremium der Superschurken über seine Motivation zu diesem Comic spricht, indem er sagt, ihm bedeute die Geschichte viel und wenn ein Leser, dem Ähnliches widerfahren sei, sich darin wiederfinde, reiche ihn das als Rezeption, sprengen gerade die Kommentare der Schurken die Handlung auf und bewahren sie mit ihrer mal zynischen, mal ironischen Manier vor jedem Pathos. Gerade durch diese phantastische Verfremdung, wenn Dinis Realität mit den fiktiven Charakteren auf fast schon schizoide Weise verschmilzt, wird der Comic erst lesenswert und zu einem mal bizarren, mal ergreifenden Kunstwerk, das zwar nicht wirklich anspruchsvoll, aber in jedem Fall unterhaltsam ist.

Unterstrichen wird das durch Rosso´s Zeichnungen. Auch er ist ein erfahrender Zeichner im Batman-Bereich. Zugegeben, er scheint die Optik von Dini etwas zu beschönigen, aber gerade die Zeichnungen der Batman-Protagonisten und die übersexualisierte Darstellung der Dating-Partner gelingt ihm exzellent. Während er Batman noch klassisch darstellt, hat er aber vor allem die Schurken ein bisschen variiert von der herkömmlichen Darstellung, sodass sie eher zu Dini passen und als Teile seiner Psyche fungieren können. Beispielsweise hat der Joker eher eine Frisur, die an Dini als Kind erinnert und einen roten Anzug, was farblich also besser zur Verführung passt. Two Face wird gerne in Relation zu Dinis angeschwollenem Gesicht nach dem Unfall gesetzt, der Pinguin wirkt tatsächlich wie ein Halbvogel, und Poison Ivy wirkt dafür wie eine moderatere, einfühlsamere Version eines seiner Dates. Insgesamt zeichnet Rosso sich durch zuweilen kantige und sehr oft übertriebene, krasse, aber stets detailverliebte Zeichnungen von Menschen und Ereignissen aus.

Paul Dini - DARK NIGHT - EINE WAHRE BATMAN-GESCHICHTE

Aus einem alltäglichen Trauma, das einem Künstler widerfährt, hat Dini, mit Hilfe von Rosso aus dem Comic ›Dark Night‹ ein sehr persönliches Statement gemacht, hat es autobiographisch mit der ihm genuinen Kunstform der Batman-Comics surreal verarbeitet. Dies ist die Art und Form, die Dini gewählt hat, um offen, fast nackt über sein sehr persönliches Leben zu reden, seine Ängste und deren Bewältigung, seiner Kindheit, seinen Minderwertigkeitskomplexen, Borderlinerzügen und dem Trauma. Und gerade durch die Form der Verarbeitung, zwischen Surrealismus, Ironie, Selbstkritik und Verfremdung gelingt ihm ein grandioser Comic, der seinen Namen nachhaltig im Batman-Universum verankern wird. Mit ›Dark Night‹ an der Hand werden wir wohl seine Batman-Comics neu auf autobiographische Verarbeitungen interpretieren können.

| PHILIP J. DINGELDEY

Titelangaben
Paul Dini (Texte)/ Eduardo Rosso (Zeichnungen): Dark Night. Eine wahre Batman-Geschichte
Aus dem Englischen von Christian Endres
Stuttgart: Panini 2016
132 Seiten, Softcover, 16,99 Euro
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