Mit ›Niemals‹ – seit März beim Avant-Verlag erhältlich – liefert Bruno Duhamel eine warmherzige Geschichte mit viel Witz und Gefühl vor dem ernsthaften Hintergrund des Klimawandels und dessen Folgen. Von SARAH SIGLE
Im Mittelpunkt der Handlung steht die rüstige und von Geburt an blinde Madeleine. Die 95-jährige lebt zusammen mit ihrer dicken Katze Balthazar in einem kleinen Haus an der Steilküste von Troumesnil, einem Badeort in der Normandie. Die Idylle wird vom Klimawandel bedroht: Etliche Küstenhäuser sind in den letzten Jahren durch die fortschreitende Erosion bereits in die Tiefe gestürzt, und auch Madeleines Haus droht dasselbe Schicksal.
Madeleine will von dieser Gefahr jedoch nichts wissen und weigert sich, ihr Heim zu verlassen. Der verzweifelte Bürgermeister, der sich für die Sicherheit der alten Dame verantwortlich fühlt, versucht vergeblich, sie zu einem Umzug in ein Altenheim zu überreden. Um seine Versuche zu vereiteln und endlich in Frieden gelassen zu werden, schreckt die beratungsresistente Witwe auch nicht vor drastischen Maßnahmen zurück. Die Granatensammlung ihres verstorbenen Ehemanns kommt ihr da gerade recht.
Harte Schale, weicher Kern
Bruno Duhamel gelingt mit seiner Geschichte etwas Außergewöhnliches. Er legt der Handlung das bedeutende Thema des Klimawandels zugrunde und geht auf dessen reale Folgen ein, ohne die Erzählung mit Ernsthaftigkeit zu erdrücken. Stattdessen sprühen seine Figuren – allen voran Madeleine – vor Humor und erfrischendem Sarkasmus. Besonders die Dialoge zwischen Madeleine und dem Bürgermeister lassen einen immer wieder schmunzeln. Generell ist die Charakterzeichnung von Madeleine bemerkenswert gut gelungen. Obwohl die alte Dame ab und zu etwas extrem reagiert – Stichwort Granate –, kommt man nicht umhin, tiefgehende Sympathie für sie zu empfinden und mit ihr zu fühlen. Denn unter ihrer harten und sturen Schale ist Madeleine eben doch nur eine einsame Witwe, die die Erinnerungen an ihren verstorbenen Ehemann Jules hütet wie einen Schatz und somit sehr viel Gefühl beweist.
Der Verlust ihres Häuschens würde auch den Verlust dieser Erinnerungen bedeuten, was für Madeleine nicht infrage kommt. Wie sehr sie Jules vermisst wird deutlich, wenn sie trotz seiner Abwesenheit für ihn kocht oder mit ihm spricht. Diese kleinen Augenblicke sind es, die den Comic so gefühlvoll machen und einem direkt ans Herz gehen.
Die Warmherzigkeit der Geschichte spiegelt sich auch in den Zeichnungen und der Kolorierung wider. Die Farben sind vor allem in sanften Blau- und Grüntönen gehalten und die charmanten Zeichnungen machen viel Freude bei der Betrachtung. Fokus gelegt wurde auch auf die Verschriftlichung von Geräuschen in Madeleines Umgebung. Dadurch nimmt man als Leser die gleichen Dinge wahr, wie die blinde Dame. Beinahe hat man das Gefühl, die Wärme des Sonnenscheins ebenso auf der Haut zu spüren wie Madeleine.
Fazit
Niemals erzählt in sanften Tönen und Farben von Verlust und der Einsamkeit des Alters, präsentiert jedoch auch eine Protagonistin mit ungeheurer Stärke und Widerstandskraft, die bis zum Ende ihren eigenen Weg geht. Mit viel Humor wird die Geschichte im Schatten des Klimawandels erzählt und hinterlässt trotz des ernsthaften Themas ein warmes Gefühl.
Titelangaben
Bruno Duhamel: Niemals
Aus dem Französischen von Lilian Pithan
Berlin: avant-verlag 2021
64 Seiten, 20 Euro
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