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»Die Federn des Carl Barks«

Comic | ›Disney‹-Zeichner Ulrich Schröder im Interview

17 Jahre lang hat Ulrich Schröder als Art Direcor für ›Disney‹ gearbeitet. Dabei hat er nie eine Zeichenausbildung absolviert – und seine Liebe zu Comics entsprang einem Unfall. Parallel zur Veröffentlichung des deutschen ›Micky Maus Magazins 7/8 2017‹, für das er das Covermotiv beisteuert, sind seine Werke in Würzburg zu sehen. CHRISTIAN NEUBERT traf Ulrich Schröder zum Interview.

Disney - DonaldSchröder wurde 1964 in Aachen geboren. Bereits kurz nach Abitur arbeitete er für die deutsche Zentrale der ›Disney‹ Corporation‹ als Zeichner. 1989 ging er für 17 Jahre als Art Director von ›Disney Publishing Worldwide‹ nach Paris. Anschließend gründete er das Künstler-Kollektiv ›Duckworks‹, wo er nach wie vor ›Disney‹ – Produktionen betreut.

Bereits als Neunjähriger war es ihr Wunsch, ein ›Disney‹-Zeichner zu werden. Welche Figur gab dafür den Ausschlag?
Das waren Donald – und Micky. Ich glaube, ich hab 1968 zum ersten Mal ein Micky Maus-Heft gelesen. Ich bekam es von meinen Eltern – als ein Trostgeschenk, weil ich hingefallen war und geblutet habe. Ich habe mich sofort in die Hefte verliebt, so ging es los. Später habe ich meine Lieblingsgeschichten herausgerissen und sie gesammelt. Und dann irgendwann festgestellt, dass die allesamt von Carl Barks waren. Bei ›Melzer‹ waren Sammelbände erschienen, aus denen das ersichtlich wurde – und meine Oma besaß diese. Als ich meine Lieblingsgeschichten dort wiederentdeckt hatte, war mir klar, dass ich Comic-Zeichner werden will.

Und dann haben Sie tatsächlich gleich nach dem Abitur bei ›Disney‹ als Zeichner angefangen, ohne jemals eine entsprechende Ausbildung gemacht zu haben. Wie kam das?
Ich habe davor für die Hamburger ›Donaldisten‹ gearbeitet – die ›Deutsche Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus‹. Dadurch kam ein Kontakt zustande, wodurch ich einen Kalender für den ›Heye‹ Verlag machen konnte; meine erste professionelle Arbeit als Zeichner, für den mich stark von Carl Barks inspirieren ließ, z. B. hinsichtlich der Positionierung der Figuren. Mit dem bin ich zu ›Disney‹ nach Frankfurt gegangen, mit der Frage, ob ich freiberuflich dort arbeiten könnte. Während des Gesprächs kam dann heraus: Die wollen mich einstellen, sie wollen mir gleich den Umzug von Aachen nach Frankfurt bezahlen. Ich habe kurz nachgedacht und dann gesagt: »OK!«
Um ehrlich zu sein: Ich selbst hätte mich nicht eingestellt, hätte gesagt: »Lern noch ein bisschen.«

Trotzdem: Schon waren Sie ein Comic-Zeichner.
Ja. Wobei ich zunächst eher selten an Comics arbeitete. Ich habe Zeichnungen für T-Shirts und andere Merchandise-Produkte angefertigt. Und dabei auch als Korrektor gearbeitet, damit die entsprechenden Motive auch en model gut aussahen. Comic-Zeichnungen habe ich da nebenbei gemacht, z.B. für die holländischen Donald-Hefte. Irgendwann hab ich gesagt, dass ich gerne eine Vier-Tage-Woche hätte – damit ich parallel zur Arbeit studieren konnte. Das ging aber nicht, weswegen ich aufgehört habe, in Frankfurt zu arbeiten. Aber freiberuflich war ich weiter als Zeichner tätig. Und zwei Jahre später bin ich als Art Director von ›Disney Publishing Worldwide‹ nach Paris gegangen.

Wie hat man sich das Zeichner-Handwerk bei ›Disney‹ vorzustellen? Es gibt sicher strenge Richtlinien, anhand der die einzelnen Illustratoren die Figuren zeichnen, oder?
Ja, sogenannte Style Guides. Die gab es damals allerdings noch nicht. Es gab Model Sheets, im A3-Format. Sie zeigten die Figuren aus verschiedenen Perspektiven, damit die einzelnen Zeichner die Proportionen und Gesichtsausdrücke nach Möglichkeit einheitlich gestalteten. Später gab es dann Style Guides, die haben diese Aspekte dann noch weiter vertieft. Ich selbst habe während meiner Arbeit in Paris an einigen mitgewirkt.

Dann gerieten diese starren Konstrukte durch die Mitarbeit der einzelnen Personen ständig in Bewegung.
Richtig, wobei die eigentlich gar nicht so starr waren. In den 30ern haben die Trickfilmzeichner z. B. Mickys Proportionen in den Model Sheets mit verschiedenen Münzen festgelegt. Ein Dollar für den Kopf und Fünf-Cent-Münzen für die Ohren – so in der Art. 1938 hat Fred Moore dann aber die Squash and Sratch Methode eingebracht, die innerhalb von Bewegungsabläufen den Kopf in die Länge zog oder die Wangen zur Seite schob. Das schafft deutlich mehr Ausdruck. Ein anderer Zeichner, Walt Kimmel, hat Mickys Knopfaugen durch richtige Augen mit Pupillen ersetzt. Für den Film Disneys Fantasia hat man sich an eine 40er Jahre-Micky gehalten. Man probiert als gerne Sachen aus, besinnt sich aber auch mal zurück. Je nachdem was gut funktioniert.

Was waren eigentlich Ihre Lieblingsgeschichten, die Sie gezeichnet haben?
Zum einen, inhaltlich betrachtet, die Trickfilmadaption ›Runaway Brain‹. Von grafischer Seite aus gesehen ist es ›Wavy Gravy‹. Da ist Micky am Meer – und das Meer ist aus einer Art Gelatine. Die Geschichte enthält, was nur ganz selten vorkommt, ein ganzseitiges Panel, eine Unterwasser-Zeichnung voller Details.

›Das Lustige Taschenbuch‹ wird in Teamwork produziert. Wie entstehen die Zeichnungen?
Als Zeichner bekommt man in der Regel ein Skript, nach dem man die Zeichnungen anfertigt – erst eine schnelle Vorzeichnung, dann eine saubere Vorzeichnung, dann die Reinzeichnung mit Tusche. Oft wird letztere auch von einem Kollegen übernommen. Heute arbeiten viele Zeichner auch am Computer. Ich selbst mache das nicht, mir ist die Optik zu glatt. Mit Tusche gefällt es mir besser. Übrigens verwende ich für die Reinzeichnungen die gleiche Feder, mit der auch Carl Barks gezeichnet hat. Die gibt es mittlerweile gar nicht mehr.

Hoffentlich kommt Ihnen die nie abhanden …
Oh, ich habe 200 Stück bekommen. Eine hält etwa ein halbes Jahr, mir bleibt also noch ganz viel Zeit.

| CHRISTIAN NEUBERT

Titelangaben
ULRICH SCHRÖDER
in der GALERIE GABRIELE MÜLLER Würzburg
18. Februar – 15. März 2017

Reinschauen
| Ulrich Schröder bei Duckworks
| Ulrich Schröder bei Duckipedia

Titelbild | Artikelbild
| Ulrich Schröder / Disney Cooperation

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