Wie du mir…

Kinderbuch | Andrea Liebers: Finn macht es anders

Rache kann verlockend sein. Zumal wenn sie sich gegen jemand richtet, unter dem man schon längere Zeit richtig leidet. Was wäre da naheliegender, als dem anderen so richtig heimzuzahlen? ANDREA WANNER staunt über Finn.

Liebers - Finn macht es andersFinn hat ein Problem. Es geht schon zwei Wochen so, der Junge ist blass – aber erzählt niemandem, dass er übel gemobbt wird. Drei Mittschüler – Sven, Paul und Max – machen ihm täglich auf dem Pausenhof das Leben zur Hölle. Es beginnt bereits vor dem Unterricht mit Finns Pausenbrot. Das liebevoll von der Mutter belegte Brot – Max’ Favorit besteht aus mit Rosinen bestreutem Käse auf dem Brötchen, darüber Kapuzinerblüten – wird ihm weggenommen, zerrupft, in den Dreck geworfen und zertrampelt.

Max leidet. Er wird beleidigt, gedemütigt – und traut sich nicht, jemandem davon zu erzählen. Die Lehrerin merkt nichts – nur, dass er oft zu spät kommt. Die kleinen Pausen sind genauso schrecklich, wenn sein Nebensitzer Erik sich aufs Klo rettet, und er seinen drei Peinigern ausgeliefert ist.

Die Stunde der möglichen Rache

Finn ist ein liebenswerter, cleverer Junge, der offensichtlich umsorgt, geliebt und behütet aufwächst. So etwas musste er noch nie erleben. Und weil er es nicht kennt, verfügt er auch zunächst nicht über geeignete Mittel, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Er sieht den Konflikt als einen, der die Erwachsenen nichts angeht- was sicherlich ein Fehler ist. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die Kraft, selbst damit fertig zu werden, bereits in ihm herangereift ist. Seine Stunde kommt. Schneller als alle ahnen.

Es ist jener Vormittag mit dem besagten Lieblingsbrötchen mit Käse, Rosinen und Kapuzinerkresse, als plötzlich die Polizei in der Klasse steht. Sven, Paul und Max sollen dabei gesehen worden sein, wie sie ein Auto zerkratz haben. Den Besitzer des Wagens haben die Polizistin und der Polizist gleich mitgebracht. Und der will die drei Tunichtgute zweifelsfrei wiederkennen. Mit deren großer Klappe ist es plötzlich nicht mehr weit her. Ganz im Gegenteil. Und Finn könnte seinen Triumph genießen. Endlich werden die miesen Typen, die ihn immer fertigmachen, selber fertiggemacht. Und Paul heult sogar gleich los, sein Vater werde ihn totschlagen.

Finn entscheidet sich. Für genau das Richtige.

Andrea Liebers erzählt in einfachen Worten, die nahegehen, diese Geschichte, die bereits Grundschüler ab der 2. Klasse problemlos selber lesen können. Es steckt eine Menge zwischen den Zeilen, der kurze Text lässt viele Räume zum Nach- und Weiterdenken. Wie sieht Zivilcourage aus? Wie Mut? Warum hat niemand Finn geholfen, als er zum Opfer wurde? Warum hat sich Finn keine Hilfe geholt? Warum sind die anderen so gemein zu ihm?

Susanne Göhlich hat in ihren farbigen Illustrationen, die das ganze Buch durchziehen, die kleinen Schüler und Schülerinnen zum Leben erweckt. Witzige kleine Bildchen, bei denen es aber auch lohnt, genau hinzuschauen, um keine Details zu verpassen. Kleine Szenen, die die Stimmung mit wenigen gekonnten Strichen einfangen. Mehr braucht es nicht, um alles richtig zu machen in dieser klugen, kleinen Geschichte aus dem Schulalltag.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Andrea Liebers: Finn macht es anders
Mit Illustrationen von Susanne Göhlich
Wuppertal: Peter Hammer Verlag 2017
32 Seiten. 9,90 Euro
Kinderbuch ab 6 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Erfolgreicher Spätzünder

Nächster Artikel

Zweite Chance

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Freundin Erde als braunes Mädchen

Kinderbuch | Patricia MacLachlan / Francesca Sanna: Meine Freundin Erde

Viele Kinder, die in der Stadt aufwachsen, kennen die Natur überhaupt nicht mehr. Um dem ein wenig entgegenzuwirken, kommen zurzeit immer mehr Bücher auf den Markt, die jungen Lesern einen Zugang dazu verschaffen sollen. Auch Bilderbücher wie das von Patricia MacLachlan und Francesca Sanna. Von GEORG PATZER

Für alle Sinne

Kinderbuch | Jean-Marie Robillard, Marie Desbons: Der Gesandte des Mondlichts Eine Geschichte, das wissen wir, besteht nicht nur aus Worten. Sie sind nur das Mittel, um beim Lesen Bilder hervorzurufen, Gefühle zu wecken, die Fantasie wirken zu lassen. Die besten Geschichten aber tun mehr, sie lassen dazu noch Töne, Düfte, Geschmäcker entstehen, nie gesehene Farben leuchten. Mit ihnen werden alle Sinne wach. So eine Geschichte ist es, die Jean-Marie Robillard erzählt. Marie Desbons hat die Bilder dafür gefunden. Von MAGALI HEISSLER

Abenteuer ohne Ende

Kinderbuch | Anna Kim: Die Allianz der 3½ auf Schatzsuche

Die österreichische Schriftstellerin Anna Kim, die ursprünglich aus Südkorea stammt und für Erwachsene schreibt, versucht sich an ihrem ersten Kinderbuch. ANDREA WANNER hat es gelesen.

Unsicherer Grund

Kinderbuch | Stefanie Höfler: Feuerwanzen lügen nicht

Nits und Mischa sind beste Freunde, solange sie denken können. Aber was weiß Nits tatsächlich über den Menschen, dem er vertraut und dem er sich nahe fühlt? Ein Lügengebilde bricht zusammen, sorgt für Verletzungen und neue Blicke auf den anderen. Von ANDREA WANNER

Wenn einer dem anderen fehlt

Kinderbuch | John Dougherty: Du fehlst so, Hase!

Da schreibt, singt, reimt, dichtet und erzählt jemand, der Kinderherzen wie kein anderer versteht: der vielseitige Ire John Dougherty, der nun gemeinsam mit dem britischen Illustrator Thomas Docherty ein Kinderbuch schuf, das das Zeug zum Klassiker hat. Von BARBARA WEGMANN