Kinderbuch | Moni Port: Das schlaflose Buch
Dass man mal nicht einschlafen kann, kann passieren. Aber manchmal liegt es daran, dass die Gedanken wie Billardkugeln durch den Kopf rasen, eine stößt die andere an. Und dann kann man erst recht nicht einschlafen. Wie das aussehen kann, zeigt ›Das schlaflose Buch‹. GEORG PATZER ist sehr angetan
»Ich kann nicht einschlafen«, denkt die Kleine. Liegt im Bett und schaut mit einem Auge nach oben. Das andere hat sie geschlossen. »Meine Gedanken hüpfen von Ast zu Ast, vom Hölzchen aufs Stöckchen.« Sie trinkt ein Glas Wasser, und so geht es los: Denn sie weiß, dass mehr als die Hälfte des menschlichen Körpers aus Wasser besteht. Sie weiß noch mehr: »Es gibt mehr Wasser auf der Erde als Land. Der größte Teil der Erde ist mit Wasser bedeckt. Der größte Teil des Meeres ist noch gar nicht erforscht.«
Und dann geht es ab: Vom Wasser kommt sie auf den Blauwal (»Buckelwale und Pottwale schlafen kopfüber.«), dessen Herz so groß wie ein VW Käfer ist, und es gibt 179.000 verschiedene Käferfamilien, und Marienkäfer haben Punkte, die aber nicht die Anzahl der Geschwister angibt, und in der Provence erzählt man sich, dass ein Mann bald heiratet, wenn ein Marienkäfer auf ihm landet, und in Griechenland wirft die Braut nach der Hochzeit einen Granatapfel in den Hausflur, wegen der Fruchtbarkeit, und in Bulgarien wünscht man Glück und Reichtum, aber »Glück kann man nicht kaufen, sagt Mama«.
Und so geht es weiter und weiter. Und zwischendurch kommt immer mal wieder: »Ich kann nicht schlafen.« Denn der Denkapparat funktioniert und produziert immer neue Einfälle, Quatsch und Wissen und Fakten und Assoziationen. So geht es tatsächlich vom Hölzchen aufs Stöckchen. Bis sie überlegt: »Wie viele Menschen haben am gleichen Tag wie ich Geburtstag? Haben sie alle etwas mit mir gemeinsam? Essen alle gerne Käsebrot mit Tomaten?«
Was sie zu Mäusen führt, die gern Käse essen, zu Elefanten, die gar keine Angst vor Mäusen haben, zum Gewicht von Elefanten, die so schwer sind wie das Herz eines Blauwals, und dann ist sie bei Walarten und danach beim Wasser: »Es gibt viel mehr Meer auf der Erde als Land. Der größte Teil unserer Erde ist mit Wasser bedeckt. Mehr als die Hälfte des menschlichen Körpers besteht aus Wasser.« Und dann trinkt sie ein Glas Wasser: »Jetzt kann ich einschlafen.«
Gedankenkaleidoskop, Bewusstseinsstrom
Moni Port hat ein witziges, dickes Bilderbuch geschrieben und gemalt, das sehr schön ein Gedankenkaleidoskop, einen Bewusstseinsstrom abbildet, der so ja wirklich passieren kann. Ihr Büchlein ist eine hübsche Collage, mit einfachen Zeichnungen des Mädchens im Bett und Fotos (z.B. von Makrelen oder einem Weihnachtsbaum) und kleinen Malereien. Sie alle illustrieren auf humorvolle, manchmal auch satirische Weise die Gedankensprünge, die aufeinander folgen. So sagt die älteste Frau der Welt, sie sei »so alt geworden, weil sie jeden Tag zwei rohe Eier trank« und man sieht das eklig verzerrte Gesicht des Mädchens dazu.
Es geht kunterbunt durcheinander, von Ängsten und Sorgen (»Werde ich immer Glück haben?«) zu Wünschen (»Sind Vögel frei? Ich wäre gern ein Mauersegler« oder »Ich hätte gern ein Hühnchen zum Freund«) und erstaunlichen Geschichten wie der von Carl Hagenbeck, der einmal von einem Löwen namens Triest vor Tigern gerettet wurde.
Außerdem begleiten kleine Kommentare die Assoziationen, die ein bisschen auf die Absurdität der Welt hinweisen. Zum Beispiel bei den Granatäpfeln, die die griechische Braut in den Flur wirft: »So viel Kerne herausfliegen, so viele Kinder wird sie einmal haben«, heißt es da. Und als Anmerkung: »In einem Granatapfel können über 700 Kerne stecken. Auweia!«
Titelangaben
Moni Port: Das schlaflose Buch
Leipzig: Klett Kinderbuch 2018
112 Seiten. 14 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
Reinschauen
| Leseprobe