//

Ein Telefonat mit Christian Löffler

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world

Christian Löffler ist ein Unikum in der elektronischen Musik. Ist kein Partyhengst und keine Rampensau. Spielt er nicht gerade selber, ist er höchstwahrscheinlich nicht im Club anzutreffen. Er wirkt aus der Ruhe seines Refugiums in Norddeutschland. Christian verbindet das Sehen und Hören miteinander, indem er malt, fotografiert, Musik macht und Geräusche sammelt und zwischen ihnen übersetzt. Das Ergebnis ist melancholische, empfindsame und feingliedrige Musik. Sein neues Album, Lys, wurde Ende März in einen Ausnahmezustand hineingeboren. Livestream statt gefüllter Hallen zum Release. Nach der Review des Albums im letzten Beitrag hatte LOUISE RINGEL Fragen, die Christian ihr im Telefonat beantwortet hat. Sie haben über Livestreams, emotionale Musik in emotionalen Zeiten und weibliche Stimmen gesprochen.

TITEL: Ich habe deinen Livestream zum neuen Album gesehen und habe mich gefragt: Wie fühlt sich das an, ein neues Album im Livestream zu spielen?
LysChristian: (lacht) Das war auf jeden Fall eine Premiere. Schon kurios. Ich war erleichtert, dass es so viele Reaktionen waren und sich so viele Leute gefreut haben, dass es was Neues zu hören gibt und dass sie dabei sein können. Als es losging und auf das Veröffentlichungsdatum zu ging, da hatte ich schon echt ein bisschen Sorge, weil man schlecht einschätzen konnte, ob bei den Leuten überhaupt Platz ist für neue Musik. Erst mal sind ja alle verunsichert und haben vielleicht auch Angst, wie es jetzt weitergeht. Aber nein, es war echt gut. Ich habe viele Reaktionen und viele Nachrichten bekommen und da war ich ganz erleichtert. Auf jeden Fall eine neue Erfahrung.

Ich habe die Kommentarleiste im Stream verfolgt und selten so durchweg positive Kommentare gelesen. Ganz, ganz häufig kam, dass deine Musik die Seele berührt. Was meinst du, woran das liegt?
Das ist ein glücklicher Umstand, denn eigentlich macht man die Musik so, wie man sie selber gut findet. Wenn ich daran zurückdenke, wie ich angefangen habe, da habe ich auch gedacht, dass es nicht so viele gibt, die das gut finden. Ich bin immer noch total berührt, wenn solche Kommentare kommen. Aber die Seele berühren … Das ist vielleicht, weil es eher emotionale Musik ist, die den Leuten jetzt gerade vielleicht Kraft spendet und aus dem Herzen spricht. Das ist schon sehr gefühlsbetont bei mir.

Christian Loeffler

Mir ist auch aufgefallen, dass du von drei Künstlerinnen gefeatured wirst. Was hat es mit melancholischen, weiblichen Stimmen auf sich?
Das ist eine gute Frage. Eigentlich sind das immer Zufallsbegegnungen. Zum Beispiel mit Mohna damals. Das war eigentlich gar nicht auf musikalischer Ebene, dass wir uns getroffen haben, sondern über Freunde und dann haben wir uns per E-Mail ausgetauscht. Dann haben wir angefangen, Musik zusammen zu machen und das hat einfach gut gepasst. Genauso war das jetzt mit der Menke aus Stockholm. Sara Menke, die Lys singt. Die habe ich auch zufällig getroffen, als ich in Stockholm war bei einem Freund im Studio und der meinte: »Ja, da kommt nachher noch die Sara. Die macht auch Musik.« Das war auch so eine Zufallsgeschichte. Und irgendwie war das bei Josephine auch so. Auch über einen Freund, der in Kopenhagen sein Studio hat und immer meine Platten mastert. Also gar nicht so, dass ich die Stimmen gezielt ausgesucht oder viele Versuche unternommen habe, mit anderen Leuten Musik zu machen. Ich glaube, ich hatte einfach Glück.

Wie war dieser Prozess, dass du angefangen hast, Gemaltes in Musik zu übersetzen?
Das war eher notgedrungen. 2016 hatte ich ja Mare fertig released. Dann kam die Tour und ich habe viel gespielt die nächsten zwei Jahre. Da war wenig Zeit, und wenn ich dann im Studio war, war ich in einer Drucksituation und dachte: »Jetzt hast du zwei Wochen und musst dann auch Musik machen.« Ich hatte Lust und war motiviert, aber es ist nie etwas richtig Gutes dabei herausgekommen. Dann habe ich verschiedene Strategien probiert. Erst andere Musik Programme, das Studio umgebaut und solche Sachen, aber irgendwie hat das alles nicht so richtig gefruchtet. Dann dachte ich: »Na, dann lässt du es halt mit Musik machen!«, und dann bin ich wieder auf Kunst gekommen, weil ich ja ursprünglich Malerei studiert habe. Nur nicht abgeschlossen, weil dann die Musik dazwischen kam. Es war total erfrischend wieder zu zeichnen. Ohne Computer, ohne Monitor. Einfach mit einem Blatt Papier. Und dann war ich total inspiriert und habe auch wieder Lust bekommen, Musik zu machen. Das hat sich gegenseitig befruchtet.

Es scheint so, als würde dich deine Umgebung total inspirieren. Heißt das dann gleichzeitig, dass du für neues Schaffen den Standort wechseln musst?
Ich habe immer ganz viel mitgenommen von meinen Reisen. Gerade dieser Kontrast war toll, wenn ich mal länger weg war und dann zurückgekommen bin. Dann konnte ich gut verarbeiten, was ich alles gesehen oder erlebt habe und wen man getroffen hat. Und gerade in den letzten Jahren war viel los. Ich war zum ersten Mal in Japan Anfang des Jahres und China war auch im Januar und dann war ich noch mal in New York. Dann ist es immer toll, wenn man zurückkommt. Hier ist ja nicht so viel los. Dann kann ich das alles noch mal auf mich einprasseln lassen, zurückblicken und so viel wie möglich mitnehmen. Hier gibt es ja gar keine Chance sich abzulenken und das genieße ich dann auch. Ganz am Anfang hat mich das hier schon sehr inspiriert, aber mittlerweile kommt die Inspiration hauptsächlich von den Reisen.

Und gibt es schon etwas Neues, das dich inspiriert?
Da bin ich gerade dran. Ich male jetzt wieder mehr, weil jetzt Zeit ist (lacht). Ich entdecke neue Maler und Malerinnen und gucke mir Kataloge an, aber ganz konkret ist noch nichts. Ich bin noch in einer Findungsphase. Und merke, dass da schon etwas ist und dass sich etwas verändert hat, aber ich kann noch keinen Begriff nennen.

Bis dahin schlage ich vor, die überschüssige Zeit zu nutzen und ganz ausgiebig in Lys zu hören. Auf die Gefahr hin, sentimental zu werden.

| LOUISE RINGEL

Titelangaben
Christian Löffler: Lys
(Ki Records / Indigo)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eines Tages wieder …

Nächster Artikel

Moral

Weitere Artikel der Kategorie »Bittles' Magazine«

Post-Truths And Skylax House Explosions: New Album Reviews

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world With a bumper package of great new albums by DJ Sprinkles, The Black Dog, Peshay, The Advisory Circle and more to review this week, we’ll skip the introductory bullshit and dive right in. By JOHN BITTLES

What Hip Reindeer Will Be Playing This Christmas!

Bittles‘ Magazine | Record Review You have to be very brave to release an album of new material in December! Any money that people have is being spent on presents, protection money to Santa, or on getting as drunk as humanely possible. So let us raise a glass and give a warm round of applause to those who have brought out new records in this most festive, yet culturally void of months. By JOHN BITTLES

For Those Of You Who Have Never: New Album Reviews

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world I have always been a fan of the humble compilation. Although much maligned in recent years, they can be a great way to introduce yourself to new artists, or genres. This June has seen a surge of quality collections all begging to be reviewed. Some are designed to showcase a particular label (Floor To Floor for Dusky’s 17 Steps, Facticity for Functions‘ Infrastructure New York, The Lost Tapes for Code Is Law), the selection skills of a certain DJ (Tim Green’s Body Language mix, Ryan Elliott’s Fabric

Weaving Genres, And Roughing Up Beats: New Album Review

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world Is it just me, or was Record Store Day 2017 a tiny bit crap? The last time I was surrounded by that amount of middle-aged, balding men, reeking of sweat, I had walked into a strip-club by mistake. So, rather than relive the horrors of that day, I will dispense with the waffle and dive straight into the reviews. By JOHN BITTLES

Sinking Can Be A Beautiful Thing

Musik | Bittles‘ Magazine Sinking by The Aloof is one of those albums that stick with you throughout your life and it never fails to hit the spot no matter where you are or how you feel. Released in 1996 on EastWest Records the LP saw the five-piece move away from their progressive house beginnings to incorporate a more soulful, almost trip hop feel into their sound. Best remembered for the stunning string sequences and melancholy vocals of One Night Stand, Sinking should be considered one of the great pieces of music of our times. By JOHN BITTLES