Der französische Comic-Künstler Georges Bess erweckt in seiner Adaption des Vampir-Klassikers ›Dracula‹, der in deutscher Sprache beim Splitter Verlag erschien, den wohl berühmtesten aller Blutsauger in schaurig-alptraumhaften Bildern zum Leben. Von SARAH SIGLE
Bess hält sich in seiner Graphic Novel weitestgehend an Bram Stokers Original. Der Brite Jonathan Harker reist geschäftlich nach Transsylvanien, um ein Immobiliengeschäft mit dem mysteriösen Graf Dracula abzuwickeln. Bereits die Begegnungen mit den Einheimischen auf seiner langen und beschwerlichen Reise machen deutlich, dass er geradewegs in sein Unglück zu rennen scheint. Jonathan tut die Warnungen jedoch als Aberglauben ab und lässt sich nicht von seinem Ziel abbringen. Als er sich schließlich in der düsteren Festung des Grafen einfindet, muss er jedoch feststellen, dass hier nichts mit rechten Dingen zugeht. Spätestens, als er Dracula kopfüber eine Wand hinabklettern sieht, versteht er endlich, dass dieser nichts Menschliches an sich hat und er zu allem Überfluss nun auch noch der Gefangene dieses Ungeheuers ist.
Jonathan gelingt es, nach einiger Zeit dennoch zu fliehen und zu seiner geliebten Mina zurückzukehren. Bald jedoch ereignen sich mysteriöse Ereignisse, die darauf hindeuten, dass Graf Dracula ebenfalls seinen Weg nach England gefunden hat. Gemeinsam mit Mina, dem Professor Van Helsing und weiteren Freunden bereitet sich Jonathan darauf vor, das Monster ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.
Unsterblicher Klassiker
Diese Geschichte ist durch unzählige filmische und künstlerische Adaptionen längst in der Popkultur angekommen und den meisten Menschen bekannt. Dementsprechend ist vom Plot nichts Neues zu erwarten. Georges Bess gelingt es dennoch, mit seiner künstlerischen Umsetzung eine packende Spannung zu erzeugen. Die Graphic Novel lebt von ihrer Stimmung und der düsteren Atmosphäre, die die schwarz-weiß gehaltenen Bilder erzeugen.
Interessant ist besonders die Verschmelzung realistischer, gestochen scharfer Zeichnungen mit surrealistischen, alptraumhaften Elementen, wobei immer wieder Symbole wie Totenköpfe oder Fledermäuse auftauchen, um die Gefahr und den lauernden Tod zu vergegenwärtigen. Bess nutzt den gesamten Raum der Seiten, um seine Zeichnungen zu entfalten. Manche davon erstrecken sich über ganze Doppelseiten, wobei Bess sich auch nicht davor scheut, große Flächen komplett schwarz oder weiß zu lassen, um eine bedrückende Stimmung zu erzeugen. Die teils willkürlich wirkende Anordnung der einzelnen Panels sorgt dafür, dass jede Seite individuell gestaltet ist. Beim Leser kann dies jedoch schnell zu Überforderung und Unübersichtlichkeit führen. Dennoch macht es Spaß, sich gerade dadurch mit jeder Seite intensiv auseinandersetzen zu müssen, weil man immer wieder neue spannende Details entdeckt, die einem einen kalten Schauer über den Rücken jagen.
Für Entdecker
Insgesamt ist Georges Bess eine alptraumhafte und ausdrucksstarke Gesamtkomposition gelungen, die die Ernsthaftigkeit und den Grusel des Originals neu aufleben lässt. Seine Vampire sind in ein schauderhaftes Gewand gehüllt und stehen somit in starkem Kontrast zu den literarischen Vampirgestalten der letzten Jahrzehnte, die spätestens seit ›Twilight‹ ihren Schrecken verloren haben und kaum noch ernst zu nehmen sind.Umso erfreulicher für alle Horrorfans, hier endlich wieder das gute alte, blutsaugende Ungeheuer vorzufinden. Dass die Graphic Novel dabei in einem prächtigen, schwarz-goldenen Einband daherkommt, trägt mit Sicherheit zusätzlich zum Lesevergnügen bei.
| SARAH SIGLE
Titelangaben
Georges Bess (nach Bram Stoker): Dracula
Ludwigsburg: Splitter Verlag 2020
208 Seiten, 39,80 Euro
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| Leseprobe auf der Verlagswebseite
Hervorragend geschriebener Artikel. Danke schön!