Comic | Interview mit Gabriel Bá
Seit dem 15. Februar begeistert die Comic-Adaption von ›The Umbrella Acadey‹ auf Netflix. Der erste deutschsprachige Band der zugrunde liegenden Comicreihe erschien Anfang 2009 bei Cross Cult. PETER KLEMENT hat Gabriel Bá, den Zeichner der Reihe, seinerzeit zum Interview gebeten. Er sprach mit ihm über Dream Teams, besessenen Statuen und der Arbeit mit einem Rockstar – und hat interessante Antworten bekommen.
TITEL: Wie bist zu Comics gekommen?
Ich wuchs damit auf, in den Straßen von São Paolo zu spielen, Videospiele zu zocken und Comics zu lesen. Ich las alle Arten von Comics, von Superhelden und europäischer Science-Fiction bis hin zu Manara und brasilianischem Underground. Ab einem gewissen Alter, ich glaube, ich war 14, wusste ich, dass ich an Comics arbeiten wollte. Ich wusste nicht, ob das schwierig war oder überhaupt Geld einbrachte, aber ich wusste, dass ich es für den Rest meines Lebens machen wollte.
GABRIEL: Wie ist es, dein Studio mit deinem Zwillingsbruder zu teilen? Beeinflusst ihr euch gegenseitig oder macht jeder sein eigenes Ding?
Wir arbeiten schon unser ganzes Leben zusammen. Der eine weist den anderen immer auf Sachen in seinem Artwork hin, gibt Hinweise und bringt ihn dazu, sein Bestes zu geben. Selbst wenn wir an unterschiedlichen Projekten arbeiten, wissen beide, was der andere gerade tut und ob er sich Mühe gibt oder ob er bummelt. Wir sind hart gegen uns selbst und helfen uns gegenseitig am Ball zu bleiben.
Du lebst und arbeitest in São Paulo, einer wahrhaftigen Megalopolis. Kannst du das Leben in einem solchen Moloch beschreiben?
Es gibt viele mögliche Arten zu leben in São Paulo, wo es einen schon mal drei Stunden kosten kann, nur zur Arbeit zu kommen. Hier findest du Leute von überallher, die hier leben, arbeiten, kommen und gehen. Auch wenn die Leute es nicht glauben, hier gibt es eine Menge Parks und überall Natur in der Stadt, nicht nur Kommerzbauten. São Paulo ist auch leider das beste Beispiel für Brasiliens schlimmste Eigenschaft: Sozialer Ungerechtigkeit. In dieser Stadt findest du Leute, die auf der Straße leben, gigantische »Favelas« (Slums), übervölkert mit den Ärmsten der Armen und gleichzeitig findest du hier die Reichsten des Landes, die Armani-Anzüge kaufen, 100 Dollar für einen Drink ausgeben und mit Privatjets rumfliegen.
Die Umbrella Akademie hat ein Dream Team zusammengebracht: Zwei Gewinner des Eisner Awards – David Stewart und James Jean – und dich selbst, der du ja in der Zwischenzeit nominiert wurdest. Und als ob das nicht genug wäre, kam noch Gerard Way dazu, Lead-Sänger von My Chemical Romance. Schicksal oder unglaublicher Zufall?
Das Projekt war von Anfang an ein gewagter Wurf für Dark Horse, deshalb haben sie so viel darin investiert und so viele talentierte Leute dafür angeheuert. Die Cover von James waren ein Weg, mehr Aufmerksamkeit für das Buch zu erzeugen. Dave für das Projekt zu gewinnen, war ein Garant dafür, dass der Comic die bestmögliche Kolorierung haben würde. Mit all dem Rampenlicht auf den beiden und natürlich auf Gerard war ich der am wenigsten Bekannte der beteiligten Künstler. Das war ein gute Sache für mich, denn die Leute konzentrierten sich deshalb auf mein Artwork.
Als ich zum ersten Mal gehört habe, dass Gerard Way den Plot für die Umbrella Akademie schreibt, habe ich in erster Linie etwas in der Richtung seiner sozialkritischen Songs erwartet. Was waren deine Erwartungen?
Ich kannte seine Band und seine Songs damals nicht, also nahm ich das Projekt nur anhand des ersten Entwurfs an, den sie mir zeigten und wegen der Herausforderung für mich an.
Die Umbrella Akademie ist ein ziemlich verrückter Ritt durch Raum und Zeit, gefüllt mit einem bösen Orchester, Verrückten mit den Masken von Cartoon-Charakteren und einem hyperintelligenten Fisch. Waren das die Kreationen von Gerard Way? Oder waren einige von dir?
Gerard hat so ziemlich alles in der Serie entworfen. Er pflegte, eine Menge Zeichnungen zu machen. Während der zweiten Reihe überließ er mir die meisten Entwürfe und gab mir nur Beschreibungen.
Im ersten Band ›Die Weltuntergangs Suite‹ schüttelt der Eiffelturm seine Besucher ab und in Dallas geht die Statue von Abraham Lincoln randalieren. Warum sind öffentliche Denkmäler so gemeingefährlich in Die Umbrella Akademie?
Öffentliche Denkmäler sind meist nur Hintergrund in Geschichten und unserem Leben, wenn man es genau nimmt. Wir laufen jeden Tag an ihnen vorbei und nehmen sie als gegeben hin. Es hat Spaß gemacht, ihre Rolle einmal zu ändern.
Sprechen wir ein bisschen über die Charaktere: Ich fand das Design der weißen Violine großartig. Was war dein liebstes Charakterdesign?
Ich liebe die weiße Violine, ein sofortiger Klassiker. Aber der Charakter, der mir am liebsten ist, ist Space Boy, denn ich liebe große Charaktere – obwohl ich die ganzen Schläuche, die aus seinem Gürtel und so kommen, nicht so mag. Ich mag die dramaturgischen Möglichkeiten, die sich mit ihm bieten. Besonders gut gefiel mir Space Boy in der zweiten Serie, ›Dallas‹. Alle Charaktere haben große Fortschritte in der zweiten Serie gemacht, meiner Meinung nach.
Es gab schon länger keine Neuigkeiten mehr zum dritten Band. Was können wir erwarten, und vor allem wann?
Gerard stellt gerade seine neue Platte fertig und hat parallel ein neues Projekt am Start. Erst wenn er wieder Luft hat, können wir die Story in Angriff nehmen. Nicht, dass wir nachher zu erschöpft sind, nur weil wir zu viele Dinge auf einmal bearbeiten.
Eine letzte Frage: Denkst du, dass die Menschheit mit Superkräften, sofern gegeben, auf lange Sicht umgehen könnte?
Nein.
Vielen Dank für das Interview!
| PETER KLEMENT
| Foto: Marcelo Braga, Gabriel Bá, CC BY 2.0