/

Klare fotografische Ansagen

Sachbuch | Scott Kelbys Reisefoto-Rezepte

Dieses Buch – so der Autor, dessen Ratgeber seit Jahren weltweit in Sachen digitaler Fotografie und für Adobe-Produkte am meisten verkauft werden – schreibe er so, als wäre er mit Ihnen allein unterwegs, irgendwo, an einem »fantastischen Ort«, zum Beispiel Paris. Das klingt doch gut. Den ganzen »technischen Kram« wolle er dann weglassen. Wie das geht und ob es funktioniert, das hat sich BARBARA WEGMANN in dem Buch angeschaut.

Kleine Boote mit Laternen schwimmen auf einem See in Asien - vor hohen Bergen die im Hintergrund zu sehen sindDas schon einmal vorweg: Natürlich gibt es manchmal etwas »technischen Kram«, der gehört einfach dazu, aber eines strahlt das Buch sofort aus: Da ist eine sehr persönliche Ansprache von Anfang an, da nimmt mich jemand an die Hand, gibt mir Tipps und verrät Tricks. Videos kann man sich begleitend zum Buch anschauen, man kann die Lektüre des Buches beginnen, wo man möchte und wie man gerade Zeit hat, das Prinzip des Buches lautet, so Scott Kelby: »Zeig mir, wie man es macht.« Und das geschieht in über 180 Rezepten: Man nehme, man bedenke, man recherchiere, man achte auf, man benötige … die Liste der Zutaten, ob für ein gelungenes Menü oder für ein dann gelungenes Bild sind nicht ohne, dennoch: Dies ist ein Buch, das sich in wunderbar ansprechender Art und verständlicher Weise an Einsteiger*innen wendet.

Kelbys Sprache ist tatsächlich so, als ginge er neben einem, um auf Fotosafari zu begleiten, da wird nicht groß doziert, da wird vorgemacht, gezeigt, klar erklärt, gesagt, warum so und nicht anders. Dieser Mann ist nicht ohne Grund der »weltweit bekannteste Fotografie-Trainer«. Also: rein in die Reisefotografie …

Der Blick ins Inhaltsverzeichnis lässt zunächst auf ein mehrbändiges Werk schließen, so umfangreich und detailliert ist das Buch in Kapitel und Themen aufgegliedert, das wiederum schafft aber eine gute Übersicht, Transparenz und Klarheit. Hier weiß man sofort, wo das steht, was man sucht, bzw. was man lernen möchte. Wo immer man dann beginnt mit Lektüre und Lernen, die Recherche vor einer Reise ist überaus wichtig und sollte unerlässlich sein: Ob über Pinterest, 500px.com, andere soziale Medien, oder auch Google Earth, es sind gute Quellen, Standort und Perspektiven für ein geplantes Foto zu recherchieren. Wohne man in einem Hotel und möchte vom Dach aus einen Schnappschuss machen, vielleicht ein »Foto in der Morgendämmerung«, dann gibt Kelby den dringenden Rat: »Fragen sie nicht – ich wiederhole – fragen sie nicht den Hotelmanager, es ist sehr unwahrscheinlich, dass er sie dort hinauflässt, denn es ist nichts für ihn drin. Wenden sie sich stattdessen an die Concierge, denn die arbeitet für Trinkgeld und wird gerne ihre Wünsche erfüllen.«

Lohnend auch, um ein Reiseziel intensiv zu erkunden: man engagiert einen Fotoguide oder buche einen Fahrer, auf diese Weise lerne man, so der preisgekrönte Autor von mehr als 100 Büchern, Orte und Bauten und Perspektiven kennen, die man ohne diese Insider nie sehen würde. Kelby schreibt mit viel, viel Wissen aber auch charmantem Humor: Die Wahrscheinlichkeit, so mutmaßt er, dass »ihr Fotoguide so aussehen wird, wie der ansehnliche Herr oben im Bild, tendiert gegen null. (Nur zur Information)«.

Viel Systematik vermittelt Kelby, da muss eine Ordnung in allem sein, in der Vorbereitung, der Organisation, der Vorrecherche, der geplanten Tour am Reiseziel. Hat das Schloss, das Museum, der Palast geöffnet, wenn ich Fotos machen will? Finden besondere Veranstaltungen auch wirklich statt, denen ich faszinierende Perspektiven abgewinnen will? Dazu ein besonderer Tipp, wenn sie vor Ort sind: Erst einmal eine Sightseeing-Tour machen, und zwar ohne Fotoapparat, nur mit dem Smartphone eventuell. »Wenn sie ihre normale Kamera mitnehmen, werden sie die ganze Zeit fotografieren, statt tolle Locations zu finden, die sie später mit ihrer richtigen Ausrüstung aufsuchen können.«

Der versierte Autor, der aus der Fotoszene weltweit nicht wegzudenken ist, gibt absolut wertvolle Tipps für fotografische Reiseplanung, das Erkunden vor Ort und schließlich das Fotografieren am Zielort. Es sollen Fotos werden, die eben nicht nur einfache Andenkenbilder sind. Gefragt sind darüber hinaus auch Qualität, Hintergrund, Komposition, ein vielleicht besonderes Licht und: Oft wird intuitiv unser Bedürfnis nach Harmonie wiedergegeben. Ganz ehrlich? Es macht riesigen Spaß, dieses Buch zu erkunden, zu erfahren, zu erleben. Man speichert für die nächste Reise und erfährt manches, was fernab von »technischem Kram« liegt. Wie das: Fotografiere man auf einer Brücke, so Kelby und könnte dabei drei oder vier alte Laternenpfähle aufs Bild bekommen, so werde man sich immer für drei entscheiden. Ebenso sei es mit Schnapsgläsern auf der Theke, man werde nie zwei oder sechs Gläser abbilden, sondern immer drei, fünf oder nur eines. »Objekte in ungeraden Zahlen sprechen uns stärker an, als andere.«

Das Buch: Eine Quelle an Ideen, Tipps, Motiv-Vorschlägen, eine Fundgrube für die Frage, wie und wo teile ich meine Reisefotos, wie bearbeite ich sie, was überhaupt macht ein tolles Reisefoto aus? Was ein tolles »Reisefoto-Rezepte-Buch ausmacht, das weiß ich jetzt.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Scott Kelbys Reisefoto-Rezepte
180 Tipps & Tricks für die schönsten Urlaubsfotos
Heidelberg: dpunkt.verlag 2022
272 Seiten, 26,90 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Aufgedeckte Geheimnisse

Nächster Artikel

Ich bin in der Bouillabaisse geboren

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Desillusionierte Tochter Südafrikas

Menschen | Zum Tod  der Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer Sie hat lange und unerbittlich gegen das Apartheidsregime gekämpft. Umso größer war ihre Enttäuschung über die später  folgende politische Entwicklung Südafrikas. In ihrem letzten Roman ›Keine Zeit wie diese‹ (2012) erzählte die in ihren letzten Lebensjahren völlig desillusionierte Nadine Gordimer von der Vetternwirtschaft der einstigen Helden des ANC – von Korruption, Egoismus und politischer Inkompetenz. Von PETER MOHR

Am Straßenrand der Geschichte

Menschen | Interview: Stefan Aust im Gespräch

Der Journalist und Autor Stefan Aust wurde 1946 in Stade geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er mit seinen Eltern und den vier Geschwistern auf einem kleinen Obsthof in der Nähe der Elbe. Dort erlebte er im Februar 1962 die große Sturmflut, bei der mehrere Kühe ertranken. Seine ersten journalistischen Erfahrungen machte er bei einer Schülerzeitung. 1966 wurde er Redakteur bei der Zeitschrift konkret, wo er die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof kennenlernte. Sein Wissen über die RAF verarbeitete er 1985 in dem Buch Der Baader-Meinhof-Komplex, das 2008 verfilmt wurde. Von 1972 bis 1987 war Stefan Aust für das Fernsehmagazin Panorama tätig. Die Bekanntschaft mit Rudolf Augstein führte dazu, dass er ab 1988 Chefredakteur bei Spiegel TV im Privatfernsehen wurde. Von 1994 bis 2008 leitete er das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Neben dem Reisen ist die Zucht von Pferden seine Leidenschaft. 2021 veröffentlichte Stefan Aust seine Autobiographie Zeitreise. Mit THOMAS COMBRINK spricht er über wesentliche Stationen seines Lebens.

Im Kopf des Henkers

Menschen | Joel F. Harrington: Die Ehre des Scharfrichters Gleich, wie sie heißen, Scharfrichter, Henker, Folterer, in unseren Köpfen entsteht eine bestimmte Vorstellung. Eine düstere Gestalt, das Gesicht oft hinter einer schwarzen Maske versteckt, die im Namen einer unheimlichen Macht eines barbarischen Zeitalters Menschen sinnlos Schreckliches antut. Unsere Vorstellung und die Realität eines Scharfrichterlebens in der frühen Neuzeit aber unterscheiden sich deutlich voneinander. Der US-amerikanische Historiker Joel F. Harrington ist für sein Buch ›Die Ehre des Scharfrichters‹ sozusagen in den Kopf eines Henkers im späten 16. Jahrhundert geschlüpft und kann Überraschendes berichten. Von MAGALI HEISSLER

Mysterien und Maskenbälle

Menschen | Willi Jasper: Carla Mann Carla Mann gehörte zu den wenig bekannten Mitgliedern der großen Künstler- und Schriftstellerfamilie, wenngleich ihr tragisches Leben von den Brüdern Heinrich und Thomas literarisch mehrfach verwertet und vermarktet wurde. Nun legt der Kulturwissenschaftler Willi Jasper eine aufschlussreiche, bemerkenswert recherchierte Biographie vor. Von INGEBORG JAISER