Was der Mond mit uns macht

Sachbuch | Christoph Frühwirth: Der Mond und wir

Mein früherer Friseur erzählte einmal von einem Kunden, der stets zu Jahresbeginn zu ihm kam und alle Haarschneidetermine für das komplette Jahr abmachte. Seine Begründung: er richte sich nach dem Mondkalender. Was man zunächst belächeln mag, das sieht man nach der Lektüre dieses sicher nicht alltäglichen Buches bestimmt anders, meint BARBARA WEGMANN.

Der Vollmond geht über einer bergigen Landschaft aufIm Juli 1969 war es soweit: »Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit.« Die erste Landung von Menschen auf dem Mond. Jenem Himmelskörper, den Verliebte nicht aus den Augen lassen können, den Wölfe anheulen, dem Menschen, je voller und runder er wird die eine oder andere Befindlichkeit zuschreiben. Der Mond, er regiert am Himmel, er wirkt bis in unser Leben hinein, selten bewusst, oft belächelt, meistens gar nicht beachtet. Der einzige »natürliche Satellit« ist er, und präzise wie ein Uhrwerk umrundet er die Erde in 27 Tagen, 7 Stunden und gut 43 Minuten. Über 380 000 Kilometer ist der Mond von der Erde entfernt, und Wissenschaftler haben eine Fülle von Erkenntnissen: Temperatur, Entstehung, seine Laufbahn, die Atmosphäre, Beschaffenheit und Vieles mehr, alles ist längst kein Geheimnis mehr.

Der Wissenschaft aufs Heftigste widersprechen würde Christoph Frühwirth, wenn es heißt, der Mond habe keinerlei nachgewiesene Auswirkungen auf den Menschen, auf »Schlafstörungen, eine Häufung von Verkehrsunfällen zu bestimmten Zeiten, Operationsstörungen oder der Häufung von Geburten« »Schau, dass du ein Gefühl für den Mond bekommst.« Diesen Rat bekam der Autor, der für Film, Magazine oder Theater arbeitet vor Jahren einmal selbst. Viele, viele Gespräche mit Menschen, die über einen beachtlichen Fundus an altem Wissen verfügen, überliefert von Generation zu Generation, haben ihn zu diesem Buch motiviert. Entstanden ist ein ungewöhnliches Buch, über einen Himmelskörper, der immer noch voller Mysterien steckt und ein spannendes Mondjahr mit seinen Mondphasen, beginnend mit dem Neumond, es folgen der zunehmende Mond, der Vollmond, der abnehmende Mond. Tatsachen, die jeder Laie schnell nachvollziehen kann. Spannend wird es bei der Reise des Mondes durch die einzelnen Tierkreise: »Während sich die Sonne etwa einen Monat lang im Sternbild eines Tierkreises aufhält, durchläuft es der Mond bei seiner ca. 28-tägigen Umrundung der Erde in nur zweieinhalb Tagen.«

Diese Beziehung zu den einzelnen Tierkreiszeichen, so gibt Frühwirth das Wissen seiner porträtierten Mond-Experten wider, bewirke beispielsweise, dass alles, was man für das eigene Wohlergehen tue, doppelt gut wirke, wenn der Mond gerade das eigene Tierkreiszeichen durchwandere.« Bereits Hippokrates, so der Autor, habe konstatiert: »Wer Medizin betreibt, ohne den Nutzen der Bewegung der Sterne zu berücksichtigen, der ist ein Narr.« So könne auch der Gang zum Zahnarzt »seinen Schrecken weitgehend verlieren«, wenn man die richtige Zeit wählt. Immer bei abnehmendem Mond, so Frühwirth und dabei den Tierkreiszeichen Widder und Stier aus dem Weg gehen. »Auch die Zahnhygiene hält viel länger vor, wenn bei abnehmendem Mond im Tierkreiszeichen Steinbock vorgenommen.« Und um ein drittes Beispiel zu nennen: wer vor dem 11. oder 12. Vollmond im Jahr den Tannenbaum schlägt, dem werde auffallen, dass der Baum seine Nadeln nicht nennenswert verliert.

Unfug, nein, daran glaube ich nicht, mag sich mancher Leser denken, aber, welche Kraft der Mond hat, das kennen wir aus einem höchst anschaulichen Beispiel, der Ebbe und Flut. Die Gravitation des Mondes lässt grüßen und ist nicht ohne …

Das Mond-Büchlein liest sich gut verständlich, es gibt Rat und Tipps aus Haushalt, Leben, Garten und Landwirtschaft, es schöpft aus alten Weisheiten, die bis in unseren Alltag reichen. Das Wissen unserer Vorfahren, so wird zum Schluss des Buches klar, es ist ein Schatz an Erkenntnissen, selbst wenn es da keine wissenschaftlichen Studien gibt. »Wenn ich meinen Boden gut ernähre,« so wird ein Landwirt zitiert, »nährt mich auch der Boden gut. Es war ein Kreislauf von Geben und Nehmen, dieses bäuerliche Jahr im Rhythmus der Natur. Und es stand ganz im Zeichen von Sonne, Mond und Sternen.« In Vielem wird das alles gerade heute wieder höchst aktuell.

Hübsch aufgemacht, mit großem Poster und Mondkalender für die nächsten sechs Jahre, hat das Buch etwas Gewinnendes, und sei es auch nur, dass es den Anstoß zur Beobachtung in eigenem Leben und Umwelt im Mondjahr gibt.

Übrigens: das Schlafwandeln wird, so die Wissenschaft, nur irrtümlich mit dem Begriff »mondsüchtig« in Verbindung gebracht.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Christoph Frühwirth: Der Mond und wir
Ein Jahr im Rhythmus der Natur
Servus Verlag
22 Euro, 160 Seiten
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

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