Es gibt Grenzen für Beziehungen. Das muss ein jüdischer Junge schmerzhaft erleben, als er sich in ein christliches Mädchen verliebt. Auch im 21. Jahrhundert scheinen manche Welten inkompatibel. Von ANDREA WANNER
Jeduha, von allen Hoodie genannt, wächst mit seinen vielen Schwestern in einer ultraorthodoxen jüdischen Familie auf, geht auf eine jüdische Schule und hat nur jüdische Freunde. Dann lernt er zufällig Anna-Maria, die Tochter der Bürgermeisterin kennen. Das Leben der beiden könnte nicht verschiedener sein und Hoodie ist vom ersten Moment an fasziniert von dem jungen Mädchen.
Er, der keinerlei Erfahrung mit dem anderen Geschlecht hat, interpretiert in ihre kurzen Begegnungen sehr viel hinein – und nicht nur er tut es, sondern die gesamt jüdische Gemeinde. Als er gemeinsam mit Anna-Maria Hakenkreuze von einem jüdischen Grab entfernt, ist es für seine Familie und die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger schlichtweg Verrat. Warum, das will der Junge nicht so recht verstehen, aber die wörtliche Auslegung des Talmud scheint allen anderen recht zu geben.
Die Juden, die in größerer Zahl aus einer anderen Gemeinde dabei sind, umzusiedeln, stoßen in ihrer neuen Umgebung auf wenig Begeisterung, Bürgermeisterin und Gemeinderat legen ihnen viele Steine, gerade auch bei Baugenehmigungen, in den Weg. Hoodie muss erleben, was Verachtung und Ächtung bedeuten. Eigentlich gibt es nur seine ältere Schwester Zippy, die auf ihre unaufgeregte, konstruktive Art zu ihm hält. Und der junge Mann beginnt, über die Dinge nachzudenken.
Isaac Blum bietet in seinem Debütroman authentische Einblicke in den jüdischen Lebensalltag mit seinen unendlich vielen Regeln, Geboten und Verboten. Und er zeigt einen mal eher latenten, dann offenen Judenhass, der in einer langen, ungebrochenen Tradition steht. Flapsig und sarkastisch geht Hoodie mit seiner Situation um, an der er doch zu verzweifeln droht. Blum findet genau den richtigen Ton, lässt den jungen Juden in all die unzähligen Fettnäpfchen bei seiner Annäherung an eine »Schickse« treten. Und bereitet in aller Lockerheit des Tons nicht auf die Katastrophe vor, auf die die Geschichte zusteuert.
Der Roman geht unter die Haut, schildert Extrempositionen, die keineswegs unrealistisch sind, und lädt zum Nachdenken über Religion, Liebe und Zusammenleben ein.
Titelangaben
Isaac Blum: Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
(The Life and Crimes of Hoodie Rosen, 2022)
Aus dem Amerikanischen von Gundula Schiffer
Weinheim: Beltz & Gelberg 2023
224 Seiten, 15 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
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