Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Stimmungsstudie

Aufgeplustert vom Morgenwind
der vertäute Sonnenschirm,
als vergessene Erinnerung
steht er auf der Terrasse
und ruft mit seinem verschossenen
Blau den Sommer wieder herauf.

Schon beim Datum irrt sich der Stift,
schreibt das verflossene Jahr hin
und ist nicht auf der Höhe der Zeit,
die ihr Januargrau zuzieht
als undurchdringlichen Vorhang.

Ein Augenblick der Ermüdung
beim Wahrnehmen der herrschenden
Ereignislosigkeit, des Pelzes,
mit dem sie den Tag überzieht
und in graue Watte verwandelt.

 

Produktionsgeheimnisse

Auf dem Nachttisch das halbe Blatt,
um den Traum gegen Morgen
als Geschenk ans Licht zu ziehn
und genau zu betrachten,
was daran merkwürdig war.

Danach stelle ich die schweren
Gewichte meiner Worte her,
passe sie ein in leichte Verse,
die mir von der Hand gehen,
als seien sie von mir bestellt.

Abends die genaue Prüfung,
was zu leicht befunden wurde
und wieder ausgestrichen wird,
die beständigen Reste
auf die Goldschnur gefädelt.

 

Vom Handwerk

Überall gibt es etwas
zu lernen, vom Wehen des Winds
oder vom Knirschen der Tür,
die dazu passenden Wörter
und ihre Verfeinerungen.

Die Ausdrücke neu anspitzen
wie den verbrauchten Bleistift,
sie deutlicher hinschreiben,
daß ihre Kanten sichtbar sind,
daß sie sich klar unterscheiden.

Dem verwaschenen Vergleich,
seine ursprüngliche Griffigkeit
zurückgeben, sein Leuchten,
auch pflegen die Widerständigkeit
von alten Hieb- und Stichworten

| PETER ENGEL

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Vertreibung

Nächster Artikel

Das Geheimnis am Murmelpfad

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Lyrik und Barbarei

Lyrik | Paul Celan: Gedichte Adorno und Celan zur Lyrik nach dem Holocaust. Von PHILIP J. DINGELDEY

Nullte Stunde

TITEL-Textfeld | Peter Engel: Nullte Stunde Ich atme mit dem Unterarm und schlucke mit den Augen, mit meinen Haaren höre ich,

Konstanten (2)

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer  Wenn die alte Leier tönt mag die Standpauke nicht schweigen

Form folgt Funktion

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer   Das Runde muss ins Eckige wir andern bleiben hier

ohne titel

Lyrik | Şafak Sarıçiçek: ohne titel das papier auf dem diese wörter entstehen, ist ein wenig verschmutzt und ein wenig nass,