Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Kiellegung eines Einfalls

Wenn er noch ganz formlos ist
und gerade erst geschlüpft,
gibt ihm ein tragendes Wort
den Grundstein, auf den setzen sich
weitere als Unterbau und Gerüst.

So arbeitet sich der Einfall
aus dem Ungefähren heraus
und nimmt seine Fassung an,
wird nach und nach deutlicher
und entwirft sich Sprachhaus.

Doch mit der Innenausstattung,
mit Ausblicken und Fernsicht,
ist noch viel zu tun, ehe es
ans Feilen und Verputzen geht,
am Ende der deckende Anstrich.

 

Warten auf den Moment

Sicher ist nur, daß er kommt,
fraglich aber in welcher Weise,
ob ihn etwa der Vorbeiflug
eines Vogels schon ankündigt
oder war es ein falsches Signal?

Die Wahrnehmung ist jedenfalls
geschärft, denn es könnte fast
eine Unscheinbarkeit sein,
die den feinen Riß anzeigt,
aus dem es dann hervorbricht.

Der Rest ist ein Kinderspiel
mit weißem Papier und schwarzem Stift,
sie nehmen das Diktat genau auf,
sein wildes Hervorstrudeln,
das auf dem Blatt gebändigt wird.

 

Klaffende Fehlstelle

Die Welten im Kopf: Wort für Wort
baue ich sie in Versen nach
und richte sie her auf Papier,
wo sie beim Nachzeichnen sofort
verblassen im Umwandlungsprozeß.

Eben noch blühte es so blau
wie eine einzige Blauheit,
aber dann schwanden vorm Auge
die satten Farbtöne dahin
und dünnten sich wässrig aus.

Was präzise und klar ist
in der reinen Vorstellung,
verschwimmt, franst aus beim Übergang
in die Gegenständlichkeit
und wenn der Einfall zum Wort wird.

Dieser Schwund an Genauigkeit,
die Fehlstelle bei der Entsprechung
meines inneren Gesichts
mit seinem Verwortungsversuch,
das pulst in meinen Versen.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Die Realität neu schreiben!

Nächster Artikel

Aufenthalt

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Axel Görlach: Zwei Gedichte

Lyrik | Axel Görlach: Zwei Gedichte das sich auflösen von tragflächen bis nur schweben bleibt das prickelnde diamond-dust-flirren um die stirn einen moment lang ewig wie phylogenese oder das springen des lichts von rot auf grün ein neuer strom haut tanzender genomschablonen im gegenlicht die umrisse abhebender hydranten kristallmutationen nebensonnen über dem glas der kanzel das schließen der augenblende im meer aus halos + flares ihr ausgestreckter arm die boeing in der hand hoch über dem rollstuhl fliegen

Prioritäten (2)

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer  Mach es wie die Sonnenuhr Schlaf dich aus und bleib dann liegen

Das Glück liegt in blauen Kleidern

Lyrik | Sophie Reyer: Fünf Gedichte

dein Geruch schläft
neben mir rahmen
laufende Streifen den
Horizont ein: Sonnenflut die
Gelenke der Erinnerungen
ineinander geschoben sind wir
wieder Kind:

Wirklichkeiten

Schlüsselverse

Lyrik | Peter Engel: Schlüsselverse

Um gut in den Tag zu kommen,
schließe ich ihn auf mit diesem Vers,
öffne seine Möglichkeiten
und schreibe sie auf mein Blatt,
lenke den Gedankenstrudel
in die bereite Zeile.

Außerdienst-Stellung eines Oberhemds

Lyrik | Peter Engel: Außerdienststellung eines Oberhemds

Jahrelang hast du mich ertragen,
während ich deinen schönen Stoff trug,
deine Baumwolle war nachhaltig
und hat mich temperiert,
mit dir fühlte ich mich besser
als mit anderen deiner Art.