Er denke darüber nach, sagte Wette, wie sinnvoll es sei, hinter den Ereignissen dämonische Kräfte zu sehen.
Farb lächelte.
Manche Dinge träten dermaßen verworren auf, ergänzte Wette, daß sich eine logische Erklärung nicht mehr finden lasse.
Ein Beispiel, fragte Farb.
Klimawandel, sagte Wette.
Ein absurdes Durcheinander, sagte Farb und tat sich eine Pflaumenschnitte auf.
Tilman reichte ihm einen Löffel Schlagsahne.
Annika blätterte in ihrem Reisemagazin.
Ursächlich erklärt werde er durch die Aktivitäten des Menschen, sagte Farb, absolut zweifelsfrei.
Exakt, sagte Wette, und zwar durch dessen Habgier, er lachte, sie sei eine der sieben Todsünden, und schon fänden wir uns auf dem weiten Feld religiöser Interdependenzen.
Also doch dämonische Kräfte, sagte Farb und fragte, wie denn damit umzugehen sei, zumal der Mensch mit seinen rationalen Ansätzen offensichtlich scheitere und sich der klimatische Wandel unaufhaltsam ausbreite.
Das sei ein grundsätzlich anderer Zugang, sagte Annika, zwar sei der Mensch derartigen Dämonen weitgehend machtlos ausgeliefert, aber er wisse wenigstens, wer ihm gegenüberstehe.
Tilman rückte näher an den Couchtisch und suchte eine schmerzfreie Sitzhaltung einzunehmen.
Farb aß ein Stück von seiner Pflaumenschnitte.
Und es gelte, den Dämon nicht herauszufordern, auf keinen Fall, ihn nicht aufzuschrecken, sondern sein Territorium zu respektieren, weil er sonst reagieren werde, und genaugenommen, erklärte sie, sei er leicht auszurechnen.
Ob es darauf hinauslaufe, ihn in Ruhe zu lassen, fragte Wette.
So sehe es aus, sagte Tilman.
Aber wie stelle man sich das vor, ihn in Ruhe zu lassen, fragte Wette.
Eine kluge Frage, sagte Tilman, und man könne sich einer Antwort nähern, indem man sich den aktuellen Präsidenten der USA als eine Person vorstelle, die von machtvollen dämonischen Kräften bedrängt werde, und wir beobachten ihn, wenn er in die Enge getrieben sei und irrational, aus dem Bauch heraus reagiere, cholerisch, impulsiv, komplett beratungsresistent, aber wir beobachten auch, daß er sich beruhige, zur Vernunft finde und die eine oder andere Entscheidung revidiere.
Farb lachte. Er habe die Europäer nun bereits eine oder zwei Wochen lang nicht mehr als Schmarotzer bezeichnet.
Er sei diesen Kräften ausgeliefert, und man könne sie mit Fug und Recht dämonisch nennen, er sei unfähig, sie zu kontrollieren, und wer es genauer wissen wolle, werde über kurz oder lang darauf kommen, daß es der Geist des Mammon, eben die bereits genannte Habgier sei, die ihn in ihren spitzen Klauen halte.
Wette griff zu einem Marmorkeks.
Farb schenkte Tee nach, Yin Zhen.
Der Präsident, wandte er ein, habe jedoch hier und da auch lichte Momente.
Gelegentlich, sagte Tilman, man dürfe das nicht überbewerten, und zwar wenn Personen, denen er vertraue, sich abzuwenden drohen, oder wenn sich ein herber Verlust oder ein Rückschlag ankündige, der sein Selbstwertgefühl zu erschüttern drohe, so übermächtig, daß selbst die dämonischen Energien zurückgedrängt würden.
Er könne dem folgen, sagte Farb, das Geschehen auf dämonische Energie zurückzuführen, sei stimmig, nur bleibe offen, was man unternehmen könne, um diese Energie beizeiten abzuwenden.
Dieser Tage habe ihn die italienische Ministerpräsidentin aufgesucht, sagte Tilman, und hier hatte offenbar positive Energie eine unerwartet starke ausgleichende Wirkung, in ihrer Gegenwart habe er Abstand gewinnen und sogar seinen politisch krassen Standpunkt zur Europäischen Union zügeln können.
Auch Wette schien überzeugt, in einer solchen Situation liege, sagte er, eine Möglichkeit, dämonische Kräfte gar nicht erst aufkommen zu lassen, erforderlich seien Distanz und Ruhe, man dürfe diese Energien auf keinen Fall aufstacheln oder auch nur herausfordern, oft gerate viel heiße Luft ins Spiel, und man könne gut und gerne warten, bis die Luft sich abgekühlt und gereinigt habe.
Annika legte ihr Reisemagazin beiseite.
Farb nahm ein Stück von der Pflaumenschnitte.
| WOLF SENFF