Ein wenig desillusioniert klangen mit den Jahren die Worte von Doris Gercke, der Schöpferin der TV-Figur Bella Block: »Ich fürchte, ich habe mir mal eingebildet, als ich angefangen habe zu schreiben, dass man damit etwas verändern könnte, dass es sozusagen eine aufklärerische Funktion haben könnte. Ich glaube das eigentlich nicht mehr.« Von PETER MOHR
Erst spät hat die zuletzt in Hamburg lebende Schriftstellerin den Weg zur Literatur gefunden: »Ich hab‘ mal gelesen, dass Chandler mit vierzig seinen ersten Kriminalroman geschrieben hat. Das hat mir Mut gemacht.«
Kein Wunder also, dass ihre Protagonistin Bella Block auch in kein Schubladenklischee passte. Die Roman- und TV-Figur ist eine Frau mit Ecken und Kanten, die sich mit List und Tücke den Weg durch den kriminalistischen Dschungel der Männerwelt bahnt. Hannelore Hoger als TV-Verkörperung ihrer Bella Block fand Doris Gercke »beeindruckend«, wenngleich sie einräumte, dass die Heldin in ihrer Fantasie und auch in der Umsetzung in den Romanvorlagen ganz anders aussah. In jedem Fall wollte sie eine Figur schaffen, die sich »fernab von Jugendwahn und Schönheitsidealen« bewegt.
Doris Gercke, die am 7. Februar 1937 in Greifswald als Kind einer Arbeiterfamilie geboren wurde, gab 1959 nach der Geburt ihrer zweiten Tochter den Job als Sachbearbeiterin auf und widmete sich ganz ihrer Familie. Zwanzig Jahre später holte sie – inzwischen Großmutter – das Abitur nach und begann Jura zu studieren. So lernte sie professionell mit Kriminalfällen umzugehen, und 1988 erschien dann im kleinen Hamburger Verlag am Galgenberg der erste Bella-Block-Roman »Weinschröter, du musst hängen«, der auf Anhieb zu einem Verkaufserfolg wurde. Damals nach ihrem Erfolgsrezept befragt, wusste Doris Gercke keine plausible Antwort. »Ich beschreibe nur, was ich sehe«, lautete die lapidare Auskunft.
Der große Durchbruch der Bella-Block-Krimis folgte nach der ersten Verfilmung. Regisseur Max Färberböck hatte für das ZDF 1993 nach Motiven von Doris Gerckes Erstling ›Weinschröter, du musst hängen‹ den 100-Minuten-Film ›Bella Block, die Kommissarin‹ gedreht.
»Ein guter Krimi muss Wirklichkeit einfangen. Ich mag diese konstruierten, unrealistischen Geschichten nicht, die mit witziger Sprache aufgepeppt werden«, bekannte die Erfolgsautorin. Deshalb standen exakte Milieustudien auf Doris Gerckes Prioritätenliste ganz oben. Für ihren Bella-Block-Roman ›Dschingis Khans Tochter‹ (1996) reiste sie zur Recherche eigens bis nach Odessa.
Neben den Bella-Block-Krimis hat Gercke drei weitere Romane, zwei Kinderkrimis, den Lyrikband ›Eisnester‹ (1996) und fünf Kriminalhörspiele geschrieben. Doris Gercke, die von der Kriminalschriftstellervereinigung ›Das Syndikat‹ im Jahr 2000 für ihr Gesamtwerk mit dem ›Ehrenglauser‹ ausgezeichnet wurde, hatte mit zunehmendem Alter den sozialkritischen Eifer ihrer Anfangsjahre abgelegt: »Inzwischen schreibe ich eher für mich selbst. Und wenn es dann die Leute interessiert, was ich fabriziert habe, dann ist das natürlich wunderbar«, hatte Gercke zu ihrem 75. Geburtstag erklärt. Der Erfolg hat der »spätberufenen« Doris Gercke, die am 25. Juli in Hamburg im Alter von 88 Jahren gestorben, sprach für sich.
| PETER MOHR
| Abbildung: Sven Teschke creator QS:P170,Q58237739, DE Gercke Doris 2007-10-05 by Steschke, CC BY-SA 3.0