Es ist ein wunderschönes Buch, nicht nur von außen, rundum, nein, auch sein Inhalt, geschrieben über oder aus Sicht eines Mannes, der eigentlich immer im Hintergrund stand, der wenig bekannt ist, dem nie große Beachtung zuteilwurde: Hannes aus Aachen. Und seine unglaubliche Seefahrt-Geschichte beginnt vor 500 Jahren. BARBARA WEGMANN hat das Buch gelesen.
Man schreibt das Jahr 1519. Fünf mächtige Segelschiffe starten zu einer Fahrt ins Ungewisse vom spanischen Sanlúcar aus im Auftrag der Spanischen Krone. Es ist die Zeit der großen Entdeckungsreisen. Nun ist es Ferdinand Magellan mit großer Crew, und zu dieser Crew gehört auch der Kanonier Hannes aus Aachen. Eine Westroute zu den Gewürzinseln wollte man finden, das waren Auftrag und Mission. Hannes aus Aachen ist auf dem Dreimaster Victoria eingeteilt, es wird das einzige Schiff sein, das 3 Jahre später von den Philippinen über das Kap der Guten Hoffnung zurückkehren wird.
Raoul Schrott lässt Hannes selbst diese abenteuerliche Geschichte erzählen und nach anfänglichen Schwierigkeiten, denn die Sprache ist die nachempfundene Sprache damaliger Zeiten, vertieft man sich gern in die Abenteuer jener Seemänner, die letztlich den Beweis für die Kugelform der Erde erbrachten. Und die Reise war alles andere als angenehm: »Die Winde prallten auf uns, sie stießen von überall herab, johlten und heulten: sie wehten und bliesen nicht mehr-, sondern brachen über uns herein, dass wir gegen sie kaum noch aufzukreuzen vermochten…«
Es ist schon eine aufregende Mischung aus Tatsachen und Fiktion. Viel mehr als den Namen des jungen Hannes aus Aachen und dass er auf der Victoria fuhr, wieder zurückkam, dann erneut anheuerte und sogar ein drittes Mal, mehr als diese Fakten sind nicht bekannt. Nirgendwo fand Raoul Schrott Informationen über ihn, sein Leben blieb im Dunklen. Raoul Schrott hat es lebendig und schillernd auferstehen lassen. 304 Seiten, die in ein liebevoll gestaltetes Buch eingebunden und grob geschnitten sind, schaffen den Eindruck, als handele es sich um ein altes Logbuch.
Mal sind es drastische Beschreibungen, mal fast philosophische Betrachtungen, stille Beobachtungen. »Was ich über das magenwürgende Auf und Ab des Meeres hinaus lernen musste, war die Langeweile, die immer länger und länger weilte, je näher der Äquator kam.« Wettspiele werden großgeschrieben an Bord, »was dazu führte, dass gar viele schon da alles verloren, was sie bei ihrer Rückkehr an Reichtümern heimzuschaffen gedachten- so sie denn zurückgekehrt wären.«
Ursprünglich hatte Schrott eine Fotoreportage geplant über Magellans Weltumseglung, der Fotograf hatte ihn versetzt, und so hatte der österreichische Literaturwissenschaftler und Schriftsteller einen neuen Plan. »Gelungen!«, Kann man da nur sagen. Genauso hätte es sein können, genauso war es vermutlich den Seefahrern zumute, in Stürmen, Unwettern, in Gefahren und Todesängsten, bei Hunger und Krankheiten an Bord, Gewalt und Meuterei.
Anschaulich und spanend wird die Szenerie beschrieben, lässt Erzählfreude erahnen, welche Antriebskräfte damals neben Wind und Wellen nötig waren, sich auf ein solches Unternehmen einzulassen. Nur weil man der Ansicht war, »dass sich »jenseits des Meeres eine Neue Welt befinden soll, welche Rettung vor dem drohenden Untergang der Alten verheißt…«
Man muss sich etwas Zeit nehmen für das Buch, aber es lohnt sich, schließlich geht man ja auch auf eine Reise, die ein halbes Jahrtausend zurückliegt. »Das Leben ist nun einmal wie Rauch in den Winden: es vergeht, indem es verweht.«
Titelangaben
Raoul Schrott: Eine Geschichte des Windes
Oder von dem Deutschen Kanonier, der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal
München: Hanser Verlag 2019
324 Seiten, 26,00 Euro
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