/

Streitbarer Kämpfer

Menschen | Zum 100. Geburtstag des Erfolgsautors, Malers und Kunstsammlers Lothar-Günther Buchheim am 6. Februar

»Er ist streitbar und kämpferisch, naiv und gerissen, sensibel und verletzlich. Er ist widerborstig und zärtlich, mutig und scheu. Er hasst Schmeicheleien und ist doch voller Sehnsucht nach Liebe.« So charakterisierte Günter Rohrbach, Produzent der ›Boot‹-Verfilmung, in den 1980er Jahren in einer Rede den Erfolgsautor und Kunstsammler Lothar-Günther Buchheim. Er war Bestsellerautor, Maler und einer der profiliertesten Kunstsammler. Von PETER MOHR

Buchheim, der am 6. Februar 1918 in Weimar geboren wurde und mehr als 50 Jahre am Starnberger See lebte, hat sich in seiner Jugend, die er in Chemnitz verbrachte, als Maler und Schwergewichtsringer versucht. Aus dieser Zeit resultiert vermutlich sein großes Kämpferherz, sein unbändiger Ehrgeiz und wohl auch seine ausgeprägte Streitlust.

Er habe »nie einen Bestseller im Sinn gehabt«, warf Buchheim seinen Kritikern in einem Interview anlässlich seines 70. Geburtstages vor: »Rezensenten haben keine Ahnung, wie ein Buch entsteht. Am ›Boot‹ habe ich dreißig Jahre gearbeitet. Die denken, der Buchheim hält nur die Nase in den Wind, schnuppert und bums – es ist genau der Bestseller, den er ins Visier gefaßt hat.«

Doch eine »gute Nase« (ob gewollt oder ungewollt sei dahingestellt) hat Buchheim schon häufig bewiesen. Sein 1975 erschienener und überaus erfolgreich verfilmter Roman ›Das Boot‹ bringt es auf eine Auflage von über drei Millionen Exemplaren und ist in 16 Sprachen übersetzt worden.

Und es war gewiss kein Zufall, dass der zweite monumentale Erinnerungsroman (›Die Festung‹) über die Kriegserlebnisse des einstigen Leutnants Buchheim ausgerechnet zum 50. Jahrestag des Kriegsendes im Frühjahr 1995 auf den Markt kam. Der Duisburger Literaturprofessor und Schriftsteller Gerhard Köpf sprach Buchheim jegliche literarische Qualität ab: »Was nun die literarische Qualität beispielsweise der ›Festung‹ angeht, so erreicht die nach meiner Einschätzung nicht einmal das Niveau eines Landserheftchens.«

Nicht nur mit seinen Büchern bewies Lothar-Günther Buchheim, der seit 1992 Ehrenbürger von Chemnitz ist, einen ausgeprägten »Markt«-Instinkt. Der Autor, Maler, Filmemacher und Verleger gehörte zu den renommiertesten Kunstsammlern Deutschlands. Der Wert der Buchheimschen Sammlung, die vor allem Werke bedeutender deutscher Expressionisten wie Ernst-Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Otto Müller, Karl Schmidt-Rottluff und Otto Dix umfasst, wurde zu Lebezeiten auf rund 80 Millionen Euro taxiert.

Auch um diese Sammlung hat reichlich Ärger gegeben. Zunächst sollte sie Mitte der 1980er Jahre an das Duisburger Lehmbruck-Museum übergeben werden, doch dann überwarf sich Buchheim mit den Stadtvätern. Stein des Anstoßes: Dem Sammler mißfiel die Architektur des von Manfred Lehmbruck entworfenen und über zehn Millionen Mark teuren Museumsanbaus.

Vergeblich versuchte Buchheim, in seiner Heimatgemeinde Feldafing »sein« Expressionismus-Museum aufzubauen. Die bayrische Landesregierung hatte bereits 50 Millionen Mark Bauzuschuss bewilligt, doch es folgte ein »bayrisches Possenspiel«, in dem Buchheim und die zuständigen Lokalpolitiker einander gegenseitig kräftige »verbale Watschn« verpassten. »Man kann mit Brunnenfröschen nicht über den Ozean reden«, geißelte der sächsisch-bayrische Dickkopf in seiner unnachahmlich direkten Art die Engstirnigkeit der Feldafinger Gemeinderäte.

Nach heftigen und langwierigen Kontroversen wurde Buchheims ›Museum der Phantasie‹ 2001 im Nachbarort Bernried am Starnberger See eröffnet und der Nachwelt damit eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen erhalten. Im letzten Herbst wurde – nach jahrelangen Streitigkeiten – die Villa, in der Buchheim ein halbes Jahrhundert mit seiner Frau Ditti gewohnt hatte, dem Erdboden gleich gemacht. »Eine Barbarei wider die Kultur« hatte die Enkelin des Malers Otto Dix, Bettina Dix-Pfefferkorn, die Entscheidung damals genannt.

Noch immer sorgt der Name Buchheim für Aufsehen und kontroverse Diskussionen. Am 22. Februar 2007 ist Lothar-Günther Buchheim in München im Alter von 89 Jahren an einem Herzleiden gestorben.

| PETER MOHR

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Gedanken-Spiele

Nächster Artikel

Vergessene Heldinnen

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Moralische Instanzg

Menschen | Zum Tod des Schriftstellers György Konrád »Für viele ist er eine moralische Instanz geworden, ein außergewöhnlicher Mensch, dessen warmherziges, mitfühlendes Wesen und dessen Menschlichkeit sich spontan mitteilen. Die Literatur ist für ihn ein Medium, um Völker und Zivilisationen einander näherzubringen«, hieß es 2001 über den ungarischen Schriftsteller György Konrád in der Laudatio zur Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen. Von PETER MOHR

Heimat wehrt sich in uns

Menschen | Zum 90. Geburtstag des Regisseurs Edgar Reitz

Der bekannte Filmregisseur Edgar Reitz ist fremdgegangen und hat pünktlich zu seinem 90. Geburtstag einen opulenten Band mit Lebenserinnerungen veröffentlicht. Selbstverständlich spielt in diesem Buch auch seine Arbeit als hochgelobter Filmregisseur eine zentrale Rolle. Von PETER MOHR

Einsam, ruhelos und getrieben

Menschen | ›Georg‹: Zum 70. Geburtstag von Barbara Honigmann »Ein sechzigjähriger Mann in einem möblierten Zimmer!« Dieser Satz auf der dritten Seite des neuen Buches von Barbara Honigmann schrillt wie ein Aufschrei durch den Handlungsbeginn. Es klingt nach Verzweiflung, nach Mitleid und Klage aus der Feder, der seit vielen Jahren in Straßburg lebenden Autorin, die am 12. Februar ihren 70. Geburtstag feiert. Von PETER MOHR

Ein ganz persönliches Bernhard-Requiem

Menschen | Thomas Bernhard

An dem Tag, als Thomas Bernhard in seiner Gmundener Wohnung starb, am 12. Februar 1989 also, begann Österreich offensichtlich, ihn zu lieben. Von MIKE MARKART

»Bin ein tieftrauriger Mensch«

Menschen | Vor 150 Jahren wurde die Dichterin Else Lasker-Schüler geboren »Ich bin keine Zionistin, keine Jüdin, keine Christin, ich glaube aber ein Mensch, ein sehr tieftrauriger Mensch«, schrieb die Dichterin Else Lasker-Schüler 1940 in einem Brief an den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Dieser Zwiespalt durchzieht sowohl die Vita als auch das literarische Werk wie ein roter Faden. Ein Porträt von PETER MOHR