Was tun, wenn etwas ganz Schlimmes, unvorstellbar Schreckliches geschieht? Juri ist total am Ende, als ausgerechnet er das gigantische Brachiosaurus-Skelett im Museum zerstört. Und jetzt? Es gibt immer eine Lösung, freut sich ANDREA WANNER.
Juri liebt – wie so viele Kinder – Dinosaurier. Die Vorfreude ist ihm, obwohl auf dem ersten Bild nur winzig in Begleitung des Vaters zu sehen – spürbar anzumerken. Da stehen sie und vor ihnen das Museum, ein klassizistischer Bau, dessen hell erleuchtete Fenster nach innen locken. Dort sind sie ausgestellt, die Urzeitgiganten und das, was von ihnen übrig geblieben ist. Nur der Text warnt schon mal: »Es heißt ja, richtig große Katastrophen passieren völlig unerwartet.« Auf was müssen wir uns da gefasst machen?
Der Auslöser des Unglücks ist ein kleiner Wellensittich, der dem Garderobier gehört und seinen abendlichen Rundflug dreht. Eigentlich nichts Schlimmer, aber Juri hat eine Vogelphobie. Und als ausgerechnet im großen Ausstellungssaal, wo das Herzstück des Museums, das riesige Dinoskelett präsentiert wird, der Vogel in seine Richtung flattert, passiert es. Juri stolpert, Knochenteile fliegen durch die Gegend und dann liegt da nur noch ein großer Haufen Gebeine. Klar, alle, aber auch wirklich alle schauen den Übeltäter an. Nicht den Wellensittich, sondern Juri. Der ist einfach fertig mit der Welt.
Nach diesen dramatischen Ereignissen gibt es nur ein: Erst mal Luft holen und atmen. Genau zweihundertdreiundachzig mal. Und sich dann daran erinnern, dass keine Lage ausweglos ist und um Hilfe bitten. Was der oder die einzelne allein nie schaffen könnte, gelingt gemeinsam. Zum Beispiel ein zerstörtes Dinoskelett wieder zusammenzubauen – auch wenn das Ergebnis, dass es auf einer ausklappbaren Doppelseite im Riesenformat zu bewundern gibt, ein bisschen anders aussieht.
Hanna Brückner, die bereits das wunderbare Buch ›Ich wäre gern ein Baum‹ illustriert hat, zeigt, was alles möglich ist. Die Ruhe des Anfangs, wenn Vater und Sohn noch vor dem Gebäude stehen, wechselt schnell zum munteren Treiben im Inneren des Museums und steigert die Dynamik beim Fall von Juri und den furchtbaren Folgen. Danach kommt alles zum Stehen. Die Besucher*innen starren reglos mit offenem Mund, die Knochen bilden einen riesigen Berg, davor sitzt der unglückliche Übeltäter, niedergeschlagen und ratlos. Es folgt das Durchatmen und wie von Zauberhand haben sich die Knochen in rechteckige Fächer ordentlich sortiert. Nachdenken, Gedanken ordnen: Das braucht jetzt auch Juri. Und dann kommt wieder Bewegung in die Bilder, wenn alle zusammenhelfen und Teil an Teil wieder aneinanderbauen.
Wunderbar zu sehen ist auch die Vielfalt der Museumsbesucher*innen und Helfer*innen: Jung und Alt, mit unterschiedlichen Hautfarben, im Rollstuhl oder mobil: Alle legen Hand an. Nur wenn alle sich beteiligen, kriegt man so was in den Griff. Vielleicht kann man sich das für alle Fälle merken.
Titelangaben
Hannah Brückner: Kolossale Katastrophe
Zürich: NordSüd 2025
40 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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