Comic | L. Trondheim, S. Oiry: Maggy Garrisson 1: Lach doch mal, Maggy!
Tausendsassa Lewis Trondheim (Donjon, Herr Hase) überrascht als Autor einer recht handfesten Krimiserie um die burschikose Ermittlerin Maggy Garrisson. Doch natürlich entpuppt sich auch dieses von Stéphane Oiry gezeichnete Werk in gewissem Sinne als echter Trondheim. BORIS KUNZ ist ihm auf die Schliche gekommen.
An eindrucksvollen Frauenfiguren ist die Comicgeschichte nicht unbedingt arm – an solchen wie Maggy Garrisson leider schon. Maggy wirkt wie jemand, den man aus dem eigenen Alltag kennt, wie die Nachbarin aus dem Treppenhaus oder die eigene Tante. Sie lebt im Londoner East End, ist schätzungsweise um die 40, raucht, trinkt, ist alleinstehend, auf der Suche nach einem Kerl – und auch mit ihren leichten Speckröllchen keineswegs ein Mauerblümchen. Schließlich macht sie das mit ihrer flotten Schnauze, ihrem trockenen Humor und ihrer Cleverness leicht wieder wett. Ihre beeindruckendste Eigenschaft aber ist sicherlich die, sich auch in absurden und brenzligen Situationen nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen. So macht sie als Detektiv schließlich doch noch eine ganz gute Figur – obwohl das kein Job ist, um den sie sich irgendwie gerissen hat. Im Gegenteil.
Maggie war eigentlich nur froh, endlich wieder einen Job zu haben, auch wenn es der als Aushilfssekretärin für einen miesen Hinterzimmer-Privatdetektiv war. Dass dieser kaum etwas für sie zu tun hat, bringt Maggy nun also ebenso wenig aus der oben erwähnten Ruhe, wie die Tatsache, dass ihr Boss einige Tage später schwer verprügelt ins Krankenhaus eingeliefert wird. Als Maggy sich nun allein um seine Angelegenheiten kümmert, beginnt sie schließlich, die Dinge auf ihre ganz eigene Art anzufassen – und sich dabei mit ein paar cleveren Schachzügen auch gleich das magere Gehalt um ein paar ordentliche Trinkgelder aufzubessern. Offenbar hatte ihr Chef selbst auch ein paar komische Geschichten mit ein paar gefährlichen Gestalten am Laufen – und als diese an Maggys Tür klopfen, staunt man über die unkonventionellen Methoden, mit denen Maggy es immer wieder schafft, die Dinge für sich zu entscheiden.
Sieht aus wie ein Klassiker …
Trondheim gelingt es als Szenarist dieser Krimireihe, zwei Ermittlertypen miteinander zu fusionieren, die im Krimi eine lange Tradition haben. Zum einen verankert er Figuren und Situationen in einem sehr bodenständigen Realismus: Die »Fälle«, mit denen Maggy es zu tun bekommt, sind ebenso banal alltäglich, wie die Figur selbst. Hier begegnen einem keine überzeichneten Mafiamobs oder teuflisch geniale Masterminds des Verbrechens, sondern arme Würstchen von der Straße, die härter und schlauer tun, als sie es eigentlich sind.
Den wesentlichen Beitrag zu diesem Realismus liefern die Zeichnungen von Stéphane Oiry. Sie erinnern nur noch in Anklängen an den krakeligen Expressionismus moderner französischer Comics rund um Trondheim, Sfar oder Blain, sondern gehen wieder einen Schritt in Richtung Ligne Claire zurück. Das fängt an bei der liebevollen Ausstattung von Maggys Wohnung, über die Pubs und detailreichen Straßenszenen bis hin zu den Klamotten: Oiry ist ein guter Beobachter, der sich die Welt, die er zeichnet, vorher sehr genau angesehen hat. Was heißt, dass auch eine stimmungsvolle Farbgebung zum Repertoire gehört. Während Oirys Zeichnungen die Lebensrealität von Maggy also wunderbar lebendig werden lassen, rufen sie gleichzeitig nostalgische Erinnerungen an Klassiker wie Jeff Jordan oder Jackie Kottwitz wach.
… und hätte auch das Zeug dazu
Doch angestaubt oder altmodisch ist die Serie dabei keineswegs. Stattdessen entpuppt sich ›Maggy Garrisson‹ als moderner neo-noir Krimi. Das ist die zweite Genre-Tradition, der Trondheim hier folgt, und die es ihm erlaubt, sein Faible für schräge Situationskomik und lakonischen Humor auszuspielen. Wie klassische »hard boiled« – Detektive der 40er Jahre ist auch Maggy ganz und gar nicht von einem unbändigen Wahrheits- oder Gerechtigkeitsdrang angetrieben, sondern versucht auch nur, die Situationen, in die sie gerät, irgendwie zu ihren eigenen Gunsten zu drehen. Was auch schon mal heißt, dass es zielführender sein kann, mit einem Kleinganoven ein Bier zu kippen, statt ihn gleich der Polizei auszuliefern. Die Aufklärung eines Verbrechens ist zweitrangig, viel spannender ist doch die Frage wer die nächste Kneipentour bezahlt und ob dabei endlich mal ein vernünftiges Mannsbild hängenbleibt …
Das macht Maggy zu einer ebenso ambivalenten wie auch sympathischen und modernen Hauptfigur. Sie ist es auch, die den Leser durch eine eher situativ angelegte Geschichte führt, die immer wieder unvorhersehbare Wendungen nimmt, ohne dabei ihre Glaubwürdigkeit zu strapazieren. Trotzdem bleiben am Ende keine Rätsel ungelöst. Außer vielleicht, warum es so einen Comic nicht schon viel früher gegeben hat.
| BORIS KUNZ‚
Titelangaben
Lewis Trondheim (Text), Stéphane Oiry (Zeichnungen): Maggy Garrisson 1: Lach doch mal, Maggy!
(Fais un surire, Maggy)
Aus dem Französischen von Resel Rebiersch
Hamburg: Schreiber & Leser 2017
48 Seiten, 14,95 €
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