Gerade noch mal gut gegangen! Beinahe wäre der kleine Bruder von David Case aus dem Fenster gestürzt. Aber es ist nichts passiert. Statt durchzuatmen und sich darüber zu freuen, packt David die Panik. Das Schicksal, davon ist er überzeugt, hat es auf ihn abgesehen. Von ANDREA WANNER
Nach der Beinahe-Katastrophe überfällt den 15jährigen eine Form von extremem Verfolgungswahn und er bringt es für sich auf einen einfachen Nenner: Er ist verdammt. Seine einzige Chance besteht darin, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Er wird sich verkleiden, verändern, verwandeln.
Aus David wird Justin. (Nebenbei bemerkt ein wundervolles Wortspiel – Justin Case – Just-in-case – Für-alle-Fälle …) Er meidet die Gesellschaft anderer und legt sich als Begleiter einen unsichtbaren Windhund zu. Das alles, hofft er, lenkt das Unheil von ihm ab, führt das Schicksal an der Nase herum.
Vielleicht könnte man es als Spinnerei abtun. David – oder Justin – ist einfach verrückt. Aber es gibt in dem Buch noch eine andere Stimme als die des Erzählers, der uns Justins Schicksal nahe bringt. Man erkennt sie an fett gedruckten Abschnitten, kurzen Einschüben und Kommentaren.
Eine Stimme, die keiner Person zuzuordnen ist, von sich selbst aber als »ICH« spricht und sich schließlich vorstellt: »Ich heiße Kismet. Türkisch, vom Persischen qismat, vom Arabischen quisma, Los; von qasama, aufteilen, zuteilen. Syn.: Zufall, Geschick, Bestimmung, Glück. Schicksal.«
Kann es sein, dass David tatsächlich Recht hat und das Schicksal seinen Untergang beschlossen hat? Die Zufälle und Unfälle häufen sich. David entkommt mit knapper Not. Wer spielt mit ihm? Und warum? Die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verwischen, das Abenteuer hat längst begonnen.
David verliebt sich, läuft davon, misstraut allem und jedem und gerät Seite um Seite in eine immer tiefer werdende Krise. Sollte es ihm am Ende so ergehen wie jenem Jüngling aus Asfahan, der bei der Flucht vor dem Tod diesem geradewegs in die Arme läuft? Oder gibt es ihn doch, den Ausweg aus der auswegslosen Situation?
Titelangaben
Meg Rosoff: Was wäre wenn
Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit
Hamburg: Carlsen
256 Seiten, 14 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren