Comics | M.Mignola, D.Fegredo, R.Corben: Hellboy 11
Im elften Band der ›Hellboy‹-Reihe mit dem Titel ›Der Krumme‹ stellen Mike Mignola und eine ganze Horde Zeichner die Mythen des Westens vor und legen eine Sammlung von Kurzgeschichten oben drauf. PETER KLEMENT ist mit dem roten Dämon in die Berge Virginias gereits und hat die Grenzen der Zivilisation ausgelotet.
1872 hat der Maler John Gast dem Manifest Destiny ein Gemälde mit dem Titel «Der Fortschritt Amerikas» gewidmet. In diesem Gemälde schreitet eine – wie immer leicht bekleidete – allegorische Dame mit einem Telegrafendraht in der einen und einem Schulbuch in der anderen Hand durch die Wildnis Amerikas, in die sie das Licht der Zivilisation trägt.
Doch Licht ist keine binäre Angelegenheit, wo Licht ist, ist zwar auch Schatten – doch dazwischen ist eine Grauzone. Hellboy trifft auf seinen Weg durch die Appalachen Tommie, einen Herumtreiber, der vor Jahren einen Pakt mit dem dämonischen Krummen geschlossen hat und das nun bitter bereut. An der Frontlinie zwischen Licht und Schatten kämpfen die beiden gegen Hexen, den Krummen und das ungezähmte Land, in dem es keine Telefone gibt und in dem das Licht der Zivilisation nur trübe aus einer Petroleumlampe funzelt.
Intermezzo
Der elfte Band ist eines von Mignolas berühmt-berüchtigten Zwischenspielen, in denen er Geschichten präsentiert, die mit dem Hauptplot wenig, gar nichts oder noch nichts zu tun haben – man kann das Mignola nie so genau wissen. Die titelgebende Geschichte «Der Krumme» nimmt knapp die Hälfte des Bandes ein, die restlichen Seiten teilen sich fünf andere Geschichten über Piraten, Löcher im Boden und versehentlichen familiären Kannibalismus.
Vier verschiedene Zeichner, exklusive Mignola und ein Kolorist (Dave Stewart) machen den Band künstlerisch extrem abwechslungsreich, da neben anerkannten Größen, wie Richard Corben (›Punisher: The End‹), auch weniger bekannte Zeichner, wie Jason Shawn Alexander zum Zug kommen. Die anderen beiden sind die Schwergewichte Guy Davis und Duncan Fegredo, mit denen Mignola schon zuvor zusammengearbeitet hat.
Genauso divers wie die Stile der Künstler sind die erzählten Geschichten: ›Der Krumme‹ ist aktualisierte amerikanische Folklore, mit lovecraftschen Untertönen. ›Die in Schiffen übers Meer fahren‹ ist eine schön erzählte Geistergeschichte, in der Blackbeard seinen Kopf sucht. In ›Die Kapelle von Moloch‹ nutzt Mignola die Gelegenheit, mit seinem Recherchefleiß anzugeben und so dem/der LeserIn Material für die nächste Cocktailparty der okkulten Art an die Hand zu geben.
Schließlich ist es immer gut zu wissen, dass Bischof Zrinyi 1752 in Rumänien gegen die Karpatenziege kämpfte. ›Das Mal‹ ist ein kleiner Ausflug in die Sphären dies Mindfucks oder der Beat Generation, je nachdem wie man es hält. ›Wie Koschej unsterblich wurde‹ und ›Baba Jagas Festmahl‹ sind Adaptionen russischer Märchen, denen Mignola und der jeweilige Zeichner seine eigene Note gibt.
A man called Manly Wade Wellman
Neben den verschiedenen Geschichten, die alle – wie immer – gut erzählt und gezeichnet sind, hat der Band noch einen lesenswerten Aufsatz über ein Urgestein der amerikanischen Pulp-Ära zu bieten. Wellman ist einer der Autoren, die in der goldenen Ära von Pulp und Science-Fiction für Magazine wie ›Wonder Stories‹ oder ›Weird Tales‹ Geschichten über Marsmenschen, Dämonen und Helden schrieben. Zu Beginn seiner Karriere standen eher klassische Weltraumopern auf dem Programm, von denen er sich bald verabschiedete, um sich dem Okkulten zuzuwenden.
Als Inspirationsquelle dienten ihm dabei amerikanische Mythen, die er mit seinen Figuren bevölkert. Im Gegensatz zu anderen Autoren lagen ihm die Geschichten aus den Appalachen am Herzen und so findet sich in seinen Erzählungen nicht das übliche Vorurteil des ungehobelten Hinterwäldlers oder der unzivilisierten Rothaut. Seine Figuren verfügen über Wissen aus Jahrhunderten alten Bräuchen, die sie in dem unheimlichen, weil unzivilisierten Land überleben lassen. Wenn man den Artikel liest, bekommt man zum einen Lust, eine Geschichte von Mr.Wellman zur Hand zu nehmen und zum anderen gewinnt man einen kleinen Einblick in Mignola’s Quellen.
Once upon a time in the west
Der Krumme ist wieder ein gelungener Wurf von Mignola, in dem er den amerikanischen Kontinent ins Rampenlicht rückt, was für europäische Leser mit Sicherheit interessantes Neuland ist. Als einzige Nörgelei bleibt anzumerken, dass es überhaupt keinen Spaß macht nach einem fiesen Cliffhanger im vorherigen Band einen Sammelband aufzuschlagen, in dem Mignola – mal wieder – abseits des Hauptplots in den Gebirgen von Virginia durch die Gegen mäandert. Ehrlich jetzt, get on with it!
Titelangaben
Mike Mignola, Duncan Fegredo, Richard Corben: Hellboy 11 – Der Krumme
Ludwigsburg: Cross Cult 2010
192 Seiten, 22 Euro
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