»Du hast mich enttäuscht, mein Sohn!«

Digitales | Games: Größte Enttäuschung und Digitale Spiele

Wieder einmal steckten die ›TITEL‹-Jungs und -Mädels die Köpfe zusammen und überlegten gemeinsam, was für sie die größten Enttäuschungen im Bereich der digitalen Spiele in den letzten Jahren waren. Einmal angefangen kommt da einem so manche Soft- und Hardwaregurke in den Sinn. Hypes wie Faust III oder Titanic II sind dagegen Kleinkram …

Entschuldigen Sie bitte, das geht zu weit!
DreamcastIm Frühjahr 2001 gab Sega den Produktionsstopp der Dreamcast-Konsole bekannt und kündigte an, sich gänzlich aus dem Konsolengeschäft zurückzuziehen und in Zukunft nur noch Software herzustellen. Das war für mich, der seit 1988 der Firma unerbittlich die Treue hielt, ein schwerer Schlag. Ich wollte all die vielen Gründe, die zum Ende Segas als Konsolenhersteller geführt hatten, gar nicht wissen – hatten es also der fette italienische Handwerker und das verfluchte DVD-Laufwerk der PlayStation 2 tatsächlich geschafft? Die Enttäuschung wog schwer, es war schlichtweg nicht zu glauben, das SErviceGAmes in Zukunft raus war aus dem Hardwarerennen. Und doch mussten wir alle weiterleben.

Steffi Marx leidet – zum 13. Mal!

FF XIIIDie größte Enttäuschung ist mir noch gut in Erinnerung: Es war einer der ersten Tage im neuen Jahr 2010, draußen bitterkalt und ich erhielt von meinem Postboten eine Eilsendung aus Japan, das Spiel auf das ich doch so lange gewartet hatte: Final Fantasy XIII! Die erste Enttäuschung überspielte ich leicht: »Nun ja, die Handlung und das Kampfsystem bleiben einfach unverständlich, solange ich nur viele japanische Schriftzeichen sehe.« Drei Monate später besorgte ich mir dann die PAL-Version und es änderte sich … nichts. Ich kämpfte mich also 25 Stunden durch das »Tutorial«, dem linearen ersten Teil des Spiels und verlor mein Spielstand. Final Fantasy XIII ist für mich die pure Enttäuschung. Charaktere, Handlung, Kampfsystem – alles nicht mehr als Mittelmaß. Das kann Sqaure Enix besser,
soviel weiß ich!

Zerplatztes Dreamland
Es ist eigentlich nicht ein Spiel, das mich enttäuscht hat, es ist jedes. Ich kann das erklären. Das erste Mal war ich jung, wir fahren auf der Rückfahrt von einer Klassenfahrt, und ich hatte meinen Gameboy dabei.  Ich war damals obsessiv besessen von Kirby’s Dreamland. Und es war dann während dieser historischen Busfahrt, dass ich es durchspielte, das war ein großes Ding für mich: Das war das erste Spiel, das ich jemals durchspielte. Es hätten, ich bin der festen Meinung, Glocken läuten sollen, Blitze aus dem Himmel fahren und als mein persönliches Feuerwerk den Bus umhüllen, irgendsowas.
 
Kirbys DreamlandFolgendes passierte tatsächlich: Der Endboss wurde aus seinem Schloss gesprengt. Kirby blies sich groß auf, und flog mit dem Schloss weg, als pixeliges Schattenwesen, während unten am Bildschirm die Credits liefen. Am Ende hielt Kirby noch ein Schild hoch, auf dem »Bye-Bye« stand, und dann – als wollte es sich über mich und meinen Aufwand lustig machen – fing das Spiel wieder von vorne an. Ich blickte auf, durch den Bus, noch leicht matschig von den Stunden, die ich mit dem Spiel verbracht hatte: Wir waren fast zu Hause, die Klassenfahrt war fast vorbei, und in der echten Welt war alles so, wie ich es verlassen hatte. Nichts war passiert.
 
Mir ging es seitdem oft so: Ich spiele ein Spiel durch, und am Ende läuft ein nettes Filmchen, aber es ist immer irgendwie enttäuschend, wird weder der Lebenszeit noch dem Aufwand gerecht, es wird gar nichts gerecht, was man in dieses Spiel gesteckt hat: Ich fühle mich dann immer wie der Spielball einer gigantisch inszenierten Antiklimax. Ich weiß, ich weiß, der Weg ist das Ziel. Trotzdem – das muss doch besser gehen!

Zu Boden gewrestlet…
Die größte Enttäuschung, an die ich mich noch erinnern kann, gab es für mich bei WWF No Mercy, das vor über 10 Jahren für das Nintendo 64 erschien. Im Dezember herausgekommen und an Weihnachten unter dem Weihnachtsbaum in Empfang genommen, freute ich mich, mit den damals aktuellen Superstars der Liga in den virtuellen Ring zu steigen. Nach einem Abend ausgiebigen Spielens erlosch die Freude dann aber auch schnell, als ich beim zweiten Spielstart bemerkte, dass alle meine gespeicherten Daten verschwunden waren. Weg der tolle Wrestler, den ich im detaillierten Editor erstellt hatte, weg die freigeschalteten Extras und der Fortschritt im Story-Modus. Nach kurzem Zweifeln an meiner Fähigkeit, Speicherstände zu erstellen, verkündete THQ, dass die Module, die zum Verkaufsstart erschienen, fehlerhaft waren und alles Gespeicherte beim Ausschalten der Konsole löschten.
 
WWF-Mo mercyAls meine Eltern dann auch feststellten, dass sie den Kassenbeleg nicht aufgehoben hatten, zerstörte das meine Hoffnungen, das Spiel doch noch ohne Fehler spielen zu können. Noch heute bin mir sicher, dass mir so einer der besten Wrestling-Titel der Konsole durch die Lappen gegangen ist.
 
Ansonsten hatte ich auch an kein Spiel so hohe Erwartungen, um nach dem Spielen maßlos enttäuscht zu werden. Heutzutage stört mich eher, dass viele Spiele durch riesige Marketingkampagnen und filmreif inszenierte Trailer so viel mehr versprechen, als sie dann letztendlich halten können. Die Enttäuschung setzt dann meistens schon ein, wenn man erste Meinungen zu dem Titel liest und sich aufgrund dieser gegen einen Kauf entscheidet. Aber das ist ja dann auch schon wieder ein ganz anderes Thema.

Dennis Kogel und die Kuh

Black and whitePeter Molyneux hat einen bekannten Track Record, was Enttäuschungen und Spiele angeht; meine persönliche Enttäuschung mit einem von Molyneuxs Spielen hat aber weniger mit nicht eingehaltenen Versprechen zu tun, als mit meiner eigenen Gier. Die Göttersimulation Black & White sollte Molyneuxs erstes großes Spiel werden nach dem Ende seiner Bullfrog-Zeit, eine glorreiche Simulation des Gottseins, ein Testgelände für die Entscheidung zwischen Gut und Böse und die Fortsetzung des Tamagotchi-Konzepts. Und natürlich interessierte mich selbst viel weniger das Gottspielen, als die fluffigen Kreaturen, die man heranzüchten konnte. Ich führte eine mächtige Titanen-Kuh ins Gefecht, wollte aber unbedingt einen Wolf. Kommt ja auch viel cooler. Auf welchem Schulhof kann man schließlich schon mit einer Godzilla-großen Kuh angeben!? Nach langen und unerträglich doofen Quests konnte ich endlich einen Wolf mein Eigen nennen – und fand ihn furchtbar blöd. Der Wolf fraß meine Dorfbewohner, wollte nicht lernen und ließ sich zudem von anderen Kreaturen vermöbeln. Ein elender Versager! Ich wollte meine Kuh wiederhaben, aber die Option zum Zurücktauschen war schon längst weg. Diese Nacht weinte ich bittere Tränen um mein verlorenes Götterrind. Peter Molyneux ist schuld daran, dass ich bis heute davor zurückscheue, eine Hauskuh zu halten. 

Most unepic game moment
Es war 1997, ich war jung und absolut vernarrt in alles auf dem Star Wars: X-Wing oder Star Wars: TIE-Fighter stand. Und siehe da: X-Wing vs. TIE-Fighter kam nach Deutschland. Endlich wieder Sternenzerstörer sturmreif schießen und TIE-Fighter mit gezielten Doppelsalven in Weltraumschrott verwandeln. Ich umging meine finanziellen Unzulänglichkeiten zu diesem Zeitpunkt, in dem mir mein Großvater die PC-Action empfahl (so stand es zumindest auf dem in krakeliger Schrift ausgefüllten Formular), die ich natürlich aufgrund dieser Empfehlung abonnierte. Einen Monat später flatterte zusammen mit der PC-Action ein Paket ins Haus, das bei meinem Großvater kurzfristig für Verwirrung sorgte, bis ich es ihm gierig aus den Händen riss.
 
XWing vs Tie FighterKurze Zeit später überlegte ich mir, die ganze Chose aus dem Fenster zu werfen. Denn X-Wing vs. TIE-Fighter hatte keinen Plot, dafür aber einen ausgefeilten Multiplayer-Modus. Dummerweise war 1997 in meinem beschaulichen Dorf das Internet noch nicht erfunden – selbst der Radioempfang ist bis heute miserabel. Multiplayer bedeutet also, den Rechner in die Nähe eines anderen Rechners zu karren – und zu beten, dass das doofe serielle Kabel nicht den Dienst verweigerte. Und das tat es oft. Was blieb, war eine Space Opera ohne Plot, was ungefähr so viel Spaß macht wie Nabucco in einem gelben, schmuddeligen Reclamheft zu lesen. Die Missionen waren in beliebiger Reihenfolge auswählbar und wurden so zu unzusammenhängenden Schnipseln von etwas, was zuvor die spannende Erzählung eines epischen Konflikts zwischen Gut und Böse war. Als Spieler war man Dreh- und Angelpunkt des Plots und durfte in TIE-Fightern sogar mit Darth Vader fliegen – was für einen pubertierenden Bub vom Dorf ziemlich cool ist. Schon im Vorgänger X-Wing gab es spannende Zwischensequenzen, die einen mitten in das Universum von Star Wars zogen. In X-Wing vs. TIE-Fighter war alles entrückt und zusammenhangslos: Man konnte sich die Missionen nach eigenem Gusto zusammenstellen, doch ohne das narrative Beiwerk waren sie einfach belanglos und bestenfalls als Geplänkel geeignet. Es macht keinen Spaß das Universum zu retten, wenn man es nach Belieben entstehen und vergehen lassen kann.
Da der Multiplayer für mich unerreichbar war, blieb es für mich eine Sammlung digitaler Fussel auf einem Silberling … und ich hatte ein Abo am Hals.

Den Chef enttäuschen? Nur bedingt!
Als der Chef zum kollektiven Jammerchor rief, stellte sich bei mir erst einmal nur Blankvers ein. Natürlich gab es da Vorfälle. Serien vielleicht, die in der zigsten Iteration Charme wie Hirn an der Wiedergeburtskontrolle hängen ließen. Der eine oder andere Titel, der beim Erscheinen die Hype-Blase so laut platzen ließ, dass man sicherheitshalber einen Termin beim Urologen klar machte … freilich, diese Dinge. Unfein. Aber Enttäuschungen? Aus der Ruhe bringen tun sich mich jedenfalls nicht.
 
Die ganze Wahrheit ist: 25 Jahre Gamer-Vita haben mich zum ausgekochten Gemüts-Hund gemacht, der all dies prophylaktisch einberechnet, wenn er eine Scheibe in seine Konsole schiebt. Nenn es Zynismus. Nenn es Verhärmtheit. Ich nenne es: heitere Seelenruhe. Wie bin ich dazu gekommen? Über die zwei Mütter der Enttäuschung.
 
Die eine, erste, existenzielle, stellte sich ein beim Rubbeln des LCD-Bildschirms eines Handheld-Spiels mit dem schwerteutonischen Namen Flussüberquerung. Unter dem Finger färbten sich die Kristalle schwarz, und mir schwante eine finstere Erkenntnis: Die wenigen miserablen, stocksteifen Figuren, die du dort zum Vorschein bringst, sind ALLES, WAS DU KRIEGST. Der Bildschirm vor mir schrumpfte schlagartig vom Fenster in eine unbegrenzte Welt zu einem 4x3cm großen Display. Ich ahnte: irgendwo da drin steckte eine Lektion fürs Leben. Und spielte weiter.
 
Capt SkyhawkFünf Jahre später: Ein größerer Bildschirm und eine scharfkantige Konsole auf dem Boden, die tatsächlich einen Hauch von Unendlichkeit vermitteln. Verschärft auch, was auf dem Bildschirm vor sich geht: Ein Kampfjet hat der landläufigen Physik den Vogel gezeigt und sich, nach Dutzenden Schlachten gegen wieselflinke Abfangjäger und bedrohliche Strukturen, die aus dem Illuminati-Lego-Baukasten zusammengezimmert waren, ins Weltall erhoben. Dort sieht er sich Auge in Auge in Auge einer seltsamen Kreatur gegenüber, die halb Gott, halb faules Sci-Fi-Pulp-Zitat, aber ganz und gar Endboss ist. Es war ein entbehrungsreicher Weg, den der »Captain Skyhawk« bis dorthin zurücklegen musste: Einer, der über tausend Tode und das Bescheiß-Modul Game Genie führte, das schlussendlich einen Weihnachtswunsch eintauschte gegen unendliche Munition. Aber dies war es wert: Der Jet des Captains löscht ein ums andere Auge des Obermotzes aus, bis er schließlich aufgeht in einer bildschirmfüllenden  Explosion. Der Triumph ist epochal, die Erwartungen auf den wohlverdienten Abspann ebenso… GAME OVER. Der exakt selbe Screen, der einen bei jedem der hundert Tode zuvor verhöhnt hat. Kein Unterschied. Kein ruckelndes Standbildvideo. Kein Glückwunsch in erbärmlichem Halbenglisch. GAME OVER – das ist alles, was du kriegst. Und wieder ahnte ich etwas… und spielte weiter.

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| DENNIS KOGEL
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