Digitales | Games: Unravel
Ein Knäuel roten Garns, gerahmte Bilder, Erinnerungsstücke eines Lebens und die herb schöne Natur Nordeuropas. Wie das alles in ›Unravel‹ von Coldwood Interactive verwoben ist, versucht FLORIAN RUSTEBERG aufzudröseln.
Wenn »Yarny«, ein kleines Fadenmännchen und der Protagonist von ›Unravel‹, zum allerersten Mal aus der Haustür auf die Veranda tritt, schaut er sich verwundert um, bevor seine Wanderung durch die sommerlich skandinavische Landschaft beginnt. Die kleine Gestalt aus einem roten Faden und zwei weißen Knopfaugen, im Deutschen würde sie wohl »Garnie« heißen, zeigt schon in den ersten paar Minuten, trotz seiner einfachen Gestalt, überraschend klare Emotionen. Anfangs sind das noch Neugierde und Überraschung, später kommen auch Frieren, Angst und Elend dazu. Wunderbar ist es dem Entwicklerteam gelungen, diese Emotionen darzustellen.
Erdacht wurde die Figur von Creative Director Martin Sahlin, als er einen Camping Urlaub mit seiner Familie verbrachte. Aus einer Idee, Drahtgestell und Faden wurde »Yarny« Wirklichkeit und inspirierte das schwedische Entwicklerstudio Coldwood Interactive zum vorliegenden Videospiel. Alles beginnt mit einer alten Dame, die aus ihrem Korb ein Wollknäul verliert, das daraufhin ein Eigenleben entwickelt. Von nun an geht die Reise immer weiter nach rechts, der Faden hängt jedoch am Ursprungsort fest und »Yarny« wird immer weiter abgewickelt. Ist er ganz ausgezehrt und abgemagert geht es nicht mehr weiter. Doch zum Glück gibt es am Wegesrand kleine Knäule zum Auffüllen. Mit der Zeit wird das Vorankommen immer kniffliger. »Yarny« kann seinen Faden nach Haltepunkten auswerfen und sich zu ihnen hinziehen, zwischen zweien ein Leine spannen, die als Trampolin dient, oder wie an einer Liane schwingen. Diese Elemente und mancher bewegbare Gegenstand müssen immer wieder neu kombiniert werden, um den Fortschritt zu sichern. Die Steuerung geht dabei meist gut und manchmal etwas schwammig von der Hand. Der Schwierigkeitsgrad ist angemessen und nur selten frustrierend.
Fein gestrickte Grafik
Ansehnlich ist ›Unravel‹ ebenfalls. Die Umgebung zur Seite des 2-dimensionalen Weges ist in detaillierte 3D-Grafik animiert und bietet eine ungewohnte Nahaufnahme der Welt. Waldboden, Meeresufer und die anderen Gegenden sind liebevoll gestaltet und bieten wirklich etwas für’s Auge. Insbesondere wenn sich »Yarny« darin ganz natürlich bewegt. Musikalisch wird diese Atmosphäre, mal ruhig, mal hektisch, korrekt untermalt. So kann es leicht passieren, dass der Spieler in der Situation versinkt und einfach nur betrachtend den Pfad entlang wandelt.
Im späteren Verlauf verdunkelt sich die Stimmung merklich und die kleine Expedition führt in eine verschmutzte Umwelt oder einen dunklen, stürmischen Winter. Zwischendurch gilt es auch, den scharfen Scheren von Krebsen oder den Zähnen von Wühlmäusen auszuweichen. Am Ende eines jeden Abschnitts wartet dann ein Stoffemblem. Mit jedem dieser insgesamt acht Abzeichen füllt sich ein verschwommenes Fotoalbum wieder mit Bildern. Der rote Faden ist dabei die Verbindung zwischen den Erinnerungen an geliebte Personen und Orte. Somit ist ›Unravel‹ auch ein sehr persönliches und emotionales Videospiel, was zum eigenen Erinnern und Reflektieren einlädt.
Das Abenteuer von »Yarny« ist ein kleines, simples Spiel, das nach gut 7 Stunden zu Ende ist. Es entfaltet dennoch eine große Wirkung und wird bestimmt vielen, die es gespielt haben, im Gedächtnis bleiben. ›Unravel‹ ist ein wunderschönes Spiel, dem es gelingt, den Spieler zu berühren – da beißt die Maus keinen Faden ab.
| FLORIAN RUSTEBERG
Titelangaben
Unravel
EA Games / Coldwood Interactive
seit dem 9. Februar 2016 erhältlich für PC, Playstation 4 und XboxOne.
ab 19,99€ UVP.