Gläserne Abgründe

Digitales | Games: Mirror’s Edge: Catalyst

Rennen, klettern, springen und dabei keine Grenzen kennen. Im zweiten Anlauf von ›Mirror’s Edge: Catalyst‹ hetzen wir über die Dächer einer futuristischen Stadt. FLORIAN RUSTEBERG verfolgt die rote Spur in der weißen Welt.

Manche Verheißungen erfüllen sich doch: 2009 veröffentlichte
Electronic Arts mit ›Mirror’s Edge‹ einen etwas eigenwilligen Titel. Aus der Sicht der jungen Läuferin Faith wird gerannt, geklettert und gesprungen, um dem totalitären Regime der futuristischen Stadt »Glass« zu entkommen. Ganz wie beim Parkourlaufen war das Gefühl, ohne störende Anzeigen auf dem Bildschirm, dafür mit sichtbaren Gliedmaßen in der Bewegung. Den Kritikern gefiel das flüssige MECgenKEYARTrgbVERTsmallKonzept, an der Supermarktkasse ließen aber nur Wenige ihr Geld fließen. Erst auf dem Grabbeltisch erfreute sich das Projekt der ›Battlefield‹-Macher einer wachsenden Beliebtheit, sodass viele Fans schließlich auf eine Fortsetzung warteten. Obwohl zwischendurch schon einmal totgesagt, erscheint nun doch der vermeintliche Messias. Ist es eine Fortsetzung? Nein! Ist es ein Remake? Nein! ›Reboot‹ ist wohl der passende Begriff.

Auf der Flucht

Vieles in ›Mirror’s Edge: Catalyst‹ wird Kennern des ersten Spieles vertraut sein. Die Stadt ist weiß, hell, modern, sauber und steril. Genau wie die meisten seiner Bewohner. Aufmachung und Handhabung sind ebenso aufpoliert, doch nicht groß verändert worden. Verändert hat sich allerdings das allgemeine Setting der Handlung. Faith ist nun frisch aus dem Gefängnis entlassen und beginnt ihrer Karriere als Läuferin von neuem. Passend dazu müssen viele ihrer Fähigkeiten und Boni erst durch Level-Aufstiege freigeschaltet werden. Auch die Art des Antagonisten hat sich leicht verschoben. Die alles kontrollierende Regierung wurde durch die Herrschaft eines totalitären Konglomerats von Großunternehmen ausgewechselt. Die Häscher des Systems lassen sich das aber kaum anmerken, wenn sie ihre Versuche unternehmen, die Hauptfigur zu verprügeln oder zu erschießen. Sie sind die üblichen, gesichtslosen Gestalten. Begrüßenswert sind die ausgefeilteren Nahkämpfe, wodurch im Gegenzug die Nutzung von Schusswaffen komplett entfällt. Unausweichliche Konfrontationen bieten unterhaltsame Kämpfe, auch wenn zumeist die Flucht die Methode der Wahl ist.

Abseits der knapp 10-stündigen Hauptgeschichte, die in viele kleinere Abschnitte gestückelt ist, gilt es noch zahlreiche Nebenaufgaben zu bestreiten. Das sind abseits der weiteren Missionen für bekannte Charaktere auch Lieferaufträge für scheinbar belanglose Bewohner am Wegesrand. Obwohl auch diese oft eine kleine Geschichte zu erzählen haben, handelt es sich eigentlich nur um Zeitrennen. Über die Stadt »Glass« verteilt gibt es zahlreiche Rennen und Herausforderungen. Ansporn bieten diese durch eine Vernetzung mit dem Internet. Bereits auf den ersten Blick ist ersichtlich, welcher Freund schneller war oder wer global die Rangliste anführt. Recht innovativ ist es, dass die Spieler selbst einen Weg vorgeben können, auf dem MirrorsEdgeCatalst_Phase1_Web_Screen_05_Faith_Citysie oder andere ihr Können messen können.

Fazit

Wer solche Herausforderungen liebt, wird viel Freude am Spielen von ›Mirror’s Edge: Catalyst‹ haben. Für alle anderen wird hier ein optisch ansprechendes Spiel geboten, das nach einigen Stunden leider stark an Reiz verliert. Dazu trägt bei, dass die Bewegungsabläufe zwar schnell verinnerlicht sind, aber langfristig wenig Abwechslung bieten. Das Gefühl, sich schnell und »cool« zu bewegen, ebbt einfach irgendwann ab. Ebbe herrscht auch bei der Erzählung und gelegentlich bei der Präsentation. Die Geschichte ist etwas zu plump und Zwischensequenzen fügen sich leider nicht recht in den Spielverlauf ein. Es bleibt ein typisches Dystopie-Desaster. Die Verheißung zu erfüllen, ist also nicht gelungen; die alten Kritikpunkte sind teilweise noch gültig. Immerhin gibt es jetzt eine offene Welt. Spätestens als reduziertes Angebot sei das Spiel aber doch zu empfehlen.

| FLORIAN RUSTEBERG

Titelangaben
Mirror’s Edge: Catalyst
EA Digital Illusions CE / Electronic Arts
seit Juni erhältlich für PC, PlayStation 4 und Xbox One.
ab 39,99 € UVP.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Der Hammer verändert die Welt

Nächster Artikel

Ausschluss aus dem Leben

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Und ewig schleicht die Schlange …

Digitales | Games: Metal Gear Solid HD Collection Ah, HD-Remakes! Achim Fehrenbach schrieb dazu im letzten August einen feinen Artikel bei ZEIT Online, und der geneigte Betrachter kann sich an anderer Stelle auch über kommende Remakes informieren. Jetzt landetet aber eine der gefragtesten Charaktercliquen auf RUDOLF INDERSTs Schreibtisch: Familie Snake.

Die ›Skyrim‹-Tagebücher: Teil 3

Digitales | Games: Die ›Skyrim‹-Tagebücher: Teil 3 Überwältigt und überfordert von Möglichkeiten versucht sich DENNIS KOGEL gar nicht erst an einer Rezension, sondern erzählt viel lieber Geschichten aus ›Skyrim‹. Hier ist Teil 3 der Skyrim-Tagebücher. Zur Erinnerung: Teil 1 und Teil 2.

New York, Mutant City

Digitales | Games: Prototype 2 Was New York in Videospielen schon alles durchmachen musste: in ›Crysis 2‹ bedroht durch eine Alien-Meute, in ›Enslaved: Odyssey to the West‹ komplett zerstört und wieder von der Natur beherrscht, korrupte Polizisten und dunkle Mächte in ›Max Payne‹ und ›The Darkness‹ – da können auch regelmäßig auftretende Superhelden wie Spider-Man kaum genug Ordnung in die Millionenstadt bringen. ›Prototype 2‹ schlägt da in die gleiche Kerbe und verseucht ganz New York mit einem gefährlichen Virus. NORMAN VOLKMANN ist mittendrin und macht keine Anstalten das Chaos einzudämmen.

Holt den Fatman raus!

Digitales | Games: Fallout 4 Na na na na na na na na FATMAN! Sieben Jahre nach dem Erscheinen des letzten Teils veröffentlicht Bethesda nun die Fortsetzung seiner lang ersehnten ›Fallout‹-Reihe, ›Fallout 4‹. Doch wird das Spiel seinen Vorgängern gerecht? Wir durchstreifen postapokalyptische Einöden, Supermutanten-Kolonien und das ein oder andere Ghoulnest, immer auf der Suche nach dieser einen Antwort. Den Fatman bedient: DANIEL MEYER.

Tennis ist Krieg!

Digitales | Games: Virtua Tennis 4 ›Virtua Tennis‹ auf der/dem Dreamcast? Der PlayStation 2? Der PSP? Xbox 360? RUDOLF INDERST hat sie alle gespielt. Und zwar mit Ausdauer und Leidenschaft. Jetzt fällt ihm der vierte Teil der Sega-Tennissage in die Hände. Und sofort ist die Leidenschaft wieder da.