Digitales | Games: Code Vein
Kinder, schon sind wieder drei Jahre vergangen seit Publisher- und Entwicklerstudio Bandai Namco den Namen Code Vein zum ersten Mal mit ihrem neusten, actionlastigen RPG-Titel in Verbindung brachte – ein neues, Dark Souls-ähnliches Spiel? Noch dazu unterstützt von den Machern der God Eater-Serie und in erfrischend stylischer Animegrafik? Das schien fast zu gut, um wirklich wahr zu sein. Nun jedoch, nach einjähriger Verzögerung und kleineren Anspieltests, ist die neueste Kreation des Hauses Tales, Soul Calibur und Co. endlich auch in unseren Regalen gelandet und wir mussten mit Erstaunen feststellen: »Hm, irgendwie hatten wir dann doch ein wenig mehr erwartet.« – Ein Bericht von DANIEL MEYER.
Es ist schwer zu beschreiben wie oder warum dieses Review unbedingt auf diese Art beginnen muss, aber lasst mich das vorwegnehmen: Eigentlich mag ich Code Vein. Ich mag viele der implementierten Ideen, viele der verschiedenen, zum Teil liebevoll gestalteten Designs, und ich bin mir sicher, dass das gesamte Entwicklerteam Hunderte, wenn nicht gar Tausende Arbeitsstunden in dieses Werk gesteckt hat, nur damit es so aussehen konnte, wie wir es nun vorfinden – aber aus irgendeinem Grund, und das muss ich mir nun eingestehen, war ich am Ende dieses doch immerhin 30 Stunden langen Spieles ein wenig enttäuscht. Ihr wollt wissen warum? Na gut! Aber dann lasst mich vorher ein wenig ausholen.
Hier eine Prise »Dark«, da ein wenig »Souls«, vielleicht noch ein bisschen »Anime«… Ja! Perfekt!
Fangen wir dafür vielleicht mit der wichtigsten Frage zuerst an: »Was ist denn nun eigentlich Code Vein?«. Nun, um das konkret zu beantworten, stellt euch bitte folgendes Szenario vor: Es ist Abend, so gegen 20 Uhr, eine sommerliche Brise streift durch die Lüfte und schon seit Tagen scheint der Spielmechanik von Dark Souls nichts Gescheites mehr einfallen zu wollen (ja, der Spielmechanik). Schon seit Stunden zappt sie von einem Fernsehkanal zum nächsten, blättert durch ihre Facebook- und Instagram-Feeds und beschließt dann letztendlich doch, endlich mal wieder in ihr kleines Lieblingslokal zurückzukehren. Doch was ist das? Wie es der Zufall will, trifft sie dort die bezaubernde, wenngleich manchmal auch etwas schräg wirkende Gothic-Anime Grafik a la Tokyo Ghoul und … naja, was soll man sagen, ein paar Jahre später war dann das kleine Code Vein da…
So oder ähnlich könnte wohl die Entstehungsgeschichte des neuesten Bandai Namco-Titels beschrieben werden, denn im einfachsten Falle könnt ihr euch das Spiel gerne als eine Art Dark Souls im Vampir/Apokalypse-Anime-Look vorstellen – jedenfalls, wenn ihr es auf den grundlegendsten Spielprinzipien beruhen lassen wollt. Erneut dürfen Horden von immer wieder spawnenden Monstern durch taktische Third-Person-Geplänkel besiegt, erhaltene Erfahrungspunkte (in diesem Fall der sogenannte »Dunst«) zum nächsten Rastplatz (hier: Misteln) gebracht und hier und da ein paar überdimensionale Endgegner nieder gerungen werden, um Stück für Stück neue und noch weitaus anspruchsvollere Gebiete freizuschalten – das typische Souls-Prinzip eben. Der Clue dabei: Im Gegensatz zum früheren From Software-Werk, spielt ihr nun erstmals keine namenlose Hülle mehr, die sich wortlos von einem zum nächsten Level begibt, sondern dürft euch eine vollends synchronisierte Spielgeschichte zu Gemüte führen (wirklich wahr!).
Auch Vampire haben‘s nicht leicht
Und hier trifft man, meiner Meinung nach, auch schon den besten Punkt des Spiels, die narrative Geschichtenerzählung. Denn wenn auch der Lore früherer Souls-Teile meist tief verwurzelt und in verschiedenen Item-Texten und Zusatzforen zu finden ist, so muss man doch gestehen, dass dessen gesamter Umfang in vielen Fällen eher… schwierig zu erfassen war. Code Vein begeistert hingegen mit etwas mehr Simplizität und nimmt gerade die Gelegenheitsspieler erzähltechnisch mehr an die Hand.
So gibt euch das Spiel beispielsweise bereits zu Beginn eine erste, kleine Einführung in die rauen Verhältnisse des Landes Vein, in das ihr euch nach und nach hineinstürzen dürft, und erklärt euch die groben Umstände eures Alter Egos: Ihr, in einer post-apokalyptischen Welt voller Vampire und Mutanten gefangen, seid erst vor Kurzem als sogenannter »Wiedergänger« (anderes Wort für Vampir) auferstanden und müsst euch just den rauen Bedingungen eurer neuen Umwelt anpassen. Denn, wie es der Zufall so will, wird Vein von so einigen Schwierigkeiten heimgesucht – die Blutvorräte, mit denen die hier ansässigen Vampire normalerweise bei klarem Verstand bleiben, werden so langsam rar und wildgewordene Artgenossen überströmen die Gebiete. Zur selben Zeit scheint zudem das Land von einem mysteriösen, schier undurchdringbaren Nebel umhüllt zu sein, der nicht nur seine Bewohner gefangen hält, sondern ebenso jeden Kontakt zur Außenwelt abbrechen lässt. Ein Dilemma ohnegleichen.
You never walk alone!
Zugegeben, ein wahres Meisterwerk der Erzählkunst dürft ihr dann auch mit diesem Spiel nicht wirklich erwarten, steuert die Geschichte doch recht schnell auf ein viel zu durchschaubares Ende zu. Die eine oder andere Wendung, oder vielleicht eher der existierende Plot überhaupt, frischen jedoch das sonst bereits bekannte Spielprinzip durchaus auf und verhelfen dem Titel, gerade in Kombination mit der doch beeindruckenden Steampunk/Anime-Umsetzung, zu einer gelungenen Atmosphäre. Dabei hilft vor allem, dass ihr in Code Vein nie wirklich alleine seid: Schon früh im Spiel freundet ihr euch mit einer kleinen Gruppe von gleichgesinnten Vampiren an, die vollends gewillt sind, euch und euer Land vor dem drohenden Untergang zu retten und dem Protagonisten selbst spieltechnisch auf mehrere Arten zu unterstützen. So stellen euch eure neuen Freunde beispielsweise bereits nach kurzer Zeit eine recht ansehnliche Basis, ähnlich zu den ersten Ruhestätten der Souls-Reihe, zur Verfügung, in der ihr mit den einzelnen NPCs auf verschiedene Weisen interagieren könnt; Waffen- und Ausrüstungskäufe, Upgrades und das ein oder andere sogar recht lustige Gespräch machen diesen Ort zum Angelpunkt eurer Operation und bringen die benötigte Ruhe in das Spiel, die wir in so manchen From Software-Ablegern schmerzlich vermissen. Hier muss man sagen, gerne mehr davon!
Manchmal tut ein bisschen mehr Zeit doch gut…
Was aber stört mich dann so sehr an diesem Titel? Nun, um es kurz zu machen: die Bequemlichkeit. Und hierbei meine ich nicht den Schwierigkeitsgrad des Spieles oder einzelner Situationen, sondern wirklich die gefühlte Lethargie oder vielleicht auch die Hast, mit der scheinbar große Teile des Spiels produziert wurden. Denn leider erkennt man bereits nach einigen Stunden Spielzeit, dass sich unter Code Veins vielversprechender Schale doch noch einige Problemfelder auftun: Viele der neu implementierten Ideen scheinen zwar im ersten Moment gut und innovativ, erweisen sich aber gerade zum Ende des Spieles hin als hinderlich, nur spärlich umgesetzt oder schlichtweg den Spielfluss störend.
Den stärksten Eindruck bei mir hinterließ dabei vor allem Code Veins generelles Kampfsystem, das diesen Titel dann doch in einigen Punkten von seinen Vorfahren unterscheidet. Gegenüber der allgemeinen Souls-Reihe könnt ihr nämlich eure hart erkämpften Erfahrungspunkte nicht mehr in verschiedene Statuspunkte setzen und euch so Schritt für Schritt in eine bestimmte Richtung skillen, sondern erhöht einfach pro Stufe jeden Wert gleichermaßen. Sogenannte »Blutcodes«, Titel, die ihr durch Interaktion mit verschiedenen NPCs erhaltet und jederzeit wechselbar sind, regeln dann die Wertung der einzelnen Parameter und lassen dynamisch zwischen den typischen Charakterklassen wie etwa Nah-, Fernkämpfern oder etwa Magiern wechseln. Eigentlich eine sehr gute Idee, könnte man meinen, ließe sich doch so der Spielstil für jedermann individuell und jederzeit änderbar einstellen – wäre da nur nicht der Umstand, dass nicht jeder Charakterklasse die gleichen Skalierungen eingeräumt wurden. Denn spätestens in der zweiten Hälfte des Spiels merkt man so langsam, dass es sich als Langschwert-tragender Brutalo aus irgendeinem Grund weitaus besser lebt (und den Schwierigkeitsgrad dramatisch senkt), als in allen anderen Klassen; höherer Schadensoutput, mehr Leben und eine annähernd so große Reichweite wie in anderen (der immerhin sechs) Waffenkombinationen? Das scheint nur fair, nimmt aber leider auch den Sinn der anderen Klassen. Schade und vor allem: unnötig!
Kenne ich das nicht irgendwo her? Spiele ich überhaupt?
Und leider ist es damit noch nicht gegessen. Denn, fängt man einmal an, solche Schludereien zu bemerken, so scheint sich Code Vein (immerhin für mich) immer weiter in eine Art Flickenteppich kleinerer Design- und Anpassungsfehler zu transformieren. Manchmal in eher kleinerer Form, wenn einem beispielsweise der Spielverlauf auf einmal, ohne ersichtlichen Grund, verbot, weiter in ein bestimmtes Gebiet einzudringen oder zum x-ten Mal der gleiche Gegnertyp wiederverwendet wurde, manchmal aber auch in so großer Zahl, dass ich zu einigen Zeiten einfach nur noch den Kopf schütteln wollte (und ja, ich habe oft den Kopf geschüttelt). Allen voran fällt mir hier das »Buddy«-System ein, das einem erlaubt, einen beliebigen NPC an seiner Seite kämpfen zu lassen – eine ebenso nette Idee, um gerade Anfänger ein wenig länger an die Hand nehmen zu können, wären die NPCs nicht auf eine absonderlich hohe Weise verstärkt worden, dass sie Bosse ohne eigenes Zutun erlegen können (glaubt mir, ich hab‘s versucht). Andersherum empfand ich es fast schon als amüsant, dass die Attackenmuster späterer Gegner einen schier unbesiegbaren Kollegen nahezu voraussetzten, im besten Fall um euch hin und wieder eine kleine Verschnaufpause zum Heilen zu ermöglichen. Da fragt man sich schon, wer hier den wirklichen Protagonisten des Spieles darstellen soll…
Die Zusammenfassung
Lasst mich am besten einfach meinen Satz vom Anfang wiederholen: Eigentlich mag ich Code Vein. Es ist kein schlechtes Spiel, zieht sich jedoch leider durch zu viele kleine Anpassungsfehler und feine Unstimmigkeiten selbst in die Mittelmäßigkeit. Egal, ob durch Skalierungsfaktoren, zum Teil etwas eintönig wirkende Umgebungen oder doch sehr stark an Soulsborne-erinnernde Ideen (weiße Kathedralengebiete? Eine Sumpflandschaft voller Leuchtfeuer? Permanent-rollende Untote? ), man kommt irgendwie nicht von dem Gedanken weg, dass es doch so viel mehr hätte sein können, hätte sich das Entwicklerteam vielleicht ein paar Monate mehr Zeit gegeben. So bleibt jedoch nur zu hoffen, dass Bandai Namco aus den Fehlern lernt und seinem nächsten Titel ein wenig mehr Geduld schenkt; Denn wie Nintendo-Legende Shigero Miyamoto schon sagte: »Ein verspätetes Spiel könnte gut sein, aber ein überstürztes bleibt für immer schlecht.«
- Interessante und zum Teil tiefgreifende Story
- Passender Steampunk/Anime Look
- Großartige Charakteranpassungs- und veränderungsmöglichkeiten
- Stylische Metalmusik
- Je nach Spielstil schwankt der Schwierigkeitsgrad enorm
- Balance und Skalierungsprobleme bereiten manchmal mehr Frust als notwendig
- Umgebung meist sehr eintönig
- Fühlt sich zuweilen nach einer etwas billigeren Dark Souls-Kopie an
Titelangaben
Code Vein
Bandai Namco
erhältlich für PlayStation 4, Xbox One, Microsoft Windows