Drive-by-trolling

Digitales | Games: Schlechte Autofahrer!

Trotz vermeintlicher Oberflächlichkeit halten einem manche Spiele doch subtil den Spiegel vor. PETER KLEMENT war gerade dabei einen one-eighty mit einem Taxi durch eine Horde Zombies zu drehen, als ihm auffiel, dass er zu tief in den nietzscheanischen Abgrund geblickt hat. Es folgt die Geschichte von einem, der auszog und aus Versehen zum Troll wurde.

Zombie DriverDer Troll in der Netzkultur hat nur wenige Schnittpunkte mit dem aus Film und Literatur bekannten Fantasiegeschöpfen. Körperlich hat der Netztroll eher wenig zu bieten und schwingt daher auch keine baumstammgroßen Knüppel, sondern eher die verbale Keule. Das erklärte Ziel des Trolls ist es in Foren oder Chats absichtlich und wiederholt andere zu stören, zu beleidigen und Konflikte zu schüren. Das Jagdrevier dieser unangenehmen Kreaturen beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Internet, auch in digitalen Spielen trifft man auf die unterschiedlichsten Subspezies der Gattung – für die Recherchewilligen seien die Stichworte Griefer und Ganker genannt.

Trollkatalysator

Autos aller Art sind perfekt um das Aktivierungsniveau des inneren Trolls zu senken, das kann jeder bestätigen, der auf einer deutschen Autobahn unterwegs war. Dort kommt es je nach Tageszeit zu bis zu 10 TpM (Trolle pro Minute). Kein Wunder also, dass es ganze Spielegenres gibt, in denen der Spieler keine besondere Herrschaft über das Fahrzeug beweisen muss, sondern nach Herzenslust seinen inneren Troll spazieren fahren kann.

Jeder, der die ersten beiden Teile von ›Grand Theft Auto‹ (kurz GTA) gespielt hat, hat einige Hundert Fußgänger auf dem Gewissen, mindestens drei katastrophale Massenkarambolagen verursacht und zahllose Fahrzeuge in Flammen aufgehen lassen, ohne auch nur den geringsten spielerischen Nutzen draus zu ziehen.

In ›Carmageddon‹ haben SpielerInnen mehr davon die Konkurrenz von der Straße zu rammen und nebenbei noch die Gehwege leerzufegen, als das eigentlich stattfindende Rennen zu gewinnen. Allen diesen Spielen gemein ist, dass auch lausige Fahrer problemlos mit dem Spiel klarkommen. Das Meistern einer Spielmechanik tritt zugunsten der trolligen Vanitas in den Hintergrund.

Trolling Zombies in Suburbia

›Zombie Driver‹ von EXOR Studios treibt, dank moderner Physikengine, allerlei aufs Vehikel montierbarer Garstigkeiten und natürlich dem Kniff, dass es sich um Zombies handelt, das fahrzeuggebundene Trolltum auf die Spitze. Denn Zombies sind ja bekanntlich keine Angehörigen der Menschheit mehr, sehen aber noch genauso aus und geben genau die gleichen Flecken auf dem Asphalt.

Was in ›GTA‹ oder ›Carmaggedon‹ den etwas zarter besaiteten Troll auf den Pfad der Tugend zurückführen kann, wird in ›Zombie Driver‹ zur Heldentat. Denn die netten Nachbarn sind zu fleischfressenden Unholden geworden, die durchaus eine spielerische Herausforderung bedeutet können. Allerdings nicht, wenn man sie mit einem gepanzerten Taxi scharenweise über den Haufen fährt.

Natürlich macht es Spaß, Zombies mittels montierter Maschinenkanone in Hackfleisch oder mit einem gekonnten Drift in Straßenpizza zu verwandeln, doch eine Glanzleistung ist es beileibe nicht. Und wo die Gegner chancen- und rechtlos sind, wird man schnell selbst zum Monster, das grausame Spielchen mit seiner zweibeinigen Beute spielt, um für sich ein möglichst großes Spektakel zu veranstalten.

Wer Ungeheuer überfährt, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.

Troll throws tantrum

| RUDOLF INDERST

Reinschauen
| Zombie Driver
| Grand Theft Auto
| Carmageddon

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Dead Men Walking

Nächster Artikel

Abschied vom Vater

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

New Sheriff in Town

Digitales | Games: Tom Clancy’s The Division 2 Die zweite Iteration des erfolgreichen Online-Shooters ›Tom  Clancy’s The Division‹ aus dem Hause Ubisoft wechselt den Schauplatz von New York nach Washington, D.C. und bietet wieder reichlich Inhalte, um Spieler zu begeistern. In dem postapokalyptischen Szenario bekämpft ihr anarchistische Organisationen und baut neue Siedlungen in der Stadt auf. Dabei versprechen die Entwickler, das Spiel auch nach Abschluss der Story durch zusätzliche Events interessant zu halten. Ob die hohen Erwartungen der Spieler erfüllt werden, erfahrt ihr in unserem Test. Von PHILIPP LINKE.

Nicht Final, aber Fantasy

Digitales | Games: Octopath Traveler ›Octopath Traveler‹ schien so etwas wie der Heilige Gral all derer werden zu können, die sich nach der goldenen, der guten Zeit japanischer Rollenspielkunst zurücksehnten: Wundervoll animierte 2D-HD Sprites, inspiriert aus Spielen wie ›Final Fantasy VI‹ oder ›Grandia I‹, eine komplexe, über mehrere Wege führende Erzählstruktur, ähnlich zu ›Live-A-Live‹, sowie eine Vielzahl verschiedener Nebenquests, Charakterklassen und Entscheidungsmöglichkeiten. Kurzum – ein Spiel mit viel Potential, das leider eben solches durch altbekannte Square Enix Probleme verschenken wollte. Von DANIEL MEYER.

Die eierlegende Wollmilchsau des digitalen Kriegsspiels

Digitales | Games: Battlefield 3 Mit dem dritten Teil der ›Battlefield‹-Reihe versprach der Entwickler EA DICE die Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe: Einer Balance aus Spiel und Simulation, die der Reihe seit 2002 eine treue Gefolgschaft – und viele Klone – eingebracht haben. PETER KLEMENT ist im neuesten Spross der Battlefield-Familie geflogen, gefahren und ziemlich oft gesprengt worden.

Die Brücke zwischen Spielekultur und Gesellschaft

Digitalspielkultur | Christian Huberts über Schnittstellen von digitalen Spielen, Erinnerungskultur und wissenschaftlichen Herausforderungen

In einem Interview mit RUDOLF THOMAS INDERST gibt Christian Huberts Einblicke in seine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Games und Gesellschaft. Er spricht über die Bedeutung von Erinnerungskultur in digitalen Spielen, seine Erfahrungen als Kulturwissenschaftler und die Herausforderungen der wissenschaftlichen Arbeit im Bereich der Game Studies.

Vollbeschäftigung in L.A. – Xenoblade Chroniken

Digitales | Games: Xenoblade Chronicles X Riesige Roboter, Aliens, niedliche Fellknäuel – so lautet die Zutatenliste für ›Xenoblade Chronicles X‹ (XCX). Für ein japanisches Rollenspiel ist das sicherlich kein Novum, dennoch schafft es ›XCX‹, das Genre mit einem einzigartigen Kampfsystem und einem teilweise asynchronen Onlinemodus aufzufrischen. Ob der Spagat zwischen epischer Story und MMORPG gelingt und was das Exklusivspiel auf der Wii U so einzigartig macht, erfahrt ihr in unserem Test. Von PHILIPP LINKE.