Why do all good things come to an end?

Digitales | Games: Gears of War 3

Nachdem sich die ersten beiden Teile nie so recht in Deutschland zu Hause fühlten, steht dieser Herbst ganz im Zeichen des plattformexklusiven Vorzeigeshooters ›Gears of War 3‹. Als langjähriger Freund der Reihe sieht sich RUDOLF INDERST das finale Kapitel der Trilogie an.

Gears of War 3»Physically these men could not possibly exist – no more than Barbie could.« Dieses Zitat wollte ich schon lange einmal in einem Text unterbringen. Ein wenig ärgert es mich, dass ich nicht selbst auf diesen offensichtlichen Vergleich stieß. Wahrscheinlich finde ich es gerade deshalb so gut.

Und weil wir schon bei Zitaten sind – gerne greife ich auf die Besprechung des ersten Gears des selten vorhersehbaren Tim Rogers bei Action Button zurück: »Gears of War is a masterpiece of construction, a victorious stride toward the old, abandoned virtual reality dream of the 1990s. It requires no motion-tracking controller, it stars no blocky pterodactyls. It is proof positive that the interactive movie format might not be dead, nor will it necessarily require moving chairs to make audiences feel like they’re part of something. What the deceptively cerebral Dead Rising did for narrative structure in an interactive-movie-type game, the balls-forward Gears of War does for flow. Taken as quickly or as slowly as you like it, Gears of War is an adventure, and it’s always a videogame. And the online multiplayer is just plain great.«

Was es heißt, ein Gear zu sein.

Es wäre albern, in ›Gears of War 3‹ für die Xbox 360 weniger zu sehen als ein ›HALO 2‹ für die Original-Xbox: konsolendefinierend. Dafür steht die Xbox im Grunde seit ihrer Markteinführung: Krieg und Sport. Jedes Gears ist – schon für sich alleine genommen – ein Kaufgrund für die Konsole. Und jeder Teil der Serie hat den Charme eines achtspurigen Highway mit der Lizenz für deutsche Autobahn-Geschwindigkeiten. Nach 2006 und 2008 können nun zum ersten Mal – ganz offiziell zumindest – auch deutsche Spielerinnen sich dem Reiz dieser eigentümlichen Welt namens Sera hingeben, und ob der rätselhaften, grauenerregenden und lustvollen Dinge staunen, die sie erwarten.

Freilich wird hier der Moralist den mahnenden Zeigefinger der Xenophobie heben: Die Entwickler von Epic Games geben sich keine große Mühe – wenn sie es denn überhaupt wollten – zu verschleiern, dass die menschlichen Bewohner Seras US-Amerikaner darstellen, die sich ihrer wertvollen Haut mit allen imperialistischen Konsequenzen erwehren müssen (zumindest scheint es so, danke für den Tipp, @AlexBronsky).

»Everyone wants to see The Cole Train play!«

Neben all dem »chainsaw bayonets and blood spatters: tick. Hulking space marines: tick. Chest-high walls and new and interesting ways to blast the Locust troops: tick.« erzählt ›Gears of War 3‹ jedoch gleichzeitig auch die Geschichte des Niederganges einer industriellen Gesellschaft. Das äußerst präsente Zahnrad, Symbol der rapiden und machtvollen Maschinisierung, ist überall in der Welt der Gears, die selbst bewaffnete und trainierte Zahnrädchen in diesem Getriebe sind, zu finden. Man greift ineinander, man verlässt sich aufeinander und doch: Wenn das System der großen Maschine im Fallen begriffen ist, verändert sich alles. Es ist bezeichnend, dass in einem der späteren Level die schweißgebadeten »Arbeiter des Krieges« auch in einem dekadent eingerichteten Luxusressort für die einflussreiche Elite nicht schlecht über die Verschiebung des Wertehorizontes staunen. Aber selbst dort finden Spielerinnen – in seinem Grundgedanken pervertiert – das güldene Zahnrad.

Doch die Zeichen stehen auf Sturm (sprichwörtlich, wie Spielerinnen am Schluss der Saga selbst herausfinden), das System trägt die Transformation nicht. Schon längst ist ein Teil der Bevölkerung in sinnstiftende Tribal-Gemeinschaften zurückgefallen, verbarrikadiert sich in den Rippen der ehemals stolzen Stätten der Industrialisierung, die im Gears-Universum immer auch einen Hauch von Gotik tragen. Wird auch hier bald das Zeitalter der Renaissance anbrechen? Es scheint so. Nach seiner letzten Bluttat erleben wir den Protagonisten ganz ruhig und in sich gekehrt abseits des Trubels. Wehmütig wirkt er. So wehmütig wie auch viele Spielerinnen vielleicht in ein paar Jahren über die Trilogie sprechen werden. »I`ll think less of me. And it’s the only thing that’s going to make me feel alive.«

xenophob, gewalttätig, beeindruckend

| RUDOLF INDERST

Titelangaben
Gears of War 3
(Xbox 360)
Entwickler: Epic Games
Publisher: Microsoft
Genre: Third Person Shooter
USK: 18

 

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Die Sucht – Das Malen

Nächster Artikel

Störe meine Kreise nicht!

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Ihr Paket konnte nicht zugestellt werden

Digitales | Games: Death Stranding Etwa drei Jahre ist es her, seitdem Death Stranding vom neu gegründeten Studio Kojima Productions angekündigt wurde. Bis zum Release des Spiels blieben Fragen über Fragen; denn bis auf die schrägen und gruseligen Filmsequenzen, die auf ein postapokalyptisches Setting hindeuteten, blieb vor allem das Gameplay stets geheim. Umso interessanter gestaltete sich der Release des Spiels und umso höher waren die Erwartungen. Von LINH NGUYEN.

Building a Global Archive: Dean Guadagno on the Creation of The Video Game Library

Digitalspielkultur | How one man's passion for video games evolved into a massive resource cataloging over 10,000 books across 25 languages

In this exclusive interview with RUDOLF INDERST, Dean Guadagno, founder of The Video Game Library, shares the story behind his mission to build the most comprehensive collection of video game literature in the world. He discusses the challenges of creating a global resource, his personal gaming favorites, and the future of digital games research.

Scheiße, das ist ja wie in den verdammten 80ern!

Digitales | Games: Renegade Ops Immer dann, wenn Machismo, Testosteron, Zugang zu schweren Waffen und Ignoranz gegenüber vermeintlichen ›Drittweltstaaten‹ zusammenkommen, sind die Popaction-Medien der 1980er-Jahre nicht fern gewesen. Gut, Michael Bay lässt auch heute noch US-Jeeps durch ›Armensiedlungen‹ donnern und verkauft es als spaßbringende Kinetikhatz. Aber zurück zum Thema:  RUDOLF INDERST sieht sich Segas Download-Titel Renegade Ops an.

Brichst du auf gen Ithaka…

Digitales | Games: Assassin’s Creed: Odyssey … wünsch dir eine lange Fahrt. So beginnt ein bekanntes Gedicht Konstantinos Kavafis‘, das sich einiger Motive aus Homers Odyssee bedient und als Metapher für die Reise des Lebens interpretiert werden kann. Der neuste Ableger von Ubisofts ›Assassins’s Creed‹ Reihe hat mich immer wieder an dieses Gedicht erinnert. Begleiten Sie SEBASTIAN BLUME bei seiner Odyssee durch das antike Griechenland.

In Transit

Digitales | Games: Limbo Mit Limbo kommt eines der spannendsten Indie-Games des letzten Jahres auch auf den PC. Grund genug für DENNIS KOGEL sich das dänische Spiel noch mal anzuschauen.