Halb-göttlich, voll-zornig

Digitales | Games: Asura’s Wrath

Für diesen jungen Mann muss der Begriff »anger management« völlig umgedeutet werden – denn, wenn jener kräftige Kerl erst einmal in Rage geraten ist, gibt es kein Halten mehr. Vorbei die Zeiten, in denen Kerle vor Wut ein Handy gegen die Wand warfen – hier geht es um Zerstörung im intergalaktischen Maßstab. RUDOLF INDERST schaut vorsichtig um die (Planeten-)ecke.

Asuras WrathIhr denkt, Kratos sei ein zorniger Typ? Ihr denkt, bei Bayonetta flögen die Fetzen? Dann bereitet Euch für eine kalte Action-Dusche vor: Gegen Asuras sechsarmige Wutausbrüche wirken bisherige SpieleprotagonistInnen wie lammfromme Schafe. Asura, einst eine verehrte Gottheit, wurde von seinen Götter-Kollegen betrogen und all seiner Mächte beraubt.

Zerfressen vom Hass durch die ihm widerfahrene Ungerechtigkeit, sinnt er auf Rache und erkennt, dass er diese Wut zu seinem Vorteil nutzen und gegen seine Feinde einsetzen kann. Und das wirkt eigentlich zu jeder Zeit bombastisch und spektakulär: Stellt Euch einfach vor, wie es wäre, wenn Ihr einen Vorstellungstermin hättet und die Sbahn fällt aus oder auf dem Weg macht das Auto schlapp – potenziert Eure Rage mit dem Faktor 999.999.999 und schon habt ihr ein 999.999.999stel der Wut im Bauch, die den armen Asura andauernd umtreibt. 

Aaaaaaaaaaaaaaaaargh! Raaaaaaaaaaaaaaaaaaache!

Streitpunkt sämtlicher Besprechungen zu Asura’s Wrath war die, so will ich sie zumindest einmal nennen, Semi-Interaktivität. Capcom belebte mit Resident Evil 4 die bis dahin ein Schattendasein fristenden QTEs wieder – da ist, so merkt die EDGE in ihrer Besprechung von AW an, nur recht und billig, wenn der Titel in Zeiten von »Schlauchspielen« wie Modern Warfare durch Publisher Capcom an die Spitze der Pseudoaktivität getrieben wird.

Die einzelnen Episoden sind nach diesem Schubladenschema eher einem interaktiven Film als einem »vollwertigen« Spielerlebnis zuzuordnen. Es scheint so, als opfere der Titel ganz bewusst sein Gameplay der berauschend-packenden Ästhetik, die Keza MacDonald von IGN UK als »a synthesis of bizarre science-fiction and Japanese mythological imagery viewed through a pen-and-ink, comic-book filter« beschreibt.

Es schließt sich an meine Ausführungen häufig in der Spielpresse der Vorwurf an, dass diese Entkopplung von Spiel und Medium zwar eine nette Idee sei, aber keine, wofür man einen Vollpreis verlangen sollte. Hier ist gut zu erkennen, in welch festgefahrenen Mustern Spielepresse denkt. Nicht das mediale Erlebnis steht im Vordergrund, sondern das Credo einer irgendwie grunddefinierten Idee von Interaktivität oder Konfiguralität.

Die diegetische Welt muss eine Topographie absoluter Ludiszität aufweisen, sonst verweigert man ihr die Legitimität eines vollwertigen Spieles. Das ist nicht sehr weit gedacht und gleicht einer Presswurstfabrik. Asura’s Wrath ist ein unterhaltsamer, augenschmeichelnder Titel, der offensichtlich seiner Zeit und der Rezeption seiner Fachredakteure voraus ist.

| RUDOLF INDERST

Titelangaben
Asura’s Wrath
Developer: CyberConnect2
Publisher: Capcom
Platformen: Xbox 360, PlayStation 3

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Keinen Deut esoterisch!

Nächster Artikel

Ein Charismatiker des Pragmatismus

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Quo vadis Space Shooter?

Digitales | Games: Space Shooter Winter ist die Zeit für Melancholie und Gejammer. Es ist kalt, dunkel und überhaupt – widerlich. Für PETER KLEMENT genau die richtige Zeit, um wehmütig ins All zu blicken.

Mit Schild, Charme und Bizeps

Digitales | Games: Captain America Captain America hat bereits eine lange Reise hinter sich. Während des Zweiten Weltkrieges erlebte er als Verteidiger Amerikas seine ersten Abenteuer und kämpfte gegen die Nationalsozialisten. Mit dem Ende des Krieges änderten sich zwar die Feinde, doch eins blieb immer gleich: Captain America verkörperte immer das Musterexemplar eines patriotischen amerikanischen Helden, der sich für sein Land und gegen Ungerechtigkeiten einsetzt. NORMAN VOLKMANN schaute dem Heroen dabei ein paar Stunden über die Schulter und sieht Parallelen zu einer bekannten Fledermaus.

Von wackeren Herzen

Digitales | Ubisoft: Valiant Hearts Ein verletzter Deutscher unter Trümmern. Der Franzose Emile überlegt nicht lange und befreit unter Einsatz seines Lebens den Versehrten. Kurz darauf, zurück in den gesichtslosen Reihen der Heere, trachten sie einander erneut ums Leben. Es herrscht Krieg bei ›Valiant Hearts: The Great War‹. Das Indie-Spiel der Entwickler von Ubisoft Montpellier kam bereits im Juni 2014 heraus, erzählt aber eine jederzeit relevante Geschichte. Sie handelt von Menschlichkeit in einer unmenschlichen Lage, von Wut, Traurigkeit und Stärke, von Liebe und Aufopferung. Ein wahres Happy End gibt es, wie wir wissen, nicht. Von FLORIAN RUSTEBERG und EVA HENTER-BESTING.

Der Monat in Spielkritik: Juni 2011

Games | Der Monat in Spielkritik: Juni 2011 Jeden ersten Dienstag im Monat blickt das Ressort ›Digitale Spiele‹ zurück auf lesenswerte und wichtige Texte zum Thema Spielekultur. Wir versuchen, einen Überblick zu schaffen und Aufmerksamkeit auf deutsche Texte zu lenken, wollen aber auch den englischsprachigen Raum, der zurzeit synonym mit informierter Spielekritik ist, nicht aus den Augen lassen. Von DENNIS KOGEL und CHRISTOF ZURSCHMITTEN

Rückkehr ins Drachenzeitalter – Dragon Age 2

Digitales | Games: Dragon Age 2 Für viele Rollenspieler war ›Dragon Age: Origins‹ das Spiel des Jahres 2009. Seit einiger Zeit ist nun das lange erwartete Sequel erhältlich. RUDOLF INDERST sprach mit Oliver Salzberger über den Titel. Durch die Blume gibt dieser zudem zu, dass Diablo 3 auch für Heimkonsolen erscheinen wird.