/

Spielzeugkrieg

Digitales | Games: Tiny Metal

Krieg in niedlich – so lässt sich ›Tiny Metal‹ am besten beschreiben. Spielzeugpanzer und Zinnsoldaten ziehen über ein buntes Spielfeld, das mehr strategischen Tiefgang bietet, als der erste Eindruck erahnen lässt. Schließlich entspringt die Inspiration zu ›Tiny Metal‹ aus der äußerst populären Spiele-Serie ›Advance Wars‹, die bei Nintendo schon viel zu lange auf Eis liegt. PHILIPP LINKE hat sich ein Bild vom Schlachtfeld gemacht und erzählt seine Kriegsgeschichten.

In ›Tiny Metal‹ bewegt ihr eure Soldaten und Kriegsmaschinen auf einem Schachfeld, wobei jedes Feld ein anderes Terrain und somit unterschiedliche Vor- und Nachteile bietet. Zum Beispiel findet ihr im Wald Schutz vor Angriffen, auf Straßen kommt ihr schneller voran und auf Hügeln lassen sich Feinde aus der Ferne erspähen. Bewegt werden die Einheiten nacheinander und rundenbasiert, das heißt, solange ihr am Zug seid, muss euer Gegner zusehen und umgekehrt. In Fabriken lassen sich neue Einheiten für Geld ausbilden und Städte wiederum bringen Geld durch Steuern ein. Jede Einheit hat natürlich unterschiedliche Eigenschaften und hat dementsprechend ihren Preis.

Dieses Grundprinzip teilt ›Tiny Metal‹ mit seinem Vorbild ›Advance Wars‹ oder dem noch älteren Ableger ›Famicom Wars‹, der leider nur in Japan erschienen ist. Von da an mischt ›Tiny Metal‹ die bekannte Formel mit frischen Ideen auf. So gibt es in ›Tiny Metal‹ Spezialeinheiten wie das Radar, der Feinde auch im unentdeckten Gebiet (»Kriegsnebel«) aufspürt oder den Scharfschützen, der als Fußsoldat aus der Ferne schießen darf. Weiterhin gibt es einzigartige »Helden-Einheiten«, die als Verstärkung herbeigerufen werden können und sich auch mit dem Verlauf der Kampagne entwickeln. Neu ist zudem die Möglichkeit, Feinde von mehreren Seiten gleichzeitig unter Beschuss zu nehmen, wobei es eine Rolle spielt, ob von der Seite oder von hinten angegriffen wird. Bei all den Neuerungen fühlt sich ›Tiny Metal‹ trotzdem noch wie ein ›Advance Wars‹-Spiel an – und das gefällt!

Nicht jedermanns Story

Die Kampagne hinterlässt gemischte Gefühle. Einerseits sind die Charaktere liebevoll und detailreich gestaltet und sogar synchronisiert, wenn auch nur auf Japanisch (deutsche Untertitel). Allerdings ist die generelle Qualität sehr durchwachsen. So klingen, abgesehen von den beiden gut getroffenen Protagonisten, die übrigen Charaktere sehr emotionslos. Inhaltlich wirkt die Story sehr in die Länge gezogen mit oft überflüssig erscheinenden Dialogen. Hingegen gut gelungen sind die Ausrufe der Einheiten auf dem Schlachtfeld, die übrigens auf Japanisch und Englisch verfügbar sind und viel zur Atmosphäre beitragen.

Design und Präsentation

Graphisch hält sich das Spiel mit einem simplen Stil eher zurück, was der Übersichtlichkeit zugute kommt. Die 3D-Modelle sind auf dem PC gelungen und wirken deutlich moderner als die guten alten 2D-Bilder der ›Advance Wars‹-Spiele. Es gibt drei Zoom-Stufen von kompletter Vogel-Perspektive über eine leicht schräge Ansicht bis fast auf Augenhöhe der Soldaten. Bei Kämpfen wechselt das Spiel in die Kampf-Ansicht mit detaillierterer Umgebung und zeigt eure behüteten Einheiten in Action. Für ungeduldige Menschen lassen sich die Kampfanimationen auch abschalten, sodass ausschließlich auf der übersichtlichen Landkarte gekämpft wird. Der Kriegsnebel bewegt sich dynamisch-fließend und deckt die Landkarte immer nur so weit auf, wie sie eure Einheiten sehen können.

Technisch sind bis auf kleine Darstellungsfehler bei der Missionsauswahl keine Probleme festzustellen. Das Spiel läuft ohne Probleme mit unbegrenzter Anzahl an Bildern pro Sekunde sowie 4K-Auflösung und lässt sich mit Maus und Tastatur oder Gamepad leicht steuern. An Einstellungen werden die üblichen Parameter geboten wie Grafik- und Schattenqualität, vertikale Synchronisierung, Bildratenlimit und Bewegungsunschärfe.

Zukunftsvision

›Tiny Metal‹ wird auch in Zukunft mit mehr Inhalt versorgt. Aktuell gibt es eine Kampagne von 15 bis 30 Stunden Spielzeit und 56 einzelne Gefechte, die jederzeit gespielt werden können. Fest versprochen ist der Multiplayer-Modus, welcher eine Online-Lobby bieten soll und zu einem späteren Zeitpunkt kostenlos erscheinen wird. Die Entwickler gehen im ›Steam‹-Forum sehr offen mit der Spielergemeinschaft um und diskutieren über zukünftige Pläne, wie bspw. dem Hinzufügen neuer Einheiten oder Verbesserungen der künstlichen Intelligenz. Es besteht also Hoffnung für einen Map-Editor, um eigene Karten zu erstellen und sie dann mit Freunden auszutauschen.

Fazit

Selbst bei dem (zurzeit) relativ übersichtlichen Umfang lohnt sich ›Tiny Metal‹ für Strategie-Freunde auf jeden Fall. Die rundenbasierten Kämpfe sind leicht zu erlernen und machen schnell süchtig. Die Story ist etwas langatmig, wird aber durch das grandiose Gameplay in den Schatten gestellt. Wer sein strategisches Können mit seinen Freunden messen möchte, sollte mit dem Kauf noch warten, da der Multiplayer-Modus zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert wird.

| PHILIPP LINKE

Titelangaben
Tiny Metal
Area 35
erhältlich für PC (Steam), Nintendo Switch und Playstation 4.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Landnahme

Nächster Artikel

Verarbeitung an der Oberfläche

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Räuber und Gendarm: Hardline

Digitales | Battlefield: Hardline Ausnahmsweise ist die Downtown von Los Angeles menschenleer, niemand zeigt sich zwischen den Häuserschluchten. Dann dann klingt es aus der Ferne, die Motorengeräusche und ein leises »Whup Whup«. Heran braust ein Polizei Muscle Car, die Beifahrer hängen aus den Seitenfenstern und ballern wild herum. Dazu wummert der Bass des Autoradios. Finden Sie das cool? Dann wird Ihnen auch ›Battlefield Hardline‹ gefallen. Von FLORIAN RUSTEBERG.

Das Erbe der Eskimos

Digitales | Never alone Ehe der Frühling in Deutschland einkehrt, die Blumen blühen und der Heuschnupfen plagt, werfen wir einen Blick auf das Volk im ewigen Eis. Im Nordwesten Alaskas leben die Iñupiat, ein Volk mit 3000-jähriger Geschichte und zahlreichen Sagen. Eine haben sich die Entwickler von Upper Games und E-Line Media zu Eigen gemacht: ›Never alone‹. FLORIAN RUSTEBERG und EVA HENTER-BESTING begleiteten die mystische Reise von Nuna und ihrem besonderen Begleiter durch die eisige Kälte – im warmen Wohnzimmer.

Spaziergang durch die Lüfte

Digitales | Games: Anthem Loot-Shooter, dieser Begriff existiert seit etwa 5 Jahren, als ›Destiny‹ das Licht der Spielewelt erblickte. Die Lieblingstätigkeiten der Gamer – Ballern, Sammeln und zusammen die Welt erkunden – wurden damit vereint. Nicht verwunderlich, dass es über die Zeit Spiele gab, die ein Stück vom Erfolg abhaben wollten. ›Anthem‹, entwickelt durch BioWare, die sich durch Spiele wie ›Dragon Age‹, ›Mass Effect‹ oder ›Star Wars: The Old Republic‹ einen Namen machten, soll dem Spiele-Giganten ›Destiny‹ die Stirn bieten. Doch wird das über sechs Jahre entwickelte Projekt den Anforderungen gerecht? Von LINH NGUYEN.

Die japanische Bibelexegese des kleinen Mannes

Digitales | Games: El Shaddai – Ascension of the Metatron Style über Substanz? Das Videospiel als Jahrmarktattraktion? Oder doch wieder die alte Kunstdebatte? RUDOLF INDERST wirft einen Blick auf ›El Shaddai: Ascension of the Metatron‹.

Kartelle, wohin man sieht

Digitales | Games: Call of Juarez: The Cartel Die schnellste Maus von Mexiko? Der Puppenspieler von Mexiko? Nein, drei Pfundskerle, die in der Ego-Perspektive ein mächtiges Drogenkartell an die Wand fahren wollen. RUDOLF INDERST ist ebenfalls gegen needle sharing.