Kinderbuch | Müge Iplikçi: Der fliegende Dienstag
Geheime Wünsche hat jedes noch so kleine Kind. Allein sich vorzustellen, wie sie wahr werden, macht schon glücklich. Natürlich braucht man Fantasie dazu, aber welches Kind hat die nicht? Müge Iplikçi nimmt einen kindlichen Wunschtraum und verwebt ihn mit einem Ereignis aus dem Alltag. Herausgekommen ist ein etwas anderes Kinderbuch mit dem eigentümlichen Titel Der fliegende Dienstag. Von MAGALI HEISSLER
Sibel heißt die kleine Hauptfigur dieser Geschichte und an dem Tag, diesem Dienstag nämlich, hat sie schulfrei. Am nächsten Tag ist Zuckerfest. Das wiederum bedeutet, dass sie mit ihrer Mutter und den Zwillingen Mehmet und Zara auf den großen Dienstagsmarkt gehen wird, um alles Nötige für das Fest einzukaufen. Ein Marktbesuch ist etwas Spannendes! Schon auf dem Weg geschieht Aufregendes, die Kinder sehen eine alte Frau im Müll wühlen. Sie staunen, das sind sie nicht gewöhnt. Die Mutter gibt Sibel ein Geldstück für die alte Frau. Zu ihrer Verblüffung schenkt diese Sibel ein Bonbon dafür.
Der Trubel und die Lebhaftigkeit auf dem Markt nehmen Sibel aber gleich darauf so gefangen, dass sie alles andere vergisst. Sogar die Mahnung ihrer Mutter, einfach stehenzubleiben, wenn sie sich verlaufen hat. Und prompt weiß Sibel nicht mehr, wohin.
An ihrer Lage aber ist sie sozusagen doppelt schuld. Sibel ist nämlich eine Träumerin. Am liebsten träumt sie davon, fliegen zu können. Wenn sie davon träumt, verschwindet die ganze Welt.
Kinderträume, Kinderprobleme
Iplikçi präsentiert den kleinen Leserinnen und Leser Sibel von Anfang an in drei Facetten, ein höchst fantasiebegabtes und – geneigtes kleines Mädchen, eine geliebte Tochter und bewunderte große Schwester der Zwillinge, zugleich aber ein kleines Mädchen mit einem recht großen Kummer. Die Mutter hat sich vor langer Zeit mit der Großmutter zerstritten. Sibel vermisst ihre Großmutter sehr.
Auf dem Weg zum Dienstagsmarkt schon beginnen sich die reale und Sibels Fantasiewelt zu vermischen, der Traum vom Fliegen rückt märchenhaft in den Vordergrund. Beim Anblick der alten Frau am Mülleimer aber wird auch die Sehnsucht an die Großmutter wach. Die mischt sich im Folgenden immer stärker in Sibels Träumereien. Und schon entschwebt die Realität, der Dienstag fliegt sozusagen davon, wie Sibel in ihrer Fantasie.
Iplikçi erzählt das Ganze durchaus geschickt, aber nicht immer leicht verständlich für ihr junges Publikum. Konzentration ist nötig. Auch für die Probleme, die angesprochen werden.
Buntes und Realitäten
Die Geschichte spielt in Istanbul, es gibt also neben dem Ungewöhnlichen von Sibels Traumreisen auch Ungewohntes. Das wird jeweils gleich unten auf den Seiten erklärt, ausreichend, aber immer knapp, sodass weder der Lese- noch der etwaige Vorlesefluss davon gestört werden. Eine Aussprachehilfe für die fremden Buchstaben gibt es im Anhang. Es macht ebensoviel Spaß, Sibels ganz normalen Alltag zu entdecken, wie ihr durch ihre Traumwelt vom Fliegen zu folgen.
Verträumt-realistisch sind auch die hübsch bunten Zeichnungen von Mustafa Delioğlu. Verrückte wie realistische Situationen fängt er sowohl in großen als auch in den vielen kleinen Bildern ein, die fast auf jeder Seite auftauchen. Sibels neugieriges, glückliches, fragendes oder gar verzweifeltes Gesichtchen verdeutlicht das Erzählte, spitzt es zu und bringt eine eigene Buntheit in die an sich schon schönen Worte der kleinen Erzählung.
Eine eigene, ein wenig sperrige Geschichte, die sich aber reich entfaltet und eine Entdeckung lohnt.
| MAGALI HEISSLER
Titelangaben
Müge Iplikçi: Der fliegende Dienstag. Illustriert von Mustafa Delioğlu. (2010 Uçan Salı.)
Aus dem Türkischen übersetzt von Ebru Wittreck.
Basel: Baobab Books 2013.
88 Seiten. 15, 90 Euro
Kinderbuch ab 7
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