Comic | Manfred Deix: Der Heilige Deix
Vergangene Woche wurde Comic-Deutschland von einem Eklat überschattet. Der Anlass war eher nichtig. Weniger nichtig, sondern vielmehr alarmierend ist dagegen der Umstand, dass der österreichische Satiriker Manfred Deix nach Herausgabe seines Cartoon-Kompendiums Der Heilige Deix nach wie vor Erlösung durch die Beichte erfahren kann. CHRISTIAN NEUBERT betet erst einmal ein Vater Unser.
Seit dem 23. Mai wurden im UB-Foyer der Universität Duisburg-Essen (UDE) im Rahmen einer vom Fachbereich Anglistik ausgetragenen Ausstellung studentische Collage-Arbeiten präsentiert. Die Plakate – zwölf an der Zahl – spiegelten u.a. wider, wie und inwiefern die literarische Gattung der Graphic Novel politische und gesellschaftliche Inhalte transportiert bzw. transportieren kann. Diesbezüglich wurden einigen Comic-Auszügen studentische Texte zu Erzähltechniken sowie kritische Bildanalysen gegenübergestellt.
»Einige Tage vor dem regulären Ausstellungsende erregten zwei der ausgestellten Poster, u.a. eine Collage mit verschiedenen Szenen aus Craig Thompsons Orient-Comic Habibi, den Unmut bei einigen muslimischen Studierenden. Sie fühlten sich in ihren religiösen Empfindungen verletzt und beklagten dies vehement. Überlegungen seitens der Bibliotheksleitung, eine Diskussion zwischen den beteiligten Gruppen herzustellen, mussten zunächst zurückgestellt werden, weil sich die Ereignisse kurz darauf verselbstständigten: Am 17. Juni hing eine Studentin ein Plakat auf eigene Faust ab; am 24. Juni ein zweites, das sich mit einem Roman zur Situation im gegenwärtigen Israel befasst. Mit einer in der Nähe liegenden Schere schnitt sie Bildinhalte heraus und übergab den Torso der Bibliotheksleitung.
Daraufhin wurde die Ausstellungsdauer aus Protest gegen die erfolgte Zensur verkürzt. »Eine teilzensierte Ausstellung hätte als Eingeständnis einer Schuld gewertet werden können, was auf jeden Fall vermieden werden sollte« – dies betonten sämtliche Professorinnen und Professoren des Instituts für Anglophone Studien in einer gemeinsamen Stellungnahme. Außerdem galt es, die Studierenden zu schützen und einen normalen Bibliotheksbetrieb zu gewährleisten.«
Satire und Selbstzensur
Diese Worte sind nicht etwa das Werk eines Satirikers. Es ist ein Auszug aus der am 3.Juli veröffentlichten Pressemitteilung der UDE, in der diese ihr Duckmäusertum als angemessene Maßnahme gegen Zensur verkaufen möchte.
Wir vom TITEL-Magazin wenden unseren Blick natürlich auch lieber ab – und blicken stattdessen nach Österreich. In unserem Nachbarland scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Immerhin hat man den Cartoonisten Manfred Deix bisher noch nicht gesteinigt oder dergleichen. Wenn man das Verhalten der UDE nämlich als standesgemäß betrachtet, dann müsste der in St. Pölten geborene Satiriker längst das Opfer religiöser Eiferer gewesen sein.
Deix´ neuester Streich, Der heilige Deix, ist eine Kompilation seiner kirchenkritischen Cartoons. Natürlich beginnt sie mit dem Anbeginn der Zeit. Deix, der bereits als Elfjähriger eine Comicstrip-Reihe für die Niederösterreiche Kirchenzeitung schuf, stellt zunächst die vom Herrgott verworfenen Modelle einer möglichen Welt vor – die Kugelform eignet sich wohl doch am besten, um den Schäfchen aufzuzeigen, wo einen Himmel und Hölle erwarten. Anschließend macht er sich nicht nur ein Bild von Gott, nein: er wartet lästerlicherweise gleich mit mehreren davon auf. Immerhin nimmt er Jesus Christus im Gegensatz zu dem, was man landläufig im Religionsunterricht vermittelt bekommt, als Mensch gewordenen Heiland ernst – und stellt richtig, dass der frisch Gekreuzigte statt eines »Es ist vollbracht« lediglich ein »Auu!« über seine schmerzverzerrten Lippen brachte.
Auch darüber hinaus zeigt sich Deix ausgesprochen vorurteilsfrei – er geht nicht kategorisch davon aus, dass die Würdenträger der katholischen Kirche aufgrund eines Zölibats-Gelübdes allesamt keusch und demütig vor sich hin predigen. Immerhin sind sie im Sinne eines anderen »evangelischen Rates« auch zu einem Leben in Armut angehalten – es ist offensichtlich, dass hier ein enormer Spielraum wahrgenommen werden kann. Entsprechend gesteht Deix den Gottgeweihten nicht nur in Ausnahmefällen ein Leben voller herkömmlicher und abwegiger Erotik zu. Die Blicke in die Sakristei und unter die Soutane, die er einen hierzu gestattet, sind sowohl einfalls- als auch aufschlussreich.
Ironie und Blasphemie
Mag sein, dass man als Leser irgendwann von Deix´ Katholizismus-Kalauern, von seinen Pfaffen-Possen und seinen Bibel-Brüllern genug hat. Aber bis dahin – und das kann dauern – unterhält Deix vortrefflich mit seinen beißenden Cartoons. Viele seiner bei aller Überzeichnung recht lebensnah gehaltenen und aquarellig kolorierten Bilder muten auf den ersten Blick etwas derb an. Humoristisches Feingefühl beweist er allerdings in seinen Bildunterschriften und den gerne auch mal gereimten Dialogen zwischen – z.B. – den in umgekehrten Verhältnissen dargestellten Beziehungen zwischen Priestern und Pfarrhausfrauen. Die Gegenüberstellung von Brachialem und Subtilem ist seine wahre Stärke. Wem hier trotz des durchweg ernsten Ansatzes nicht nach Lachen zumute ist, der möchte sofort die nächstgelegene Schere … aber lassen wir das.
Wer generell ein Fan von zynischem Humor, Cartoons und Satire, die ihren umwälzerischen Auftrag ernst nimmt, ist, der sollte die Furcht vor dem Fegefeuer kurz von sich abstreifen und den prall gefüllten Kelch des heiligen Deix nicht ungelesen an sich vorüber gehen lassen. Und auch, wenn die Jungs und Mädels der UDE in Sachen Satire ein Stück mehr Mut zur Subversion beweisen: An das zeichnerische Talent eines Manfred Deix müssen sie erst einmal rankommen.
| CHRISTIAN NEUBERT
Titelangaben
Manfred Deix: Der Heilige Deix
Salzburg: Ecowin Verlag 2013
80 Seiten, 14,95 €
Reinschauen
5-teilige Doku über Manfred Deix