Ausgebuffte Kampagnen

Sachbuch | Peter Strutynski (Hg.): Töten per Fernbedienung. Kampfdrohnen im weltweiten Schattenkrieg

Plumpe, dumme, nein dümmste Marketingstrategien sind bemüht, unser Handeln und unseren Blick auf die Welt zu steuern. Wir können das bedauern. Ändern? Wir können nur immer von neuem versuchen, uns nicht mitziehen zu lassen. Gibt ne Menge Namen dafür. Neulich sagten wir noch Werbefeldzüge, davor gab’s das Wort Propaganda. Die Sprachregelung der Political Correctness hat sich feines Tuch angetan und lernt von den krawattentragenden Usançen des Consulting, man spricht von »Präsentation«. Die Tatsachen sind unverändert. Von WOLF SENFF

fernbedienung
Drohnen, es geht um Drohnen. Und wir merken auch hier: Es ist immer dasselbe mit den modernen Technologien. Ein »Think Tank« setzt seine Blaupause in die Welt, dann wird produziert und eine »Innovation« mit viel Getöse auf den Markt gebracht. Wir kennen das von der »Kernenergie«, wahlweise auch »Atomkraft«. Was für markige Worte! Was für ausgebuffte Kampagnen! Irgendwann aber bricht das Produkt ein, und nun muss ausgelöffelt werden, was eingebrockt wurde. Dann wird der Steuerzahler bemüht, und manche Konsequenzen sind nicht absehbar.

Genauso geht’s mit den Drohnen. Der Schaden, der angerichtet wird, ist unübersehbar, da wird eine Lawine losgetreten, »wir ermutigen gerade eine ganze Generation junger Muslime, uns zu hassen« (Jeremy Scahill in der SZ vom 28.10.), und ungebrochen gilt die offizielle Sprachregelung, es gebe »eine unaufhaltsame Dynamik zur Entwicklung autonomer Systeme«.

Mit »Intelligenz« hat das nichts zu tun

Noel Sharkey zeigt in seinem Beitrag, wie grenzwertig auch im Detail die Verwendung von Sprache ist. Denn bei Robotersystemen von Autonomie zu reden, ist trügerisch. Es gibt keine denkenden Roboter. Sie »verstehen« auch nichts, wie noch die Joint Doctrine Note des britischen Verteidigungsministeriums formuliert, sondern führen eine vorprogrammierte Folge von Operationen aus, es handelt sich um Automaten.

Noel Sharkeys ist einer von dreizehn Aufsätzen in Peter Strutynskis Sammelband zum Thema Drohnen. Auch wenn zurzeit das Thema Drohne durch das Thema NSA überlagert ist, dürfen wir uns darauf verlassen, daß es nicht unter den Teppich gekehrt werden kann. Dafür sorgt allein die Selbstverständlichkeit, mit der die Entwicklungskonzepte der US-Luftwaffe die Drohne (UAV – Unmanned Aerial Vehicle) zu einem Stützpfeiler ihrer Einsatzstrategien machen. Dass es sich dabei nur um wishful thinking handeln kann, zeigt der Beitrag von Nick Turse.

Wir werden über die im Sinne des Völkerrechts äußerst problematische, weil widerrechtliche Praxis des Drohneneinsatzes informiert (Norman Paech), über den Einsatz von Aufklärungsdrohnen, sogenannten Quadrokoptern seitens der Landesinnenbehörden, über Initiativen in europäischen Ländern gegen den Einsatz von Drohnen. Tom Barry zeigt in seinem Beitrag, wie in den USA gezielter Lobbyismus, Vergünstigungen und Wahlkampfspenden zum Boom der Drohnentechnologie beitragen. Peter Strutynskis Themenband informiert detailliert, umfassend, aufschlussreich, er liefert das »Rüstzeug« für jedes Gespräch über ein Thema, das seine Aktualität nicht verliert.

| WOLF SENFF

Titelangaben:
Peter Strutynski (Hg.): Töten per Fernbedienung.
Kampfdrohnen im weltweiten Schattenkrieg.
Wien: Promedia 2013
223 S., 14,90€

Buchvorstellung in Hamburg
am Donnerstag, 7. November 2013
ab 19:30 Uhr

in Barmbek Basch, Zentrum für Kirche, Kultur und Soziales,
Wohldorfer Straße 30, 22081 Hamburg (U-Bahn Dehnhaide)
Es diskutieren:
Norman Paech (Autor, Völkerrechtler),
Hans-Arthur Marsiski (Journalist, Historiker)
Eine Veranstaltung des HAMBURGER FORUM für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.

3 Comments

  1. Kein Kommentar, sondern eine Frage:
    Können wir die Besprechung des Drohnen-Buches auch auf der Website der AG Friedensforschung dokumentieren – mit genauer Quellenangabe und einem Link auf das „titel kulturmagazin“?
    Mit besten Grüßen
    Peter Strutynski

Schreibe einen Kommentar zu Wolf Senff Antworten abbrechen

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Er ist zurück

Nächster Artikel

Traditionsbewusst und Zukunftsträchtig

Weitere Artikel der Kategorie »Gesellschaft«

Einfache Antworten auf drängende Fragen

Sachbuch | Imad Mustafa: Der Politische Islam Seit etwa dreißig Jahren machen sich im Nahen Osten Parteien und Massenbewegungen bemerkbar, die sich explizit auf den Islam als Richtschnur für politisches Handeln beziehen. Vom Westen misstrauisch beäugt und in der Regel als Rückfall in die Vormoderne gewertet, haben islamistische Parteien im sogenannten Arabischen Frühling von 2011 breite Zustimmung in der Bevölkerung erfahren und sind in Tunesien und kurzzeitig auch in Ägypten zu Regierungsparteien geworden. Imad Mustafa stellt in Politischer Islam vier von ihnen vor. Von PETER BLASTENBREI

Angenommen

Kulturbuch | Maya Deren: Der Tanz des Himmels mit der Erde. Die Götter des haitianischen Voodoo Wer mit ansieht, dass ein leckgeschlagenes ökonomisches System sich mit großer Beharrlichkeit über Wasser hält, findet aus dem Staunen gar nicht wieder heraus. Wie kann es angehen, dass Abgründe klaffen zwischen Manager-Gehältern und Hartz-IV-Sätzen? Wie kann es sein, dass die Luft, die wir atmen, systematisch vergiftet wird? Fragen, Fragen, Fragen und allüberall ein immenses Gegacker. Von WOLF SENFF

Heil Boskop!

Gesellschaft | Front Deutscher Äpfel: Das Buch zur Bewegung Ein neues Buch rekapituliert die Geschichte der »Front deutscher Äpfel«, einer satirischen Organisation gegen Rechts. Gerade im momentanen Klima lohnt sich ein näherer Blick, findet JAN FISCHER.

Alte neue Überfremdungsfantasien

Gesellschaft | Doug Saunders: Mythos Überfremdung Als der Rechtsterrorist Breivik zu seinem Todeszug aufbrach, hinterließ er auf dem Computer ein Manifest von nicht weniger als 1518 Seiten. Die norwegische Justiz behandelte Breivik als Einzeltäter. Dieser Text zeigt aber, dass er sich selbst als Glied einer internationalen Front verstand, für die längst unumstößliche Glaubenstatsache geworden ist, was der kanadische Publizist und Migrationsforscher Doug Saunders den Mythos Überfremdung nennt. Von PETER BLASTENBREI

Die Freude am Spiel wird geklaut

Gesellschaft | Dilger / Fatheuer / Russau / Thimmel: Fußball in Brasilien: Widerstand und Utopie Südafrika 2010 sind »die Einnahmen der Fifa gegenüber der letzten WM in Deutschland im Jahr 2006 um mindestens fünfzig Prozent gestiegen«. Da wussten sie doch, die Brasilianer, was sie erwarten würde. Oder? Aber Lula, bis 2010 Präsident Brasiliens, war offenbar närrisch, wenn es um Fußball ging. Von WOLF SENFF