Spektrum | Ausstellung: Biko: The Quest for a True Humanity
Der 4.Panafrikanismus-Kongress München war dem südafrikanischen Bürgerrechtler Steve Biko gewidmet. SABINE MATTHES blickt zurück auf die Tagung und die noch laufende Ausstellung.
Optisch hatte die Inszenierung etwas vom Reiz eines Boxkampfes. Nur ging es hier um die Verhandlung blutiger historischer Fakten und den schmucken Rahmen der Nummern-Girls bildeten prachtvoll gekleidete Moderatorinnen in leuchtfeuerfarbenen, afrikanischen Stoffen. Inhaltlich folgte der 4.Panafrikanismus-Kongress München, der am 18. und 19.Oktober in der InitiativGruppe und der Muffathalle stattfand, dem Motto »Lernen aus der Vergangenheit«. Er wurde von zwei Ausstellungen begleitet, über das Leben des südafrikanischen Bürgerrechtlers Steve Biko und den Völkermord in Namibia.
Parlamentarische Vertreter aus Namibia mahnten, Deutschland solle seiner Verantwortung für den dortigen Völkermord nachkommen. Etwa 80 Prozent der Herero und 60 Prozent der Nama hatten 1904-1907 unter dem Befehl des Generalleutnants von Trotha ihr Leben verloren. Während Deutschland eine offizielle Entschuldigung bis heute verweigert, um keine Reparationen zahlen zu müssen, sieht man aus namibischer Sicht diese Leugnung als Verlängerung des Genozids und fragt, warum man nicht gleichberechtigt wie die jüdischen Opfer des Holocaust entschädigt wird.
Die Ordnung der Welt als hierarchische Stufenleiter
Um Kolonialismus und Sklaverei zusammenzubringen, sprach der Senegalese Eloi Coly von Goree Island, einer kleinen Insel vor Dakar, wo er der Leiter des Maison des Esclaves de Goree (Haus der Sklaven) ist. In drei Jahrhunderten sind von hier aus 15 bis 20 Millionen West Afrikaner Richtung Amerika verschifft worden. Sechs Millionen starben auf dem Weg. Häufig wurden ganze Familien auseinandergerissen. Entsprechend der potentiellen Abnehmer konnte der Vater nach Louisiana in die USA, die Mutter nach Brasilien oder Cuba und die Kinder nach Haiti verschickt werden. Heute ist Goree Weltkulturerbe, ein Symbol der Erinnerung und Versöhnung.
Den Bogen zur modernen Sklaverei des 21. Jahrhunderts spannte der mauretanische Menschenrechtler Biram Dah Abeid. Bis zu 600.000 Menschen sind in der Islamischen Republik Mauretanien trotz Verbot versklavt, was 20 Prozent der Gesamtbevölkerung entspräche. Es sind die Nachfahren von vor Generationen versklavten und bis heute nicht freigelassenen Menschen, die den »weißen Mauren« als Sklaven dienen. Durch sein Engagement konnte Abeid die Einleitung von Ermittlungen gegen mehrere Sklavenhalter bewirken, woraufhin Tausende Sklaven freigelassen und öffentliche Debatten zu Sklaverei und Diskriminierung von Schwarzafrikanern angeregt wurden.
Schuld trägt nicht nur der europäische, sondern auch der arabische Rassismus und Imperialismus. Der nigerianische Historiker Michael Onyebuchi Eze sieht die Rolle von Boko Haram heute in Nigeria als arabischen Nationalismus übersetzt in Religion. Auch Darfur sei kein christlich-muslimischer Konflikt, sondern arabischer Rassismus gegen Schwarze. Eze beschrieb, wie der europäische Rassismus durch die Denker der Aufklärung – Hegel, Hume, Kant und Montesquieu – geprägt wurde. Sie verstanden die Ordnung der Welt als eine hierarchische Stufenleiter, wo die Affen als am höchsten stehende Tiere in die unmittelbare Nähe der »niedrigsten« Menschen gestellt wurden, als welche man meist die Schwarzen ansah. Sie konstruierten eine menschliche Identität, die den weißen Europäer an die Spitze der Vernunftbegabten stellte und den Afrikaner als ein Kind des Augenblicks sah, dem Rationalität, Geschichte, Kultur und Tradition fehle. Solche Afrikaner, die »noch keine Menschen« waren, »mussten« kolonialisiert und »zum Menschsein erzogen« werden.
»Landesverräterisches Treiben«
Als Reaktion auf diese Demütigungen entstand der Panafrikanismus und das »Black Consciousness«-Movement in Südafrika. Der Münchner Kongress war zwei seiner prominentesten Vertretern gewidmet: der politisch engagierten Sängerin Miriam Makeba, die 1963 den Fall der Apartheid vor die UNO brachte, sowie dem Anti-Apartheid-Kämpfer und Gründer der »Black Consciousness«-Bewegung, Steve Bantu Biko. Biko hatte die South African Students‘ Organisation (SASO) mitgegründet, die ein »schwarzes Bewußtsein« und politische Eigenverantwortung propagierte. Nachdem 1963 im Rivonia-Prozess Nelson Mandela und andere ANC-Führer verhaftet wurden, entstand in diesem politischen Vakuum aus der SASO die von Biko geführte »Black Consciousness«-Bewegung. Während der ANC weiße Teilhabe in seinem Kampf für eine gemeinsame Zukunft befürwortete, lehnte die »Black Consciousness«-Bewegung dies aus Angst vor Bevormundung ab und war damit den Black Panthers in den USA näher. Neben Protesten und Streiks wurden Selbsthilfe-Gruppen organisiert, die in den schwarzen Gemeinden Schulen und Kliniken bauten. Da die Apartheidsregierung dies als »landesverräterisches« Treiben ansah und Bikos Heimatstadt King William’s Town zum Zentrum des gewaltlosen Widerstands avancierte, wurde Biko als Symbol der Bewegung 1977 verhaftet. Er starb, 30-jährig, in Polizeigewahrsam an den Folgen von Folter. Sein Credo, dass der eigene Tod ein politischer Akt sein könne, erfüllte sich. Durch seine Bekanntheit machte der Mord weltweit Schlagzeilen und öffnete vielen die Augen über die Brutalität des Apartheidsregimes.
Als Ehrengast war Steve Bikos Sohn eingeladen, Nkosinathi Biko. Er erinnerte daran, dass Hendrik Verwoerd, der als Architekt der Apartheid gilt, kurze Zeit vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten zum Psychologiestudium in Deutschland war, wo er den Geist der Zeit aufnahm. Und dass für Steve Biko das gefährlichste Instrument des Unterdrückers die Seele des Unterdrückten war. Neben Frantz Fanon prägte der brasilianische Befreiungspädagoge Paulo Freire sein Denken. Als größter Erfolg von Bikos Bewegung gilt, das Minderwertigkeitsgefühl und die Furcht aus den Köpfen der Schwarzen vertrieben und durch ein neues Gefühl von Stolz, Selbstvertrauen und gegenseitigem Respekt ersetzt zu haben. Den selbstverantwortlichen Bürgersinn, mit dem sein Vater damals ohne staatliche Hilfe eine Klinik baute, wünscht er sich auch für das neue Südafrika, in dem zwar Gleichberechtigung, aber immer noch eine Konzentration von Armut in den schwarzen Gemeinden herrscht. Denn »das Wohlergehen des Nachbarn definiert, ob es uns gut geht, und wenn es der Peripherie nicht gut geht, dann geht es uns, Südafrika, nicht gut.«
Ausstellung
Biko: The quest for a true humanity
18.10.2013 – 17.11.2013
Karlsstr. 50, 80333 München