Die wollen nur spielen

Musik | Toms Plattencheck

Das kanadische Duo Bet.e & Stef ist in seiner Heimat bereits seit einem Jahrzehnt äußerst erfolgreich mit poppigem Bossa Nova im chilligem Downbeattempo. Die kanadische Presse zieht gerne Sade und Koop zum Vergleich heran und zeigt damit auch an, wer sich darüber freuen wird, dass man alle bisherigen Hits des Duos als It’s all right nun auch hierzulande erstehen kann. Von TOM ASAM

0aMan darf sich dabei nicht daran stören, dass gefühlt jeden Moment das Sweetest taboo gebrochen wird oder Matt Biancos Half a minute mitklingt. Es ist schon ziemlich harmloser Wohlklang, der hier zu hören ist. Auf CD2 sorgen zwar Richard Dorfmeister, Rainer Trüby, Louie Vega und weitere renommierte Künstler für etwas mehr Abwechslung durch ihre Remix-Bearbeitungen von ausgewählten Stücken der Kanadier, das Ganze bleibt dennoch eher gediegene Soundtapete für nebenbei.

0bDer Kölner Schlagzeuger, DJ & Produzent Razoof präsentiert mit Jahliya Sound bereits sein sechstes Solo-Album. Nachdem er sich bislang in diversen elektronischen Spielarten von Downbeat bis House versucht hat, konzentriert er sich diesmal auf seine im Reggae liegenden Wurzeln. Razoof legte bereits vor etwa 20 Jahren regelmäßig Dub- und Dancehall Knaller auf und agierte in diversen Reaggae-Formationen als Schlagzeuger. Nun hat er sich einen Traum erfüllt und einige namhafte Stimmen für sein Album gewinnen können. Wir hören unter anderem ex Black Uhuru Frontmann Mykal Rose, die jamaikanische Legende Cornel Campbell und seinen gefeirten Landsmann Luciano. Razoof verbindet seine Liebe zum Roots Reggae mit seiner Erfahrung bezüglich zeitgemäßem Sounddesign und eingängigem Songwriting – und beschert seinen Hörern ein Album auf internationalem Niveau. Für eine willkommene Abwechslung sorgen bei aller Jamaika-Huldigung die aus Uganda stammende und in Berlin lebende Jaqee sowie der gambianische Kora-Meister Pa Bobo Jobateh. Kaum ins Gewicht fällt da wohl, dass die Lyrics bei aller gut gemeinten Lebensfreude doch eher schlicht ausfallen – Songtitel wie Keep the faith, Life is a journey oder No man stands alone, deuten den Hang zum Lebensweisheiten-Kalenderspruch an. Halb so wild, zumal es vier der stärksten Titel in zusätzlichen Instrumental-Versionen als Zugabe gibt!

0cAuch die Niederländer Kraak & Smaak sind schon wieder mit neuem Material in die Holzpuschen gekommen. Sie surfen mit glattem Vocal-House und funky Disco-Pop auf der Chrome Wave. Vier Songs lang denke ich leicht abschätzig »Freitag Abend in der Großraumdisco!«, doch mit der Nummer Love inflation (featuring Janne Schra) gebe ich den Widerstand auf. Was soll schon schlecht daran sein, mit anderen Leuten am Wochenende Spaß zu haben? Das mag zwar alles etwas cheesy sein, aber es groovt wie die Sau – und Hitpotential kann man den Amsterdamern einfach nicht absprechen. Niederländische wie auch US amerikanische Radiostationen haben das längst gemerkt. Weitere Vocal-Gäste: unter anderem Ben Westbeech, John Turell und Berenice, die Hauptsängerin der Kraak & Smaak Live-Shows. Wieder gelungen auch das Cover – verantwortlich dafür ist Jacob Escobedo, der auch schon für die Shins, Broken Bells oder Vampire Weekend für die passende Verpackung sorgte.

0dDas Projekt »Heimatlieder aus Deutschland« richtet den Fokus auf folkloristische Musik, die Migranten aus ihren Herkunftsregionen mitbrachten. Dieser »Folk«, der für die Arbeitsmigranten eine Brücke wischen den Welten darstellte, war in Seiner Bedeutung fast vergessen, wird aber auf vielfältige Weise gerade neu entdeckt. Das Berliner Projekt machte sich auf die Suche. »Auswahlkriterium war: die jeweilige Musik musste aktuell in Berlin zu finden sein und aus einem Land stammen, mit dem die Bundesrepublik oder die DDR einen Anwerbevertrag hatten. Wir machten uns auf den Weg durch Chorverzeichnisse, Vereinslokale, Restaurants und „ethnische“ Kneipen, um Leute zu finden, die aktuell Folklore machen. « Stücke aus Italien, Griechenland, Portugal, Spanien, Kroatien, Serbien, der Türkei, Marokko, Südkorea, Polen, Mozambique, Kuba und Vietnam wurden schließlich von Chören und Bands neu eingespielt, dabei waren 120 Menschen beteiligt. Für die etwas andere Sammlung internationaler Elektronikfolklore New German Ethnic Music wurde das Material anschließend von Künstlern wie Matias Aguayo, Ulrich Schnauss, Gudrun Gut u.v.m. bearbeitet. Um mehrere Ecken (viele der Künstler haben ja wiederum auch eine Art Migrationserfahrung) wurden so aus kubanischem Son, mozambiquanischen Marrabenta, vietnamnesischem Quan Ho oder spanischen Renaissance Chorgesang ganz besondere Immigrant songs. Wie jeder Mensch hat hier auch jedes Musikstück eine ganz eigene Geschichte und besondere Art. Dass das Ergebnis dabei alles andere als bemüht oder beliebig klingt, deutet auf die besondere Sorgfalt hin, mit der dieses Projekt betrieben wurde bzw. wird. Unbedingt hörenswert!

| TOM ASAM

Bet.e & Stef: It´s allright – Compost / Groove Attack
Razoof: Jahliya Sound – Poets Club Rec.
Kraak & Smaak: Chrome Waves – Jalapeno / Groove Attack
New German Ethnic Music – Immigrant’s Songs from Germany – Karaoke Kalk / Indigo / Morr Music (www.heimatliederausdeutschland.de)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Klarer Tim, klarer Struppi

Nächster Artikel

Auf anspruchsvollem Niveau

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Wie es sich gehört!

Musik | Stop Inside: Never Come Back Stop Inside – das sind die Würzburger Newcomer Alice, Fabi, Marci, Hansi und Maxi in typischer Rock-Besetzung: Frontfrau, zwei E-Gitarren, Bass und Schlagzeug. Sie haben bereits im Umkreis eine Vielzahl von Gigs abgeliefert und auch schon bei dem einen oder anderen Contest abgeräumt. Von MARC HOINKIS

Kein fauler Zauber

Musik | Darjeeling: Hokus Pokus Das Album ›Hokus Pokus‹ von Darjeeling ist eine wirklich überraschende Reise in die verworrenen Labyrinthe der Musik und fordert die absolute Hingabe des Hörers. MARC HOINKIS ließ sich verhexen.

Thought Crimes and 4/4 Beats: An Interview With Red Pig Flower

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world Every so often a record will come along which makes you sit up and take notice. Right from the very first bars you know this is the one for you. One such 12” entered my life a few weeks ago in the form of Thought Crime, the sumptuous new EP by Red Pig Flower. Containing a generous helping of deep, melodic house, lush ambiance and smooth techno beats, each of the record’s four tracks are rich with personality and soul. By JOHN BITTLES

Krakaus Kroke

Musik | Kroke: ten pieces to save the world

Oriente Musik in Berlin hält dem Trio Kroke aus Krakau die Treue. Kroke - das sind der Multiinstrumentalist Tomasz Kukurba, Jerzy Bawol am Akkordeon und Tomasz Lato am Kontrabass, zu denen sich dann noch Gäste gesellen. Kukurba und Lato – die Technik macht's möglich – simulieren fallweise ein ganzes Streichorchester. Von THOMAS ROTHSCHILD.