Zukunft als Geschenk

Kinderbuch | Davide Cali / Maurizio A. C. Quarello: Kleiner Inuit und der weise Elch

Wie wohl jedes Kind stellt Kleiner Inuit viele Fragen, doch nicht alle Fragen sind leicht zu beantworten. Um herauszufinden, ob auch er ein großer Jäger werden wird, begibt sich Kleiner Inuit auf eine abenteuerliche Reise durchs ewige Eis und – verbotenerweise – über den großen See. JOHANNES BROERMANN hat ihn begleitet.

Davide Cali / Maurizio A. C. Quarello: Kleiner Inuit und der weise ElchIrgendwann überwältigt ihn die Neugier. Von anderen Menschen nur vertröstet, dass er warten und größer werden müsse, um Antworten zu bekommen, beschließt Kleiner Inuit, den Hasen zu fragen. Der habe ja so große Ohren und vielleicht könne er hören, was am anderen Ufer des großen eisigen Sees sei? Und vielleicht habe er schon gehört, ob Kleiner Inuit ein großer Jäger werde?

Doch der Hase empfiehlt nur die Spürnase des Fuchses, der wiederum verweist auf die Sehkraft der Schneeeule. Immer begleitet von einem kleinen Husky trifft er schließlich auf den Wal. Der weiß zwar auch keine Antworten, aber er bietet die Überfahrt in die Mitte des Sees zu einer kleinen Insel an: »Dort wohnt der, der uns alle kennt. Dich kennt er auch, das steht fest. Wenn einer deine Fragen beantworten kann, dann er.« Mutig besteigt Kleiner Inuit die Nase des Wals und lässt sich auf der »Insel zwischen den Zeiten« absetzen.

Keine Spuren im Schnee

Für seinen Mut wird er reichlich belohnt, der »Weise der Zeit« kommt als weißer und weiser Elch daher. Er lässt Kleiner Inuit ans andere Ufer des großen Sees blicken. Dort lassen sich die »Schatten der Lebenden von morgen« sehen. Kleiner Inuit versteht nicht sofort und fragt nach, geduldig erklärt der Elch: »Die Schatten von morgen hinterlassen keine Spuren im Schnee … Du kannst werden, was Du willst.« Mit dem Geschenk, gewiss eine offene Zukunft zu haben, kehrt Kleiner Inuit nach Hause zurück.

›Kleiner Inuit und der weise Elch‹ entführt uns in eine Schnee- und Eislandschaft, die uns unberührt und geradezu unschuldig entgegen leuchtet. In großen, eindrucksvollen Bildern von Maurizio A. C. Quarello, teilweise als Makro oder Panorama konzipiert, folgen wir bis zum Blick ans andere Ufer und können sogar selbst die Schatten der Zukunft sehen. So philosophisch die Geschichte auch daher kommt, so einfach ist ihre Aussage: nimm Dein Leben selbst in die Hand, nur Du bestimmst, was daraus wird. Davide Cali ist ein aufklärerisches Bilderbuch der besonderen Art gelungen, welches anregt, nicht nur über die eigene Zukunft, sondern auch über das Hier und Jetzt nachzudenken – und das Geschenk des Lebens zu genießen. Nur wer sich etwas über das Leben der Inuits erwartet hatte, wird enttäuscht sein.

| JOHANNES BROERMANN

Titelangaben
Davide Cali / Maurizio A. C. Quarello: Kleiner Inuit und der weise Elch
(Petit Inuit et les deux questions, 2012)
Deutsch von Claudia Steinitz
Zürich: Atlantis 2013
32 Seiten. 14,95 Euro
Empfohlen ab 5 Jahre

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

»Wetten, dass… irgendwann Schluss ist?«

Nächster Artikel

Hartes Thema

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Grenzerfahrungen

Kinderbuch | Julia Rosenkranz: Als Mama einmal unsichtbar war

Krebs ist eine für Kinder schwer fassbare Krankheit. Was soll man sich unter kranken Zellen vorstellen, die jemand im Körper hat? Nein, Krebs hat nichts mit dem gleichnamigen Tier zu tun, das man wenigstens sehen kann. Ein Bilderbuch begleitet Kinder auf dem Weg, wenn jemand in der Familie an Krebs erkrankt ist. Von ANDREA WANNER

Das Fremde verstehen, mal wieder

Kinderbuch | Franziska Meiners: Das Flüstern des Orients Das Fremde fasziniert, weil es anders ist. Leider löst das nicht unbedingt aufrichtiges Interesse, sondern vielfach Angst und Ablehnung aus. Dagegen muss etwas getan werden! Franziska Meiners, Jungautorin und -illustratorin, stürzt sich tollkühn ins Schaffen von Verständigung. Von MAGALI HEIẞLER

Einszweidrei, im Sauseschritt

Kinderbuch | Meike Haberstock: Anton hat Zeit Anton hat etwas, was den meisten Menschen – vor allem den Erwachsenen – fehlt: Zeit. Eigentlich ist das toll – andererseits führt genau das immer wieder zu Konflikten mit seiner Mutter, die keine Zeit hat. ANDREA WANNER nahm sich die Zeit für ein besonderes Kinderbuch.

Eine vage Erinnerung

Kinderbuch | Rébecca Dautremer: Eine wunderbare Sache

Jacominus erwartet seinen Freund Polikarp zum Abendessen. Kurz vorher schläft er im Garten ein und eine Erinnerung an »eine wunderbare Sache« durchzuckt ihn. Als das Häschen wieder aufwacht, ist sie weg. Aber irgendwo muss sie doch stecken. Polikarp und er versuchen, sie zu finden. Von ANDREA WANNER

Märchenstunde, gruselschön!

Kinderbuch | Paul Biegel: Der Fluch des Wüstenwolfs   Wenn die Märchenstunde schlägt, werden auch heutzutage noch die Ohren gespitzt, nicht nur von Kindern. Wenn einer wie Paul Biegel erzählt, kann man sicher sein, dass für jede und jeden etwas dabei ist. Abenteuer und Spaß, Gespenstisches und Nachdenkliches, Räuber, Magie und natürlich Liebe. All das findet sich auch in der gerade erschienenen Geschichte ›Der Fluch des Wüstenwolfs‹. Dass einer bei der gruselig-schönen Märchenstunde hin und wieder fast der Atem stockt, ist genau so sicher. Von MAGALI HEISSLER