Kinderbuch | Jessica Walton, Dougal MacPherson: Teddy Tilly
Eine Veränderung in einer Beziehung bringt – Veränderung. Nein, sagt die junge australische Autorin Jessica Walton. Es ändert sich eigentlich nichts, weil man sich nämlich einfach weiterhin liebhaben kann. Man muss es nur wollen und wer wollte das nicht? Tja … Von MAGALI HEISSLER
Die Entstehung dieses Bilderbuchs ist eine Geschichte für sich und zugleich eine, die zu ihm passt. Dass es überhaupt entstand, ist eine Folge der persönlichen Lebenserfahrung der Autorin und dem sogenannten Crowdfounding. Dieses Finanzierungsmodell verdankt seine Existenz wiederum genauso fortgeschrittenem gesellschaftlichen Denken wie die offener werdende Diskussion über das Thema des Buchs, Transgender. Zeitgemäß zu zeitgemäß, also.
Deswegen verblüfft es besonders, wenn man beim Lesen feststellt, dass sich als Grundaussage ein herziges »Ihr müsst euch nur liebhaben, dann ist alles in Ordnung« herausstellt, das eine umgehend an die längst verblichenen Blumenkinder der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erinnert. Diese altertümliche geprägte Naivität verbunden mit einem Ansatz, der grundsätzlich gesellschaftsverändernd wirkt, wie eben Transgender, macht es schwierig, die kleine Teddygeschichte zu diesem Thema weiterzuempfehlen.
Kinder und Teddys – Teil eines Paradieses
Die Geschichte ist schnell erzählt, streng genommen leider deswegen, weil nichts passiert. Teddy Thomas fasst sich ein Herz und erzählt Kind Finn, dass er sich nicht als Bär, sondern als Bärenmädchen fühlt. Teddy möchte lieber Tilly heißen und den Schlips als Haarschleife tragen. Teddys Ängste lösen sich in Luft auf, an der Freundschaft der beiden ändert sich nichts und auch andere akzeptieren die Verwandlung lässig. Auch die Spiele bleiben die gleichen. Alles cool. Kein Problem, nirgends. Tu, was dir gefällt, sagt Finns Freundin Eva fröhlich, und das ist die zweite altvertraut klingende Botschaft.
Positiv zu vermerken ist auf jeden Fall, dass der extrem knappe Text nicht erzieherisch ist im Ton, sondern es scheinbar mühelos schafft, wunderbare Selbstverständlichkeit zu suggerieren. Veränderte Verhältnisse erfahren eine rundum natürliche Akzeptanz. Es macht Spaß, das zu lesen.
Allerdings gibt es mit einem Teddy als Gegenüber auch kein Problem. Ein Teddy ist alles, was Kinder nur imaginieren können. Wie soll das Stofftier das beeinflussen? Das Spiel mit Teddy ist konfliktfreies Terrain. Tatsächlich sagt es nichts über die Beziehung zu Menschen aus. Kinder und Teddys sind Teil eines Paradieses. Das Thema Transgender ist es nicht. Walton möchte eine bessere Welt schaffen, die erklärte Liebe zu Stofftieren allerdings ist in unserer nicht gerade ein brennendes Problem. Und wer einen Teddy liebhat, muss deswegen noch lange keine Menschenfreundin sein. Die Gleichungen, die hier aufgemacht werden, sind Gleichungen mit vielen Unbekannten. Sie einfach zu ignorieren, macht keine gute Geschichte.
Bilder, Bilder, Bilder
Bestechend an dem Buch sind die Bilder. Ganzseitig, zum Teil auch über eine Doppelseite zeigen sie kindliche Spielfreude, nahezu grenzenlos, frei. Weite herrscht hier, Raum, in dem viel Bewegung möglich ist. Die Freiheit im Denken, die der freundliche Anspruch des Texts suggeriert, wird an dieser Stelle realisiert. Dougal MacPherson, der Zeichner, ist sich dabei der Gefahren der Welt mehr bewusst als die Autorin. Finn trägt einen Fahrradhelm, im Auto sind Finn und Tilly im Kindersitz angeschnallt.
Überhaupt gewinnt das Ganze durch die Bilder. Strichelig, aufs Äußerste reduziert in Umriss wie bei Details wird Klarheit geschaffen. Nichts putzig-herziges hier, was die liebevolle Umarmung von Kind und Bär nur wahrhaftiger macht. Es gibt Fingerzeige auf Geschlechterrollen, die allein durch die sparsame Darstellung ihren ureigenen Charme bekommen, jedoch bei nur zwei Strichen mehr ein gereiztes Abwinken hervorgerufen hätten, weil nichts dahinter neu ist. Die Illustrationen sind frisch, vermitteln ungehemmte Spielfreude und bringen eine Lebendigkeit, der man sich nur schwer entziehen kann.
Die kleine Geschichte vom Teddy Thomas/Tilly ist eine liebe, freundliche, zarte, achtsame, ihr englischer Originaltitel bezeichnet sie ja auch als ›gentle story‹. Geradezu entzückend. Bloß – was damit anfangen? Sich unterhalten lassen, Freude haben. Das kann man mit vielen anderen Bilderbüchern auch. Darüber mit sehr kleinen Kindern sprechen? Dazu bräuchte man erst einmal ein Thema. Das hat Walton vermieden.
Es entsteht in den Köpfen von Menschen, die um einiges älter sind. Dann sind auch die Probleme da, die ihrerseits auf Kinder zurückwirken. Die Schwierigkeiten bewältigen wir nun leider nicht, indem wir einfach Freund_innen bleiben und weiterspielen wie bisher.
Titelangaben
Jessica Walton, Dougal MacPherson: Teddy Tilly
(Teddy – A Gentle Story About Gender and Friendship, 2015). Übers. von Anu Stohner
Frankfurt: Fischer Sauerländer 2016
32 Seiten. 14,99 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
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