Von einem, der auszog…

Kinderbuch | Thé Tjong-Khing: Hieronymus. Ein Abenteuer in der Welt des Hieronymus Bosch

Ein Junge spielt mit einem Ball. Der Ball fällt unglücklicherweise in einen tiefen Abgrund – und der Junge hinterher. Er landet unversehrt im Wasser – und in der magischen Bilderwelt des Hieronymus Bosch. Von ANDREA WANNER

The Tjong-Khing HieronymusDie Bildergeschichte des niederländischen Bilderbuchkünstlers Thé Tjong-King, der bisher auf temporeiche Tortengeschichtem spezialisiert war, ist eine Hommage an Hieronymus Bosch, dessen 500. Todestag in diesem Jahr begangen wird – unter anderem mit der bisher größten Übersichtsschau zu seinem Werk mit 36 Gemälden und Zeichnungen aus internationalen Sammlungen im Noordbrabants Museum in ’s-Hertogenbosch. Seine Geschichte ohne Worte beginnt im Hier und Heute, ein Haus und ein Auto im Hintergrund, Akteure sind besagter Junge in Jeans, Ringelshirt und Kappe mit einem Rucksack und einem Ball im Ballnetz, begleitet von einem Hund. Junge, Rucksack und Ball gilt es, im Auge zu behalten und auf den folgenden Seiten wiederzuentdecken.

Aber zunächst ist man erst einmal sprachlos! Was sind das für merkwürdige Gestalten, teils halb Tier, halb Mensch, teils wie Außerirdische wirkend, Monster, Gruselgestalten, Figuren, die sich verwandeln, Horrorfratzen, Angst, grässliche Gebilde, die den schrecklichsten Alpträumen entsprungen zu sein scheinen. Aber auch andere Absonderlichkeiten wie riesige Erdbeeren, Geschöpfe in der Luft, zu Land und im Wasser, die mit nichts vergleichbar sind, was wir kennen. Oder eben doch. Das Werk von Bosch ist zu neuem Leben erwacht, seine Fantasiewesen bevölkern einen neuen Raum und werden zu Herausforderungen, den sich der Junge mutig stellen muss.

Was er tut. Kreativ und fantasievoll. Er tappt in Fallen, nur um sich gekonnt daraus zu befreien. Er fällt auf falsche Freunde rein und korrigiert seine Fehler. Er ist auf der Flucht und hilft anderen Gejagten. Seine Naivität, seine kindliche Unbefangenheit und Unschuld machen ihn zum genau Richtigen, um dieses Abenteuer zu meistern.

Sein Weg führt ihn einmal quer durch das Werk des großen surrealen Meisters. Wer ihn und seine Bilder kennt, wird vieles wiedererkennen. Aber man braucht keine Vorkenntnisse, um sich auf das Abenteuer einzulassen. Augen auf und los geht’s. Für alle, die das ein bisschen gruselig finden, sei verraten: es geht gut aus. Thé Tjong-Khing gelingt das augenzwinkernd und irgendwie genauso witzig und liebenswert wie in seinen Tortenbilderbüchern. »Dem erbärmlichen Geist ist es zu eigen, stets nur Klischees und niemals eigene Einfälle zu verwenden.« Und diesen Vorwurf kann man weder Hieronymus Bosch noch Thé Tjong-Khing machen. Zitate aus dem Bosch’schen Werk, Parodien, ein Gespür für dessen Farbigkeit und das alles in eine sehr moderne Version mit Comicanklängen gebracht: Sehr spannend und zum immer wieder Anschauen.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Thé Tjong-Khing: Hieronymus. Ein Abenteuer in der Welt des Hieronymus Bosch
(Bosch – het vreende verhaad van Jeroen, zijn pet, zijn rugzak en de bal., 2015)
Frankfurt: Moritz Verlag 2015
48 Seiten. 14,95 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
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