Finstere Pläne und rosarote Träume

Jugendbuch | Dagmar Geisler: 17 ½ Methoden, Tim Birkmann um die Ecke zu bringen

Tim Birkmann hat es nicht anders verdient. Eine winzige Sekunde lang scheint er der Lichtblick an Jojos neuer Schule. Aber dann kennt sie nur noch Rachegedanken und schmiedet finstere Pläne, wie sie ihm ein und allemal den Garaus machen kann. Von ANDREA WANNER

17Methoden»Um die Ecke bringen« klingt brutal. Es trifft auf jeden Fall Jojos Stimmung, die denkbar mies ist. Ihre Eltern mussten unbedingt in eine schicke Wohngegend umziehen, ihr bleibt nichts als ein Schulwechsel. An der neuen Schule ist natürlich alles blöder als an der alten: Ihre beste Freundin Aysin sieht sie nicht mehr jeden Tag, Kunstunterricht gibt es keinen und das blöde Trio der »gackernden Stiefschwestern« nervt. Und dann taucht Tim Birkmann auf, ehemals Kindergartenfreund von Jojo. Aber das er sich nach über einem Jahrzehnt wirklich nicht mehr an sie erinnern kann, nimmt sie ihm nicht ab. Für solche Fälle hat Jojo ihre ganze eigene Methode: Stift und Papier. Und so entstehen wundervolle, grausame Szenen, die nur eines zum Inhalt haben: Tim Birkmann zu beseitigen.

Jojo ist wirklich kreativ, eine wahre Künstlerin – auch wenn das noch niemand so recht bemerkt hat, denn ihr älterer Stiefbruder Serge ist ein »echter« Künstler, der seine Bilder in Ausstellungen präsentiert. Und Jojos Mutter, Serges Stiefmutter, arbeitet in einer Galerie, in der auch »echte« Kunst gezeigt wird. So wird Jojos Können nicht wirklich ernst genommen. Dabei lohnt es sich: genial, wie Tim am Strand im Sand verbuddelt wird und am Schluss nur noch »Das Schäufelchen des Grauens« fehlt, um ihn gänzlich unter Sand zu begraben. Oder wie er von den Kröten, die sich als verzauberte Prinzessinnen ausgeben, zu Tode geküsst wird. Oder in Anlehnung an sein Kindergartenkuschelteil, einen Brokkoli, von einem wandelnden Riesenbrokkoli verschlungen wird. Jojo kennt keine Gnade – aber man ahnt es schon: Eigentlich findet sie Jojo total süß.

Dagmar Geisler hat mit leichter Hand und spitzer Feder einen witzigen Comicroman zu Papier gebracht, der von Liebeskummer, Peinlichkeiten, Alltagssorgen und dem ganzen Durcheinander erzählt, in dem man in dieser pubertären Phase steckt. Doch, es geht tatsächlich immer noch schlimmer, selbst wenn man glaubt, am absoluten Tiefpunkt angekommen zu sein. Mit so viel originellen Ideen und Humor wird aber aus Jojos Katastrophenerfahrung eine tröstende Lektüre, die aufmunternd und Mut machend wirkt!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Dagmar Geisler: 17 ½ Methoden, Tim Birkmann um die Ecke zu bringen
München: dtv 2014
158 Seiten, 9,95 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Warmherzige Geistergeschichte

Nächster Artikel

Ich bin eine ganz andere

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Rede an die Nation

Jugendbuch | Christian Frascella: Bet empört sich Auch in Zeiten überbordender Geschwätzigkeit gilt es noch als wichtig, etwas zu sagen zu haben. Allerdings ist es keineswegs so, dass selbst dann alle Gehör finden. Die, denen nicht zugehört wird, sind auf jeden Fall die jungen Menschen. Genau das hat Bet satt. Sie verschafft sich die Möglichkeit, gehört zu werden, und hält unversehens eine Rede an die ganze Nation. Christian Frascella erzählt in seinem neuesten Jugendroman, wie es dazu kommen konnte. Von MAGALI HEISSLER

Verlockendes Teufelszeug

Jugendbuch | Andy Mulligan: Liquidator Wenn sich Jugendliche an die Lösung eines Kriminalfalls machen, gibt es für Autorinnen und Autoren zwei Möglichkeiten. Entweder man sorgt für einen kleinen, mehr oder weniger plausiblen Fall, dessen Aufklärung durch Amateure im Bereich des Möglichen liegt. Oder man greift in die Vollen. Dann wird es vermutlich eher unglaubwürdig, dafür spannend. Wie im vorliegenden Fall. Von ANDREA WANNER

Schwere Entscheidungen

Jugendbuch | Clare Furniss: Morgen ist heute schon vorbei Hattie kann es auch nach dem 4. Test noch nicht glauben: sie ist schwanger. Von Reuben, der doch eigentlich nur ihr bester Freund ist. Wie soll und kann es weitergehen? Von ANDREA WANNER

Der Wunsch nach Normalität

Jugendbuch | Rindert Kromhout: Anders als wir Ein kleines Mädchen hat einen besonderen Wunsch: Sie möchte in einer ganz normalen Familie leben. Wenn man Angelica Bell heißt, wird das schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Von ANDREA WANNER

Wer bin ich?

Jugendbuch | Yorick Goldewijk: 1000 und ich

»Hör zu, sei gehorsam, folge. Zweifle nicht, zögere nicht, hinterfrage nicht.« Dieses Mantra aus zig Lautsprechern prägt den Tagesablauf von Nummer 8, prägt ihr Leben. Aber irgendwo lauern andere Gedanken, Widerspruch und Träume. Gespannt folgte ANDREA WANNER den unheimlichen Wegen der Dystopie.